Tichys Einblick
Habeck kann "Krisenmanagement"?

Robbie Williams und Theo Waigel – Echte Männer bei Lanz und Maischberger

Hat die Berliner Politik mittwochs keine Zeit, oder was ist hier los? Bei Lanz sitzt CSU-Urgestein Theo Waigel, der schon seit 25 Jahren pensioniert ist, und bei Maischberger hockt der Grünen-Senior Winfried Kretschmann. Ach ja, und Robbie Williams. Der ist auch alt geworden. Aber einfach männlich. Cool. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Maischberger

Der britische Mega-Star wurde vorab verarztet, das Gespräch aufgezeichnet. Robbie Williams wirkt so übertrieben echt und nahbar, als habe Maischberger geahnt, dass sie mit diesem Gast irgendetwas wettmachen müsse.

Zum Beispiel den Gast vom Vorabend: CDU-Profipennäler Philipp Amthor war mit einstudierten Phrasen spektakulär an AfD-Frau Beatrix von Storch gescheitert. Williams ist das exakte Gegenteil eines blassen Partei-Stromliners: Hier sitzt ein echter Kerl, sympathisch gealtert, und er blickt zurück auf ein Leben, das zeitweise jedes Maß verloren hat. Boyband („Take That“), Solokarriere, Mega-Konzerte vor Hunderttausenden, Drogenexzesse, Lebenskrisen, Heirat, Familie, Kinder, Selbstzweifel, psychische Probleme, „Flucht“ in die USA, wo ihn kaum jemand kannte.

Das aufgezeichnete Gespräch wird pseudo-live an die Sendung gehängt, denn um Mitternacht, wenn alles ausgestrahlt wird, liegt der in Ehren ergraute Popstar selbstverständlich brav in der Koje. Robbie Williams macht keinen Hehl daraus, dass er ruhig geworden ist, langweilig, eigentlich ein Spießer sogar, und dass er heute nur da sitzt, um für seinen Film zu werben.

Aber was bitteschön hat man dem Mann bloß über Maischberger erzählt? Er fragt sie: „Ich wette, Sie machen hier sonst den Politikern die Hölle heiß, oder? Ist es Ihr Job, denen die ganz harten Fragen zu stellen?“ Da kommt selbst Maischberger ins Stocken. Nach einer Pause antwortet sie: „Ich versuche, ihnen das herauszulocken, was sie nicht sagen wollen.“ Ach was, echt jetzt? Toll! So eine Sendung würden wir ja wirklich gern mal sehen. Wird dieses Material etwa zurückgehalten? Hey, ARD, gebt endlich die Bänder frei!

Spaß beiseite. Wir sind weiterhin bei Maischberger.

„Ich bin so glücklich, dass ich nur hier bin, um einen Film zu promoten“, sagt Williams lachend. Jede Wette: Die Hälfte des Publikums versteht überhaupt nicht, was er sagt. Und einen Dolmetscher hat sich die ARD gespart. Nur in der Mediathek gibt es das Interview mit Untertiteln, das Studiopublikum hingegen guckt in die Röhre. Ergebnis: Robbies Witze zünden nicht so recht. Einmal sagt er, dass er mittlerweile gern auch die Amerikaner davon überzeugen würde, „was für ein geiler Typ ich bin“. Im Publikum: Totenstille. Der Sänger schaut sich irritiert um: „Das hätte jetzt eigentlich für einen Lacher sorgen sollen.“ Maischberger: „Die warten.“ Es ist der vielleicht ehrlichste Moment der Sendung. Denn urplötzlich brandet tosender Applaus auf, Jubelrufe sogar. Das Klatschvolk hat tatsächlich auf den Anklatscher gewartet …

Kristina Dunz ist ebenfalls da. Die hat immer Zeit, auch mittwochs. Sie hat es ja nicht weit, denn ganz offensichtlich wohnt sie irgendwo in den Fernsehstudios. Zwei Zimmer, Schnittchenbüffet und Schminkraum. Klo und Kaffeeautomat auf dem Gang. Heute Lanz und morgen Miosga, dazwischen die Maischbergerin und Hart aber Fair, dann wieder Lanz – die Dunz kann’s. Man fragt sich, was die Dame eigentlich beruflich macht. Offiziell ist sie stellvertretende Chefredakteurin des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND), aber findet sie dafür noch Zeit? Wahrscheinlich egal, denn es geht um höhere Aufgaben. Das RND gehört schließlich zur Verlagsgesellschaft Madsack, die sich wiederum (über das Medienbeteiligungsunternehmen Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft) zu 23,1 Prozent im Besitz der Kanzler-Partei SPD befindet.

Was Dunz an diesem Abend sagt? Wissen wir nicht mehr. Wahrscheinlich dasselbe wie immer. SPD okay, Olaf naja, Grüne knorke. Dazu im Zweifel noch ein bisschen „Erderhitzung“ (Erderwärmung ist bei ihr out) und mehr Waffen für Wolodümür, klar.

Mit den übrigen Gästen rutscht Maischberger wieder in ihre Parallelwelt ab, wo das echte Leben keine Rolle spielt und stattdessen Pseudoprobleme bis jenseits der Schnarchgrenze durchdebattiert werden.

Da darf eine Sonja Zekri, Redakteurin der untergehenden Süddeutschen Zeitung, die Wirtschaftskrise und die ständig steigenden Preise mit dem Satz kommentieren: „Dann sagen auch viele Menschen: Eigentlich geht es mir ganz gut.“ Da darf Kristina Dunz – huch, jetzt ist uns doch noch was zu ihr eingefallen – die CSU mit der Empörung kritisieren: „Die sind so unfassbar aggressiv gegen die Grünen geworden!“

Vor allem aber darf der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Deutschen unwidersprochen und fast pausenlos belügen. Man muss es so deutlich sagen, denn das genau ist es, was der Grüne tut. Kretschmann behauptet: „Der (Habeck) hat angefangen in einer schweren Krise. Russland hat das Gas abgedreht.“ Das ist nachweislich falsch. Heizungsgesetz? Kein Thema. Habeck verantwortlich für die Autokrise? Kretschmann: „Das hat mit ihm erstmal überhaupt nichts zu tun.“ Der Grüne versteigt sich sogar in ein völlig absurdes Habeck-Lob: „Er kann mal Krisenmanagement!“ George Orwell lässt grüßen: „Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke. Schwachkopf ist Krisenmanager.“

Wer noch nicht genug hat: Am Ende droht Kretschmann sogar mit weiteren 3000 (!) Windrädern allein in seinem Bundesland. Dass jede dieser Anlagen über ihre Laufzeit von durchschnittlich 20 bis 30 Jahren zwischen drei und 4,5 Tonnen mikroskopischen Giftmüll und Ewigkeitschemikalien in ihrer Umgebung verteilt, wird natürlich unterschlagen. Wir befinden uns schließlich weiterhin in Maischbergers Parallelwelt.

Um es mit Robbie Williams zu sagen: „Sie machen hier den Politikern die Hölle heiß, oder?“ Oder?

Nicht einmal Habecks peinliche Küchentisch-Videos wagt Kretschmann zu kritisieren. Als Maischberger den ministerialen Werbeclip aus einem Pflegeheim einspielen lässt, wo „der Robert“ auf „die Anne“ trifft, sagt Kretschmann nur: „Jeder hat seinen Stil.“ Dass Habeck mittlerweile hunderte unbescholtene Bürger wegen satirischer Bemerkungen anzeigt, bleibt unerwähnt. Die „Schwachkopf-Affäre“ – kein Thema. Hausdurchsuchungen, bei denen Rentnern die Tür eingetreten wird – einfach nicht existent im Maischberger-Universum.

Theo Waigel findet eine Stunde später bei Markus Lanz deutlich klarere Worte: „Man stellt ja plötzlich fest, dass in der Küche mehr Politik gemacht wird als im Dienstzimmer.“ Der ehemalige CSU-Finanzminister, berühmt für die imposantesten Augenbrauen südlich und nördlich des Weißwurstäquators, hat für Habeck nur Verachtung übrig: „Er hat als Wirtschaftsminister versagt. Dass Deutschland den Durchschnitt der EU-Länder nach unten zieht, das hat es noch nicht gegeben.“

Waigel selbst sei durchaus mit anderen Parteien kompatibel: „Mit Peer Steinbrück könnte ich sofort eine Große Koalition schließen, und wir wären zu 90 Prozent einer Meinung.“ Doch das gilt nicht in alle Richtungen: Tragisch zu sehen, wie unreflektiert Waigel die neumodische Diffamierung demokratisch gewählter Parteien übernimmt. Waigel sagt, man müsse „das Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD kleinhalten, damit die demokratischen Parteien der Mitte einigermaßen stabil aus der Wahl herauskommen“. Also auch bei Lanz am Ende leider nicht viel mehr als bajuwarische Possen und Parolen.

Aber die Augenbrauen, die sind nach wie vor Spitze.

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