Tichys Einblick
Was geschieht mit dem RBB?

Diese sieben Reformen brauchen ARD und ZDF jetzt

Die ersten Politiker fordern die Auflösung des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Doch da haben die Länder mit zu reden. Vor allem müsste die Politik überhaupt erst zu richtigen Reformen entschlossen sein.

IMAGO / Philipp Szyza

8,5 Milliarden Euro. Jahr für Jahr. Allein durch Zwangsgebühren. Der riesige Geldfluss hat Sender und Politik bisher davon abgehalten, echte Reformen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umzusetzen. Wenn es Konflikte zwischen Politik und Sendern gab, hat einfach jeder bekommen, was er wollte. Geld war ja genug da. Und falls nicht, erhöhten die Sender einfach die Gebühren. Die Kontrollkommission KEF und das Bundesverfassungsgericht haben beim Winken weniger im Weg gestanden als die Zuschauer bei der Tour de France.

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Nach dem Skandal um den RBB und seine Intendantin Patricia Schlesinger melden sich jetzt zunehmend Politiker mit einzelnen Reformvorschlägen. So verlangen Stimmen aus der CSU, dass kleine Sender wie der RBB, Radio Bremen oder der Saarländische Rundfunk mit den benachbarten größeren Sendern zusammengehen. Doch da haben die Staatskanzleien in Potsdam, Berlin, Bremen und Saarbrücken ein Wort mitzureden. Rundfunk ist Ländersache. Wer als Landesfürst seine Hofberichterstatter aber unter Kontrolle halten will, der bewahrt ihnen die Unabhängigkeit. Einzelne Reformen führen zu Kompromissen, die am Ende absurder sein können, als die jetzige Situation. Daher braucht es jetzt eine umfassende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, an der sich alle großen Parteien beteiligen müssen. Dazu gehört:

1. Abschaffung der Spartensender. Über die Frage, ob es wirklich ein Zweites Deutsches Fernsehen geben muss, ließe sich schon streiten. Doch spätestens die Frage, warum es noch ZDF Neo, ZDF Info, One, Tagesschau 24 oder ARD Alpha geben muss, kann kaum einer beantworten. ZDF Info und Tagesschau 24 sind Plattformen für Wiederholungen von Dokumentationen, Talkshows und Politmagazinen. In Zeiten der Mediathek sind sie überflüssig. Auf ZDF Neo laufen allein donnerstags sechs Wiederholungen der veralteten Krimiserie Monk, die davor RTL mehrfach gezeigt hat. Mit öffentlich-rechtlichem Auftrag hat die Wiederholung einer Uralt-Serie in Dauerschleife nichts mehr zu tun.

2. Ausbau von Phoenix zu einem echten Nachrichtensender. Es ist ein Klassiker des deutschen Fernsehens: Irgendwo auf der Welt kracht es so richtig und der öffentlich-rechtliche „Ereigniskanal“ Phoenix zeigt Dokus über Hitler, ägyptische Pyramiden oder das Leben der Lachse in Kanada. Ein Ausbau von Phoenix zum echten Nachrichtenkanal scheiterte zuletzt. Die Bonner wollen ein Ereigniskanal sein. Live wollen sie nur berichten, wenn die Nachrichten gesichert seien. Das hört sich erstmal nach einem journalistischen Argument an, ist aber nach dem Realitätscheck nur eine Ausrede. Phoenix berichtet nicht live vom Brand Notre Dames – aber einen Tag danach dann doch. Dann wenn die Kanzler, Minister, Oppositionsführer und Politikprofessoren das Bedürfnis verspüren, ihre Meinung zu den Dingen in eine Kamera zu sprechen. Deutlicher kann ein Sender nicht machen, dass er Hofberichterstattung („planbare Ereignisse“) echtem Journalismus vorzieht. Beim Beispiel Notre Dame war Phoenix zum Beispiel in der nachträglichen Ursachensuche zurückhaltend. Gelinde gesagt. Ein Nachrichtensender, der nicht rausgeht, wenn es brennt, braucht niemand. Ein echter Nachrichtensender würde dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk aber gut stehen.

3. Zusammenlegung der Dritten Programme. Der Vorschlag aus der CSU, die kleinen den großen Sendern in der ARD zuzuschlagen, ist verlogen, halbherzig und daher wenig gewinnbringend für die Zuschauer. Die letzte Zusammenlegung fand 1998 statt, als der SWF im SR aufging und der SWR entstand. Doch das Programm war und blieb von Baden-Württemberg dominiert. Spielte die TuS Koblenz sonntags in der Zweiten Liga, erfuhren die Fans vom SWR das Ergebnis aus Reutlingen oder Hoffenheim – aber eben nicht aus Koblenz. Dass die Garnisonsstadt zum Sendegebiet gehört, schien den Journalisten in Baden-Baden einfach nicht klar zu sein. Im Verkehrsfunk wäre dem SWR-Hörer aus Altenkirchen die Sperrung der A7 bei Kassel schon räumlich näher als ein Auto, das neben der Bundesstraße am Bodensee abgestellt wurde. Doch weil auch da dem Baden-Badener Team die räumlichen Zusammenhänge im Norden des Verbreitungsgebiets unklar bis egal sind, wird der Altenkirchener Autofahrer halt über das falsch geparkte Auto am Bodensee informiert.

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Eine Zusammenlegung der Dritten müsste daher bestehende Strukturen aufreißen. Geht der RBB im MDR auf, können sich Schwedter oder Frankfurter (Oder) von qualitativ wertvoller regionaler Berichterstattung verabschieden. Sinnvoller wären größere Einheiten: je ein Sender für den Norden, den Osten und den Süden. Allerdings wäre die CSU da schon nicht mehr dabei. Den eigenen Landessender BR würde die Bayernpartei nie aufgeben, so weit reicht der Reformwille dann doch nicht. Aber mit dem durch Zusammenlegungen eingesparten Geld ließe sich die Verwaltung abspecken und teure Intendanten samt Hofstaat einsparen. Dadurch würde Geld frei, das ins Programm fließen muss.

4. Stärkung der regionalen Schienen. Gegner einer Zentralisierung werden mit der lokalen Bericherstattung argumentieren. Das Ziel ist berechtigt, die Argumentation aber nicht. Denn gerade Minisender wie der SR oder der RBB sind schlecht darin, die Möglichkeiten der lokalen Berichterstattung auszuschöpfen. Auf Programmplätzen, auf denen Spannendes aus Saarbrücken oder Potsdam laufen könnte, zeigen sie Konserven aus der ARD-Familie. Das Geld ist da. Aber statt vier Redakteuren für die lokale Berichterstattung trägt es ein weiterer Intendant nach Hause. Statt mehreren Dutzenden weiteren Redakteuren gibt es gut ausgestattete Direktionen. Hier sitzen die finanziellen Reserven, die dem Programm fehlen.

5. Weg mit dem Chi-Chi. ARD und ZDF übernehmen zu viele Aufgaben, mit denen sie eigentlich nichts zu tun haben: Chöre und Orchester etwa sind toll. Doch wenn der Staat diese fördern will, soll er es tun. Direkt. Nicht quer über die Rundfunkgebühr, die ja eigentlich als „Demokratieabgabe“ gedacht ist. Die staatliche Filmförderung wiederum ist schon so gut ausgestattet, dass ausländische Produktionen nach Deutschland kommen, um deren Rahm abzuschöpfen. Gemeinsam mit der indirekten Filmförderung durch ARD und ZDF ist ein Sumpf entstanden, in dem sich nur zurechtfindet, dessen Kreativität im Abschöpfen von letztlich staatlichen Geldquellen liegt – und nicht im Künstlerischen. Die Werke, die der deutsche Film hervorbringt, sind denn auch meist so, dass man damit besser Kinder bestrafen als Menschen unterhalten kann. ARD und ZDF wehren sich so entschieden dagegen, „Staatsfunk“ genannt zu werden, wie sie dann eigentlich staatliche Aufgaben übernehmen. Warum sie das tun, erklärt sich aus dem Interessengeflecht zwischen Politik und Sender-Führungen – aber nicht durch ein zielgerichtetes, am Zuschauer orientierten Umsetzen des Staatsvertrags.

6. Aus ARD und ZDF kein Sportfernsehen machen. Sport gehört auch zum öffentlich-rechtlichen Programmauftrag. Auch. Doch zwei Fußballweltmeisterschaften in einem Jahr, hunderte von Stunden Berichterstattung von den European Championships und 20 Wochenenden mit Wintersport-Dauerberieselung: Mit 8,5 MIlliarden Euro sind ARD und ZDF die finanziell am besten ausgestatteten Sportsender weltweit. Das geht mittlerweile so weit, dass die Dritten Programm Livespiele aus der Dritten Liga übertragen. Mit Sport holen sich ARD und ZDF die Zuschauer zurück, die sie mit ihren fiktionalen und politischen Programmen oft nicht mehr erreichen. Vor allem bei den Menschen unter 50 Jahren. Doch ein öffentlich-rechtliches Sportfernsehen ist auch nicht der Sinn des enormen Aufwands, staatlich Zwangsgebühren einzusammeln – bis hin zur Beugehaft.

7. Kontrolle durchs Publikum. Die Kernidee des öffentlich-rechtlichen Programms lautet: Die Bürger leisten sich ein Programm, das öffentlich aber staatsfern ist. Deswegen wird es kontrolliert von Räten, die repräsentativ für die Gesellschaft stehen. Diese Idee ist nach wie vor richtig. Grundsätzlich. Aber sie ist pervertiert. Die Politik beherrscht diese Räte. Entweder sendet sie ihre Vertreter direkt: Vier von zwölf Mitgliedern im ZDF-Verwaltungsrat sind Ministerpräsidenten. Oder sie schickt sie über ihre Vorfeldorganisationen – etwa den DGB. Der vertritt in den Rundfunkräten offiziell die Arbeiterschaft. Doch in Wirklichkeit ist der Gewerkschaftsbund ein Talentschuppen für junge SPD-Mitarbeiter – und ein Abklingbecken für ausgemusterte SPD-Funktionäre. Ihre Partei steht den Apparatschiks näher als die Arbeiter- und Arbeitnehmerschaft.

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Die Folge ist, dass Intendanten wie Schlesinger ihre Interessen – Prunk und Vorteilnahme – durch die Gremien durchbringen müssen. Die darin sitzenden Politiker bekommen im Gegenzug ihre Wünsche erfüllt: gefällige Berichterstattung oder Quersubventionen zum Beispiel für Orchester. Die Interessen der Zuschauer vertritt in den Gremien aber niemand mehr. Darin liegt die Pervertierung der Grundidee.

Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der von den Zuschauern akzeptiert werden will, muss diese mit in die Verantwortung nehmen. Stichwort Graswurzeldemokratie: Die Rundfunkräte müssen direkt gewählt werden. Das würde die Sender wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Direkt gewählte Vertreter könnten ganz anders auf ein Programm drängen, das nicht den Interessen der Intendanz, der Redakteure oder der politischen Aufsicht entspricht – sondern denen des Zuschauers.

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