Am Internationalen Tag der Pressefreiheit hätten die deutschen Tageszeitungen aus dem Vollen schöpfen können: die Medienzensur in der Türkei, der Umgang mit der Meinungs- und Satirefreiheit in Sachen Böhmermann durch die Kanzlerin, der in der Bundesrepublik bisher einmalige unkritische Gleichklang zwischen Regierung, Bundestagsopposition und Medien in der Flüchtlingskrise wären geeignete Themen gewesen, den Stand der Pressefreiheit in Deutschland abzuchecken. Stattdessen übte sich das Gros der Presse in der bekannten Leier: der wahre Feind von Pressefreiheit und Demokratie, von Pluralismus und Meinungsfreiheit in Deutschland ist natürlich der „rechte Rand“, namentlich AFD-Wähler, Pegidaanhänger und hasserfüllte Selbstbefriediger in den Internetforen.
Der Feind steht bereits im Haus
Dabei sitzt der wirkliche Feind der Pressefreiheit den Printmedien direkt auf dem Schoß. Es sind nicht die gestiegenen Angriffe, Drohungen und Beleidigungen gegen Journalisten, die das Netzwerk “Reporter ohne Grenzen“ festgestellt haben will, die die Presse in ihrem Bestand bedrohen. Es ist der seit Jahren anhaltende Auflagenschwund der Zeitungen, die Zusammenlegung von Redaktionen, Einsparungen und Entlassungen, die die Pressefreiheit gefährden. In zunehmendem Maße liefern Zentralredaktionen großer Regionalverlage identische Inhalte an diverse Abnehmer. Pressevielfalt besteht in vielen Regionen oft nur noch bei Titel und Layout, nicht aber bei Inhalt und Ausrichtung der Zeitungen, berichtet „Reporter ohne Grenzen“.
Und es ist die „staatliche Berichterstattung“, die zwar in anderen Ländern wie Polen ausgemacht und gegeißelt wird, bei sich selbst aber als nicht vorhanden ausgeblendet wird, obwohl sie doch nicht nur in Sachen Flüchtlingskrise Standard in den deutschen Printmedien ist. Und von vielen Lesern als bevormundend und einseitig empfunden wird.
Sofern es verlässliche Studien über den Zusammenhang von Flüchtlingskrise und Auflagenschwund von Zeitungen geben sollte, haben sie die Verleger sicher in ihren Giftschränken verwahrt. Man kann sich einer Antwort aber durch Rückschlüsse und Quervergleiche nähern. Am sichersten lässt sich die Klammer Flüchtlingskrise – Mitglieder/Wählerschwund an den parlamentarischen Parteien, insbesondere den GroKo-Parteien ablesen. Die Klatsche für die Parteien im Bundestag bei den Landtagswahlen und der parallele kometenhafte Aufstieg der AFD lassen keinen Zweifel daran, dass das politische Produkt der GroKo politisch kontraproduktiv ist und deshalb abgelehnt wird.
Es liegt nahe, die Verhältnisse auf die Printmedien zu übertragen. Denn auch hier gibt es generell eine große Meinungskoalition zur Richtigkeit der GroKo-Migrationspolitik. Wenn 60 Prozent der Deutschen gegen die Flüchtlingspolitik der GroKo ist, warum sollten sie dann die überwiegend gleichlautende Botschaft der Zeitungen goutieren, darf man schlussfolgern.
Es gibt vor dieser Sichtweise vor allem drei Hauptgründe, die den Zeitungen von vielen Lesern zunehmend verübelt werden und mitursächlich sein dürften für weiter sinkende Auflagen und schlechtes Image.
1. Die Zeitungen vertreten in der Zuwanderungsdebatte nicht die Mehrheitsmeinung der Leser
Die Presse schreibt ständig beschönigend gegen folgende Umfragefakten an:
- Merkels Flüchtlingspolitik wird überwiegend abgelehnt
- 56 % der Deutschen halten den Türkei-Deal für eher schlecht
- Eine klare Mehrheit der Deutschen widerspricht der These von Ex-Bundespräsident Wulff und Kanzlerin Merkel, der Islam gehöre zu Deutschland
- Auf Sicherung der Binnengrenzen: Bayern dafür
- 66 % sind gegen die Strafverfolgung von Böhmermann
- 64 % wollen Verbot der Vollverschleierung
- 51 % glauben „Wir schaffen das nicht“
- 52 % glauben, dass Integration nur bei Begrenzung gelingen wird
- 51 % will Kopftuch-Verbot an deutschen Schulen
Die Palette der Umfrage-Beispiele zeigt, dass die Deutschen zur Flüchtlingspolitik gespalten sind. Eine Mehrheit lehnt diese in zentralen Punkten sogar ab. Trotzdem liegt die Tagespresse überwiegend voll auf Schönwetter-Merkel-Kurs (und schweigt überwiegend zu ihren neuen Richtungsänderungen). Die Mehrheitsmeinung spiegelt sich in der Berichterstattung nicht entsprechend wider und ergießt sich stattdessen hauptsächlich in die Leserbriefforen der Onlineausgaben der Printmedien, wo sie aber von der Gunst der Mediatoren oder Computer abhängig ist.
2. Die Zeitungen arbeiten nicht investigativ
- Ausbildungsstand und Arbeitsplatzintegration wurde schöngeredet statt hinterfragt.
- Unter welchen Prämissen ist erfolgreiche Integration möglich?
- Wahre Zustände in den Aufnahmeeinrichtungen werden nicht aufgedeckt.
- Kriminalitätsstatistiken wird nicht auf den Grund gegangen.
- Was passiert wirklich in den Moscheen?
- Wie wächst der Islam im Vergleich zu den christlichen Kirchen?
- Wie hoch sind die wahren Flüchtlingspolitikkosten?
- Wieviel Abschiebungen sind möglich?
- Was bedeutet die Flüchtlingspolitik für Altersarmut und Renten?
Auffällig ist die geringe Investigativ-Bereitschaft der meisten deutschen Printmedien, wenn es um kritische Themen der Migrationspolitik geht. In den Monaten des Willkommenshypes wurden regierungsamtliche Verlautbarungen begierig und ohne kritisches Hinterfragen übernommen. Noch in Erinnerung sind Jubelgeschichten über syrische Herzchirurgen und Ingenieure, die die Renten in Deutschland retten sollten. Was es mit den syrischen Ärzten z.T. auf sich hat, kann man mittlerweile allenfalls in den Kommentarforen der Onlineausgaben nachlesen, wenn es die Mediatoren zulassen.
Das behördengeschönte Kriminalitätsgeschehen wird bis heute nahezu ungeprüft übernommen, die Schwierigkeiten bei der Integration wurden und werden überwiegend ausgeblendet, die Kriminalitätsstatistiken sind voller politischer Löcher. Erst in Blogs wie bei Tichy war z.B. die wahre Situation in Schulen, Einrichtungen für junge Migranten und in Jobcentern zu lesen. Nur gelegentlich durch Leserbriefe erfährt die Öffentlichkeit über die unschöne Seite in den Aufnahmeheimen. Die Leistung der Presse erschöpft sich bisher überwiegend in einer reagierenden statt agierenden und investigativen Berichterstattung zur Flüchtlingspolitik und ihren Folgen. Wohlfühl-Berichterstattung ist nach wie vor Leitschnur der Redaktionen.
3. Die Zeitungen haben keine Meinungskonkurrenz
In der Flüchtlingspolitik herrscht die große Meinungskoalition: Kanzlerin, GroKo, sogar die parlamentarische Opposition, Parteien – bis auf Ausnahmen ohne durchschlagendes Gewicht – und die Presse sind der Meinung, dass Merkels Flüchtlingspolitik gut ist und erfolgreich sein wird. Ein nachhaltiges Pressekorrektiv dagegen gibt es im Moment nicht. Staatsräson pur. Auch die Regional- und Lokalzeitungen folgen überwiegend dem Mainstream. Nicht unwesentlich dürfte dazu beitragen, dass ein beachtlicher Teil der Printmedien in Parteienhand ist. Mit welcher Medienmacht z.B. die SPD als treue Vasallin der Merkelschen GroKo verquickt ist, lässt sich hier leicht ablesen.
Gewichtige Meinungskonkurrenz wie z.B. in Österreich (Kronen-Zeitung) und Schweiz (Blick, NZZ), die einen regierungskritischeren Kurs in der Flüchtlingskrise fahren, findet man im Moment in Deutschland nicht.
Die deutschen Printmedien müssen sich fragen, ob und wie lange sie noch auf dem Merkel-Zug mitfahren wollen. In Anbetracht der jüngsten Wahlergebnisse und der Umfragen zur Wählergunst rückt die Endstation ein Stück näher. Abspringen oder weiterfahren, das ist hier die Frage.
Klemens Volkmann ist Redakteur im Ruhestand und hat viele Jahre in einer obersten Landesbehörde gearbeitet.