Tichys Einblick

Die Twitter-Files und die öffentlich-schweigsamen Medien

Seit über einem Monat veröffentlichen Journalisten Dokumente, die die manipulative Einflussnahme von Regierungsorganisationen und Parteien auf Debatten bei Twitter belegen. Die Öffentlich-Rechtlichen schweigen dazu und arbeiten sich stattdessen an Elon Musk ab.

IMAGO / ZUMA Wire

„Alesia? Ich kenne kein Alesia. Was soll das sein, dieses Alesia?“ Das ist die gereizte Antwort, die stolze Gallier in der Comic-Serie Asterix geben, wenn sie nach dem mystisch verklärten Ort der entscheidenden gallischen Niederlage gegen die Römer gefragt werden. Tatsächlich weiß aber jeder Gallier nur zu gut, wo Alesia lag, sie ziehen es nur vor, es zu ignorieren.

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Was allerdings für fiktive gallische Kohlenhändler verzeihlich ist, wirft im Falle der journalistischen Ignoranz in deutschen Landen gegenüber den seit einem Monat veröffentlichten Twitter-Files berechtigte Zweifel ob der Funktionsfähigkeit der 4. Macht im Staate auf. Oder zumindest daran, ob es überhaupt noch ein Interesse daran gibt, den Schein einer regulierenden Macht aufrechtzuerhalten.

Am 3. Dezember 2022 veröffentlichte der Journalist Matt Taibbi, mit offensichtlicher Gutheißung von Elon Musk höchstpersönlich, den ersten Teil der sogenannten Twitter-Files, einer Reihe von Veröffentlichungen interner Dokumente und Emails aus den Archiven von Twitter. Diese Veröffentlichungen bestätigen aber nichts Minderes, als viele der zuvor meist als Verschwörungstheorien diffamierten Behauptungen, mediale Plattformen wie Twitter würden den öffentlichen Diskurs mit intransparenter Einflußnahme hinter den Schirmen politisch steuern.

Die Twitter-Files sind dabei thematisch gegliedert. Die erste Veröffentlichung von Taibbi widmete sich der Unterdrückung der Geschichte um den Laptop des Präsidentensohnes Hunter Biden, deren problematische Komponente im Zusammenhang mit freier Meinungsäußerung zwar intern besprochen wurde, aber im Anlauf zur Präsidentschaftswahl 2020 von Twitter Mitarbeitern achselzuckend zur Kenntnis genommen wurde.

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Neben Taibbi erhielten auch andere Journalisten Zugang zu den Dokumenten. Die Redakteurin Bari Weiss publizierte am 9. Dezember Teil 2 der Twitter-Files, in dem offen gelegt wird, wie Mitarbeiter von Twitter geheime „schwarze Listen“ anlegten, die die Reichweite unliebsamer Accounts und Themen einschränkten, ohne dass den Nutzern entsprechende Hinweise über solch einen Eingriff vorlagen.

Weitere Teile der Twitter-Files zeigten, welche internen Vorbereitungen der Verbannung Donald Trumps von Twitter vorausgingen und dokumentierten die weitreichenden Eingriffe staatlicher Behörden wie z.B. des FBI in die Moderation von Twitter.

Teil 8 öffnete ein besonders interessantes Kapitel, nämlich die Förderung von sogenannten „PsyOp“ Programmen des Pentagon, also Versuchen der psychologischen Beeinflussung (wenn man es nicht Kriegsführung nennen möchte) der Bevölkerung in bestimmten Ländern. Entgegen anderslautender Beteuerungen von Twitter vor dem amerikanischen Kongress, fand Twitter sich offensichtlich doch bereit auf Zuruf des Pentagon dessen arabischsprachige Accounts, die zur „Verstärkung der Botschaft“ genutzt wurden, von einschränkenden Hinweisen zu befreien um arabische Tweets mit anti-iranischen Botschaften, aber auch mit Propaganda für den US-Saudischen Einsatz im Yemen, sowie mit Lob für die „präzisen“ US-Drohnenangriffe zu verbreiten. Keinerlei Warnhinweise über den Ursprung dieser Nachrichten aus dem Pentagon trübten das Auge der Twitter-Nutzer.

Spannend war auch Teil 10 der Veröffentlichungen, in dem dokumentiert wurde wie Twitter im Zuge der Covid-Pandemie missliebige Meinungen von Ärzten, Virologen und sogar von Nutzern, die einfach nur offizielle Zahlen teilten, die nicht „dem Narrativ“ dienten, unterdrückte. All dies erfolgte auf direkten Wunsch der amerikanischen Regierung, sowohl unter Trump, als auch unter Biden.

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Somit belegen die Twitter-Files eindeutig, dass „beide Seiten“ des amerikanischen politischen Spektrums versuchten die Moderation von Twitter zu beeinflussen, wobei aber bereits Taibbi in Teil 1 deutlich hervorhob, dass dies weitaus öfter von demokratischer als von republikanischer Seite erfolgte. Der Grund dafür muss nicht einmal in einem grundlegend anderen Verständnis von freier Meinungsäußerung der Parteien liegen, sondern lässt sich relativ einfach durch natürlich gewachsene Netzwerke erklären. Fast 99% aller Spenden an eine der politischen Parteien der USA durch Twitter-Angestellte erfolgten in den letzten Jahren an die demokratische Partei. Die Mitarbeiter von Twitter stehen somit sinnbildlich für den Siegeszug des Marsches durch die Institutionen. Mit so vielen Sympathisanten woken Fortschritts in ihren Reihen, war explizite Parteinahme in interner Kommunikation oftmals gar nicht nötig – die „Einordnung“ erfolgte ganz von selbst aufgrund weltanschaulicher Kompatibilität. Wer fühlt sich da nicht an die Umfrage aus 2020 erinnert, die ergab, dass 92% aller Volontäre der ARD den Grünen oder einer der roten Parteien zuzuordnen sind?
Der Schweigeorden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Die Veröffentlichungen der Twitter-Files gehen nun seit über einem Monat unvermindert weiter. Noch am 3. Januar erschien Teil 11 und erörtert die überwuchernde Einflußnahme weiterer Regierungsorganisationen auf Twitter. Ein Ende der Veröffentlichungen ist bislang noch nicht in Sicht.

Angesichts der weitreichenden Implikationen auf die globale Debattenkultur, deren Gefährdung durch die Übernahme von Twitter durch Elon Musk die öffentlich-rechtlichen Medien nie müde werden zu betonen, ist das hilflose Schweigen weiter Teile der Medien zu diesen Veröffentlichungen bemerkenswert. Die Tagesschau, und mit ihr weite Teile der deutschen Presselandschaft, hat keinen einzigen Beitrag veröffentlicht, der sich der Veröffentlichung der Twitter-Files widmet, ja diese ansatzweise erwähnt. Wie der gallische Kohlenhändler, entscheiden sich ARD & Co. die Existenz der Twitter-Files einfach abzuleugnen. Diese Taktik kann lediglich auf der Annahme basieren, dass Tagesschau-Schauer und Alpenprawda-Leser ohnehin keine anderen Medien zu Rate ziehen und daher auch nie dahinter kämen, dass es so etwas wie die Twitter-Files überhaupt gibt. Vielleicht ist diese Vermutung auch gar nicht so falsch, denn wie sonst ließe sich erklären, dass Menschen überhaupt noch diese als Journalismus getarnten politischen Pressestellen konsumieren?

Es gibt aber auch mutige Vorkämpfer in den Reihen der linken Presse, die sich nach wochenlangem Schweigen endlich dazu durchringen, sich der Sache anzunehmen. Vereinzelt schickt man die Paradepferde linker Berichterstattung ins Rennen, um die Twitter-Files zu dekonstruieren. Der Spiegel übernahm, wie es sich für ein ideologisches Leitmedium gehört, schon am ersten Tag Verantwortung und konzentrierte seinen Angriff auf die Behauptung, eigentlich brächten diese Enthüllungen „nichts Neues“ ans Tageslicht. Zudem arbeitete man sich am semantischen Spielchen ab, dass Musk zwar die Offenlegung der Unterdrückung der Meinungsfreiheit „auf Anordnung der Regierung“ versprochen hatte, das „Biden-Team“, das zugegebenermaßen häufig in die Moderation eingegriffen hatte, sich zu dem Zeitpunkt aber nicht in der Regierung, sondern in der Opposition befunden hatte. Ha, der hat gesessen! Linke halten zu Linken, nicht zwangsläufig zu jeder dahergelaufenen Regierung. Wer hätte das gedacht?

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Am 14. Dezember legte die Süddeutsche Zeitung mit einer Kampfschrift gegen Musk nach. Dort werden die Journalisten, die über die Twitter-Files berichteten, als „rechte Reporter“ bezeichnet, die „aus den sogenannten Twitter-Files einen vermeintlichen Skandal konstruieren – tatsächlich aber nichts Neues enthüllen.“ Zu weiteren Enthüllungen, warum hier nichts Neues zu finden war, wird auf einen Artikel aus dem Atlantic verwiesen. Dort erfährt man lapidar, dass „wer aufgepasst hat“ ohnehin schon immer wusste, dass Accounts, die gegen die Regeln verstießen, in ihrer Reichweite beschränkt wurden. „Gähn, rechte Jammerlappen“, hätte es auch getan.

Die Behauptung, es fände sich „nichts Neues“ in den Twitter-Files, ist ein populärer Versuch – auch in englischsprachigen Medien – die Veröffentlichung der Twitter-Files als beiläufige Redundanz abzutun. Was dabei außer Acht gelassen wird, ist die Tatsache, dass eben diese Medien all jene Stimmen, die behauptet hatten, die Moderationsmöglichkeiten würden politisch selektiv eingesetzt, als Verschwörungstheoretiker und Schwurbler diffamierten. Nun, da die Twitter-Files veröffentlicht wurden und sich all die sogenannten „Verschwörungstheorien“ mal wieder als in weiten Teilen zutreffend entpuppen, wird der Spieß umgedreht und behauptet man, das wäre ohnehin immer schon deutlich gewesen.

Doch mit der somit offensichtlichen Duldung politischer Einflußnahme von Twitter sollte sich auch die Beschwerde über Elon Musks veränderte Firmenpolitik erübrigen. Hieß es nicht, eine private Firma hätte das Recht, ihre eigenen Regeln geltend zu machen? So simpel es klingen mag, das gilt offensichtlich nur, wenn es gegen von Linken ernannte Rechte geht.

Die Medien blasen zum Gegenangriff

Wie einst bei der „nackten Kanone“, als Hauptdarsteller Leslie Nielsen sich vor einen beeindruckend explodierenden Laden mit Feuerwerkskörpern stellte und die gaffende Menge beschwichtigte sie möge weiter gehen, es gäbe „hier nichts zu sehen“, so stellten sich einige wenige mutige Vertreter von Spiegel, Süddeutsche und dem österreichischen Standard (viel größer war die Ausbeute tatsächlich nicht) vor die offensichtlichen Skandale der Twitter-Files und glaubten, mit der einfachen Behauptung es gäbe „nichts Neues“ könne man den Flächenbrand eindämmen.

Doch so einfach wird das nicht funktionieren, es muss also ein Gegengewicht geschaffen werden. Das wiederum hat auch der öffentlich-schweigsame Rundfunk verstanden und wirft im letzten Monat alles in die Waagschale, um den Ruf Elon Musks in der deutschen Öffentlichkeit zu ruinieren.

Wie der stets verdienstvolle Argo Nerd auf Twitter festhielt, unterschied sich die öffentlich-rechtliche Berichterstattung im Dezember gravierend von jener vor der Übernahme Twitters durch Elon Musk. Wo im Juli 2022 noch darauf verwiesen wurde, dass „mehr als 54000 Personen in den USA“ durch technische Störungen keinen Zugriff auf das Netz hatten, dies aber „bei Web-Diensten keine Seltenheit“ sei, wurde die Störung im Dezember, die rund 15000 Personen am Zugriff hinderte, mit Musks Übernahme von Twitter und den daraus folgenden Entlassungen in Zusammenhang gebracht. Selbes Problem, kleinerer Schaden, Musks Schuld.

Auch die Süddeutsche erfüllt getreulich ihre Pflicht und wartet fast täglich mit einem Rundumschlag gegen Musk, oder flehenden Aufrufen an politisch liebsamere Milliardäre, sie mögen „doch bitte Twitter zurückkaufen“, auf.

Besonders gerne werden die Entlassungen bei Twitter thematisiert. Diese seien selbstverständlich ein Produkt des „chaotischen“ Musk und müssten die Firma notgedrungen in den Ruin treiben. Dabei entfernte Musk vor allem jenen Teil der „managerial class“, die als Bremsschwellen zwar viel zur politischen Manipulation und zu den roten Zahlen bei Twitter beitrugen, nicht aber zur Funktionsfähigkeit der Plattform. Der einfache Beweis? Auch mit einem Bruchteil der Belegschaft funktioniert Twitter auf technischer Ebene meist einwandfrei und erstmals seit Jahren stehen sogar wieder technische Neuerungen zur Debatte.

Doch damit nicht genug. Auch andere Unternehmen in Silicon Valley, wie Microsoft, Facebook und Amazon sind gezwungen, Mitarbeiter zu kündigen. Die Tagesschau schafft es unterschwellig, selbst dies Elon Musk anzulasten, wenngleich sich herausstellt, dass diese Firmen im Zuge der Pandemie über ihre Verhältnisse expandiert haben und nun entsprechend wieder schrumpfen müssten.

Die Weihnachtsfeiertage wurden bei der Tagesschau dann noch einmal dazu genutzt, das traurige Los von Manu Cornet, einem ehemaligen Mitarbeiter bei Twitter, zu beleuchten. Denn Cornet malte neben seiner Tätigkeit als Software-Ingenieur Cartoons, die sich in letzter Zeit vermehrt spöttisch dem Niedergang von Twitter unter dem neuen Eigentümer Elon Musk widmeten. Cornet wurde von Musk entlassen, ob seine bedingt amüsanten Zeichnungen dafür der Auslöser waren, ist offiziell nicht bestätigt, wird aber dennoch freimütig vermutet.

Die Tagesschau jedenfalls ist empört. Ebenso empört ist Uwe Steimle, der 2019 vom MDR gegangen wurde, nachdem er diesen ob seiner mangelnden Rückendeckung für ihn kritisiert hatte. Ebenso empört ist Ole Skambraks, der 2021 seinen Hut beim SWR nehmen musste, nachdem er den Sender für seine einseitige Berichterstattung zur Corona-Pandemie kritisiert hatte. Selbst Trapattoni ist empört: „Was erlauben Musk?“

Die Twitter-Files sind ein weiteres wichtiges Puzzlestück, das die Demaskierung der Systemmedien vorantreibt. Wie zuvor bei den Enthüllungen von Project Veritas über Mitarbeiter bei Twitter und deren Kollegen bei CNN, wird auch hier zunehmend das wahre Gesicht der Mechanismen hinter den Kulissen deutlich. Die betroffenen Medien werden dadurch aber zu einer Offenlegung ihrer Agenden gezwungen und treten in Folge immer aggressiver auf. Die Auslösung dieses Prozesses ist das wahre Verdienst der Twitter-Files. Nun liegt es an jedem Medienkonsumenten selbst, zwei und zwei zusammen zu zählen und mit einer bewussten Entscheidung für oder gegen weitere Versuche des Gatekeeping durch die mediale Klasse der Deutungshoheit und politischer Erfüllungsgehilfen das Konsumentenverhalten anzupassen.

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