Tichys Einblick
Causa Mathias Döpfner:

Regierung mischt sich in freie Presse ein

Um den Chef des Springer-Verlags wird ein Skandal am Kochen gehalten. Doch nicht so sehr Mathias Döpfners Äußerungen sind empörend, sondern der Umgang damit: Die Regierung mischt sich in die freie Presse ein.

IMAGO / Jürgen Ritter, Sven Simon - Collage: TE

Die Zeit hat einen Skandal um den Vorstandsvorsitzenden des Axel-Springer-Verlags Mathias Döpfner losgetreten. Die Zeitung hat vertrauliche, dienstliche Nachrichten veröffentlicht, die diesen belasten. Gesellschaftlich am relevantesten an diesen Mails ist, dass der Verleger seine Redaktion wohl aufgefordert hat, die FDP publizistisch zu stärken. Am leichtesten skandalisieren lässt sich seine Aussage über Ostdeutsche, die alle radikal seien – entweder Kommunisten oder gleich Faschisten.

Der eigentliche Skandal ist an Tragkraft überschaubar. Dass ein privates Medium eine Partei unterstützt, kommt vor und muss es letztlich mit seinen Kunden ausmachen. So derb über die Ostdeutschen hätte sich Döpfner natürlich nicht öffentlich äußern dürfen. Hat er aber auch nicht. Es sind vertrauliche Nachrichten, die deren Empfänger offensichtlich an ein konkurrierendes Medium gegeben haben.

Dennoch hat sich der „Ostbeauftragte“ der Bundesregierung in den Fall eingemischt. Carsten Schneider (SPD) hat gegenüber RBB24 Brandenburg gesagt, Döpfner sei eine „Gefahr für die Demokratie“. Und er solle zurücktreten, denn er sei „nicht mehr haltbar“. Das ist zum einen verlogen. Alleine schon mit dem (gut bezahlten) Amt des Ostbeauftragten signalisiert die Bundesregierung selbst, dass sie ein Problem mit Ostdeutschland sieht. Einen Westbeauftragten gibt es nicht. Auch keinen für Bayern. Oder für „Döner mit alles und scharf“. Warum nicht? Weil die Bundesregierung darin eben kein Problem sieht.

Vor allem aber ist es eine Umkehr der demokratischen Statik. Die Medien sind da, um als „Vierte Gewalt“ die Politik zu überwachen. Vor allem die freien Medien. Nun maßt sich ein Vertreter der Regierung an, deren Personal bestimmen zu wollen. Die Politik missbraucht Geld aus Steuern, um ihre eigenen Kontrolleure zu diskreditieren. Das ist der eigentliche Skandal an der Causa Döpfner. Wenn dann Schneider noch ein über staatliche Zwangsgelder finanziertes Medium nutzt, um die freie Presse zu kritisieren, ist das die Kirsche auf dem Kuchen – und dass dieses Medium selbst wiederum in einen massiven Finanzskandal verstrickt ist, bedeutet einen Extra-Zuckerguss.

Zumal der Staat sich ohnehin immer stärker zum Finanzier privater Medien macht und folglich Einfluss gewinnt. Das Wirtschaftsministerium hat ein Papier veröffentlicht, nach dem der Staat 2025 über 600 Millionen Euro direkt an Verleger verteilen soll – auch an Hersteller von Anzeigenblättern. Aber schon jetzt profitieren bestimmte private Medien von staatlichem Geld. Etwa durch ausufernde Anzeigenkampagnen wie denen des Wirtschaftsministeriums oder des Gesundheitsministeriums. Oder durch Kooperation mit den staatlich zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sendern. Zum Beispiel die Zeit, die mit dem RBB den gemeinsamen Podcast „Geld Macht Katar“ veröffentlicht hat. Diese Zeitung veröffentlicht interne Mails, die dann ein Vertreter der Bundesregierung aufgreift, um über ein zwangsfinanziertes Medium sich in freie Presse einzumischen – ein schönes Zusammenspiel.

Wobei Döpfner einen eigenen Anteil daran trägt, dass er nun öffentlich demontiert wird: Zum einen, weil er Mitarbeitern vertraut hat, denen offensichtlich nicht zu vertrauen ist. Zum anderen, weil er den Springer-Verlag selbst an die Seite der Bundesregierung gestellt hat. Etwa in deren Gesellschaftspolitik. Als die Welt kritisch über Trans-„Aktivisten“ berichtete, griff Döpfner öffentlich ein und verkündete, die Zeitungen des Springer-Verlags würden künftig wohlwollend über die „Aktivisten“-Szene berichten. Seitdem glänzt die Bild mit Schlagzeilen wie: „Zweites Kind für Tom Daley und seinen Ehemann“, „Wenn ER siegt, steht auf der Urkunde Alina“ oder „Muss man schwul sein, um Schwule zu spielen?“.

Kurz nach dieser Wende tauschte Döpfner bei Bild die Chefredaktion aus und holte die freie Drehbuchautorin Marion Horn zurück. Als Chefredakteurin der Bild am Sonntag glänzte sie einst durch ihre Affinität für Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Zum Dank für die Festanstellung schrieb die ehemalige freie Drehbuchautorin jetzt über ihren Chef, dass er sich entschuldigen müsse. Dieser übte die geforderte Selbstkritik auch schuldbewusst aus. Erledigt ist die Affäre damit nicht. Im Zusammenspiel zwischen Zeit, öffentlich-rechtlichen Medien und Bundesregierung ist weiter damit zu rechnen, dass der Fokus nicht mehr auf der Kontrolle der Regierung liegt – sondern auf der Kontrolle der Kritiker derselben.

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