Tichys Einblick
Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu Gast

Eine Stunde Caren Miosga macht den tapferen Zuschauer fett

Marie-Agnes Strack-Zimmermann erhält eine Stunde Werbezeit von Caren Miosga. Helfen wird das der FDP-Spitzenkandidatin für die EU-Wahl nicht. Die Zuschauer laufen während der Sendung weg - oder tun sich nichts Gutes an.

Screenprint ARD / Caren Miosga

Jeder kennt die Situation aus seiner Kindheit: Die Tante ist zu Besuch und unterhält sich jetzt mit der Mutter. Die Kinder müssen zuhören, obwohl das Gespräch endlos öde ist und nichts bringt. Immerhin gibt es zum Ausgleich Süßigkeiten. Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist der zentrale Gast bei Caren Miosga. Also ran an die Schokolade im Wohnzimmerschrank und zuhören.

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Strack-Zimmermann lässt sich aktuell als Gast im Talk rechtfertigen, weil sie die Spitzenkandidatin der FDP zur EU-Wahl ist und die Partei am Wochenende ihren Bundesparteitag hatte. Doch um die Partei geht es fast gar nicht. Das zentrale und halbwegs spannende Thema ist der Krieg in der Ukraine, auf ihn schwenkt Strack-Zimmermann selbst bereits nach 3 Minuten und 48 Sekunden zum ersten Mal über. Der Zuschauer schuldet ihr Dank. Denn das belanglose Geplänkel davor war unerträglich.

Doch es gibt ein Problem: Caren Miosga ist fest entschlossen, ein belangloses Geplänkel zu liefern. Im Vergleich zu ihrem Interview-Stil unterzieht jede Mutter der Tante während des Besuchs einem regelrechten Verhör. Miosga spielt Strack-Zimmermann eine Nettigkeit nach der anderen auf die Vorhand. Ein paar Kostproben:

– „Sie könnte es sich längst bequem machen mit ihren 66 Jahren.“

– „Jetzt liegt alle Hoffnung auf Ihnen. Sie sollen das Ruder jetzt rumreißen.“

– „Der Applaus ist Ihrer.“

– „Sie wollen die Bundeswehr ertüchtigen. Sie kämpfen wie keine Zweite für die militärische Unterstützung der Ukraine.“

– „Sie kämpfen wie eine Löwin für die Ukraine.“

– „Ich bin sicher, er (Franz Josef Strauß) würde Ihren Zunder lieben. Den Zunder, den sie dem Kanzler geben, aber auch der AfD.“

– „Es kommt doch regelmäßig vor, dass sie ihrem Ärger Luft machen – und die Leute schätzen das.“

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Caren Miosga spricht nicht wie eine Journalistin. Sie himmelt Strack-Zimmermann an, als ob sie die Leiterin ihrer Fanseite auf Facebook wäre. Sie ist so zahm, dass es sogar Strack-Zimmermann zu viel wird. Die FDP-Kandidatin inszeniert sich schließlich gerne als die harte Frau. Deswegen bringt sie die entsprechenden Vorlagen selbst: „Mir wird oft vorgeworfen, ich sei eine Kriegstreiberin.“ Was sie natürlich nicht sei, Strack-Zimmermann sieht sich schon eher als die Löwin, die für die Ukraine kämpfe. Aber damit die FDP-Frau den Vorwurf entkräften kann, muss er wenigstens benannt werden. So viel Dramaturgie müsste schon sein. Eigentlich. Doch nicht bei Miosga. Die Frage nach deren Pöbelauftritt, als Strack-Zimmermann einem Demonstranten mit dessen Chef drohte, erspart die Talkerin ihrem Gast. Denn Miosga ist das in ihrer Verehrung für Strack-Zimmermann zu viel. Sollen die Zuschauer doch eine Tüte Chips aufmachen, wenn sie sich langweilen.

Die Sendung selber ist grenzenlos öde. Sie hat ein kleines Highlight, wenn Miosga Strack-Zimmermann darauf anspricht, dass FDP-Spitzenmann Thomas Kemmerich sie nicht zum Wahlkampf nach Thüringen einlädt. Nicht, ohne den Kurzzeit-Ministerpräsidenten verächtlich zu machen. Auf welcher Seite sie steht? So viel Spannung lässt Miosga auch nicht für eine Sekunde zu. Sie leitet einen Einspieler ein: „Wir gucken jetzt mal in ihre Vergangenheit.“ Das Fotoalbum. Ein unverzichtbarer Bestandteil eines jeden Gesprächs zwischen Mutti und Tante. Strack-Zimmermann hofft auf Spannung: „Oh, jetzt aber.“ Doch Miosga beruhigt: „Nee, so schlimm ist das gar nicht.“ Es wird also weiter rumgeschmeichelt. Nur halt im Einspieler statt im Talk. Allmählich wandert die Hand zu den Fruchtgummis. Und Miosga verspricht dem Zuschauer, dass es überhaupt nicht abgesprochen sei, mit welchen Bonmots sie ihren Gast verwöhnt. Niemals.

Zwei weitere Gäste nimmt Caren Miosga nach einer halben Stunde in den Talk dazu. Spannend wäre zum Beispiel Thomas Kemmerich. Doch Spannung gibt es nicht bei Caren Miosga. Deswegen ist Nicole Deitelhoff da, aus dem ARD-Fundus für berechenbare Ukraine-Expertinnen. Und Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung. Der ist ein dezidierter Linker, der sich Friedensverhandlungen wünscht und immerhin für eine Pointe gut ist: „Ich kenne viele Leute, Frau Strack-Zimmermann, denen machen Sie tatsächlich Angst.“

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Prantl ist ein Linker, der sich Friedensverhandlungen in der Ukraine wünscht. Die ARD teilt die Welt in Strack-Zimmermanns und Putin-Trolle ein, in Lauterbachs und Covidioten, in Habecks und Klimaleugner, in Faesers und Rechtsextreme. In dieser Polarisierung der ARD ist ein Thomas Kemmerich ein Unsagbarer, der als Gast nicht in Frage kommt. Ein Linker mit dem Wunsch nach Friedensverhandlungen wie Prantl ist der äußerste Rand an anderer Meinung, den die ARD zulässt. Nicht ohne ihn einzuordnen. So stimmt die Leiterin der Facebook-Fangruppe  den Gast Prantl auf Strack-Zimmermanns Kurs ein: „Verstehen Sie das denn, Herr Prantl, dass man in die Situation des Stärkeren kommen muss, um verhandeln zu können?“

Und wenn die ARD Verständnis für andere Positionen zeigt, sieht das so aus wie bei Miosga: „Es ist eben wahnsinnig schwierig, diese Leute, die danach (Friedensverhandlungen) schreien, zu überzeugen, dass das schon stattfindet, weil es eben im Verborgenen läuft.“ Die Kinder vor dem Schirm dürfen also schon eine andere Meinung haben als Mama und Tante in der ARD. Doch dann sind sie halt unwissende Schreier, die noch viel lernen müssen. Noch eine Limo?

Inhaltlich sind 60 Minuten Miosga in dreieinhalb Sätzen zusammenzufassen: Caren Miosga findet Marie-Agnes Strack-Zimmermann toll. Waffenlieferungen an die Ukraine sind richtig, egal welche. Die ARD erlaubt den Einwand, dass man über Friedensverhandlungen reden dürfen muss – hält ihn aber für falsch. Das ist so erfrischend wie eine Schüssel mit Salzstangen, die schon seit über zwei Jahren auf dem Couchtisch steht. Alles schon hundertmal durchgekaut. Kein Erkenntnisgewinn und eben eine unglaublich öde Angelegenheit.

Caren Miosga durchzuhalten macht fett. So viel Zucker kann sich niemand reindrücken, dass es diese eine Stunde erträglich wirken lässt. Das scheinen die Zuschauer auch so zu sehen. Um 20.15 Uhr läuft der beliebte Köln-Tatort und versammelt 9,3 Millionen Zuschauer vor dem Fernseher. In der Stunde danach fährt Miosga die Quote auf 2,8 Millionen Zuschauer runter. Nicht mal jeder Dritte hält diese Strack-Zimmermann-Fanstunde durch. Im Kampf gegen Übergewicht ist das eine gute Nachricht.

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