Tichys Einblick
Erstwähler im Visier der CDU

Auf Wählerfang in der Diskothek

Die CDU will Erstwähler für sich gewinnen – mit Wahlwerbung auf der Tanzfläche, dem „Dancefloor“. Wenn die CDU versucht, jung zu sein, staubt es ganz schön gewaltig. Doch auch die Grünen schaffen es immer weniger, die Jugend anzusprechen. Auch Sonnenblumen altern schnell.

Symbolbild: Landesparteitag der Berliner CDU 2011

IMAGO / Thomas Lebie

Die Jugend, die bei der Musik von ABBA tanzt, für die CDU gewinnen: Das ist das neue Ziel der Partei. Bei einem Ideenwettbewerb auf dem Bundesparteitag wurde die Junge Union Hagen für ihr Format „DISKOtieren – Politik auf dem Dancefloor“ ausgezeichnet. Erstwähler sollen in der „Disko“ die Möglichkeit haben, über Politik zu sprechen – wo und was diese „Disko“ sein soll, müssen die 16-Jährigen erst noch herausfinden.

Neu bei der diesjährigen Europawahl am 9. Juni 2024 ist, dass ab 16 Jahren gewählt werden darf. Damit sind rund 4,8 Millionen Wähler Jugendliche, wie das Statistische Bundesamt schätzt. Eine Million mehr als bei der Europawahl 2019. Sie sind eine wichtige Zielgruppe für die Parteien; und eine Chance für die CDU, denn aktuelle Umfragen ergeben, dass die Jugend immer häufiger rechts wählt. Die CDU profitiert davon jedoch in geringerem Maße als ihr größter Kontrahent, die AfD. Die Wählerschaft konservativer Parteien ist überaltert; die Grünen punkten vor allem bei Wählern im Alter zwischen 35 und 45.

Die CDU will also ihr Bild als Opa-Partei ablegen. Im Stil von Jugend forscht werden die Initiatoren des Formats „DISKOtieren“ mit einem Pokal und einem Gutschein im Wert von 500 Euro für den CDU-Shop ausgezeichnet. Und weiter ganz im Stil von Jugend forscht ist das Projekt auch nicht für das echte Leben geeignet: Wo gibt es in Deutschland denn noch Diskotheken? Kein Jugendlicher im Land würde dorthin gehen – ihre Großeltern aber vielleicht, um die wilden ABBA-Jahre wiederzubeleben. Die Jugend kann man aber durchaus im Club antreffen.

Ein semantischer Unterschied vielleicht. Aber er unterstreicht, wie weit die Union von ihrer vorgeblichen Zielgruppe entfernt ist. Die nächsten Schritte sind klar: Wahlwerbung auf DVDs. Erstwähler in Platten-Geschäften ansprechen. Britney Spears zum Parteitag einladen.

Nach dem Motto: Nachts sind alle Katzen grau, sollen also in Nachtclubs junge Leute von der CDU überzeugt werden. Sinnlos, wenn immer wieder dieselben alten Wahlprogramme aus dem Lautsprecher dröhnen. Sollten aber Erstwähler tatsächlich bekannt mit dem Begriff „Disko“ sein, werden sie sich eventuell auch an die Wehrpflicht erinnern – und könnten bald wieder mit der CDU in alten Zeiten schwelgen. „Wählt uns, dann dürft ihr ein Jahr lang der Bundeswehr beim Versagen zuschauen oder als Pfleger unsere Fehler in der Gesundheitspolitik ausbügeln“, ist ein mutiges Argument.

TikTok-Sieger AfD

Während die CDU Schwierigkeiten hat, in der Gegenwart anzukommen, machen sich andere über die sozialen Medien an die Jugend ran. Die Grünen setzen seit längerem verstärkt auf die sozialen Medien. Peinliche TikTok-Videos von den Grünen sind im Umlauf. Emilia Fester tanzt regelmäßig durch den Bundestag. Ricarda Lang zeigt in einem Video „vier Dinge, die die EU in Brüssel für junge Menschen tut“, und flüstert zum Abschluss schauerlich in die Kamera „nicht wählen ist ’ne Red Flag“.

Wahrscheinlich würden Jugendliche in diesem Zusammenhang wohl eher das Wort „cringe“ verwenden. Für die älteren Semester: Synonyme für „cringe“ sind blamabel, fatal, peinlich, peinsam, unangenehm, hundserbärmlich, jämmerlich. Robert Habeck ist neuerdings auch auf TikTok, da gibt es nicht so viel Gegenwind wie bei X – und auch der Kanzler ist schon auf der chinesischen App zu finden. „Er wird nicht tanzen“, versprach der Pressesprecher des Bundeskanzleramtes, als der Account bekannt wurde. Die Jugend betet, dass es so bleibt.

Die AfD ist der Sieger der sozialen Medien. Sie konnte in den öffentlich-rechtlichen Medien keine Rezeption finden und schafft sich so eigene Kanäle. Besonders auf TikTok können Politiker wie Maximilian Krah eine große Zielgruppe erreichen, die ARD und ZDF sowieso nur aus Omas Erzählungen kennt. Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung legt offen, dass 14 Prozent der Jugendlichen für einen EU-Austritt stimmen würden. Damit sind anteilsmäßig mehr Jugendliche für einen Dexit als in der Gesamtwählerschaft mit zehn Prozent.

Die Idee der Jungen Union Hagen, Politik in Diskotheken zu diskutieren, zeigt, dass die CDU die Realitäten und Bedürfnisse der Jugendlichen nicht versteht. Bei der Bundestagswahl 2021 war die erfolgreichste Partei bei Erstwählern die FDP. Auch in Umfragen bei unter Achtzehnjährigen führten die Liberalen, gefolgt von den Grünen. Viele dieser Wähler haben sich von Christian Lindners Partei enttäuscht abgewandt. Sie wurden mit Versprechen gelockt, die Corona-Politik zu lockern. Sie wurden mit Karl Lauterbach belohnt. Die CDU will DISKOtieren und bietet die Wehrpflicht. Es lacht und freut sich die AfD.

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