Im Death Valley ist es heiß. Das ist schon etwas länger bekannt, ansonsten hätte sich die Konnotation als „Todestal“ wohl kaum eingebürgert. Nun stehen bereits einige Gewissheiten seit wenigen Jahren auf dem Spiel. Etwa die alte Redewendung, ob man noch wisse, ob man Männlein oder Weiblein sei – eine transphobe Wendung, die Gott sei Dank in der Mottenkiste der Geschichte gelandet ist. Auch die rhetorische Frage, ob der Papst noch katholisch sei, können selbst fromme Katholiken nicht mehr ohne Weiteres beantworten.
Gutes Stichwort übrigens: selbst. Genau damit lockt die Tagesschau ihre Zuschauer. Sie titelt: „Hitzewelle in den USA: Extremwerte selbst im Death Valley“. Man könnte entgegen: ja, wo denn sonst? Aber wie gesagt: Heute ist nichts mehr sicher. Vielleicht war das Death Valley im Zuge des Klimawandels erst auf arktische Temperaturen heruntergekühlt, um nun wieder zur brennenden Gluthölle zu werden. Die Tatsache, dass das Tal seinen Namen hat, weil im Zuge von Goldrausch und West-Trecks die Pioniere wie die Fliegen starben, fristet sein Dasein als Fußnote angesichts der Klimakatastrophe.
Dass sich die lokalen Stämme über die Jahrhunderte an die Hitze angepasst haben und ihre eigenen Kulturtechniken entwickelten, ohne in Klimapanik auszubrechen, sollte eigentlich die Hysterie herunterkochen. Das gilt auch für die Hochkulturen des Nahen Ostens und die Beduinen der Wüste. Mit Hitze konnte der Mensch historisch besser umgehen als mit Kälte. Das macht sich auch immer wieder im Winter bemerkbar. Vielleicht erinnert sich noch der ein oder andere: Während Corona hatte das alles keine Bedeutung. Obdachlosen wurden die Notunterkünfte verwehrt.
Doch Kältetote sind politisch derzeit nicht so gut zu instrumentalisieren wie Hitzetote. Deswegen ist das Spiel mit Hitzetoten so zynisch: Wenn Tote den Klimaschutz rechtfertigen, dann sind sie wichtig. Wenn nicht, dann nicht. Der MDR hat dazu einen Bericht gebracht, der vielleicht zukünftigen Generationen als Exempel dienen könnte. Unter dem Titel „Kurz vor dem Kollaps: Wer hilft Obdachlosen bei Rekord-Hitze?“ problematisiert das Team von „MDR investigativ“, dass sich Obdachlose kaum an kühle Orte zurückziehen könnten. Sie sind dem Hitzetod ausgeliefert.
Der MDR berichtet von Aktionen wie mehr Trinkwasser und einem Hilfebus. Interessant ist, wie der Bericht anschließend von einer punktuell nicht unklugen Idee ins Eingemachte geht. Es folgt die Äußerung von Professor Stephan Feller. „Deutschland ist leider beim Hitzeschutz Entwicklungsland. Wir müssen dringend handeln.“ Und: „Das Wichtigste wäre vielleicht Klimaschutz und vor allem Schutz der Bevölkerung zur Pflichtaufgabe von Kommunen zu machen.“ Bislang sei das freiwillig und werde angesichts knapper Kassen häufig nach hinten geschoben.
Das ging jetzt aber schnell. Die Lösung für alle Probleme: Hitzeschutzplan und Klimaschutz. Keine kritische Abwägung, sondern Aneinanderreihung, die hier den Eindruck einer Kausalität macht. Die Frage müsste eigentlich lauten: Braucht Caritas tatsächlich einen Hitzeaktionsplan? Ist es nicht möglich, Trinkwasser und kühle Räume für Obdachlose zu organisieren, ohne gleich einen ganzen Staat samt Gesellschaft in Alarmbereitschaft zu versetzen? Ist das Problem nicht ein spezifisch soziales und weniger klimatisches? Vice-versa: Warum hat es für Obdachlose nie die Idee eines Kälteschutzplans gegeben?
Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Wie bei Corona geht es nicht primär um Gesundheit, sondern um Klima. Wie schon früher ausgeführt: In Außen- und Energiepolitik herrscht das Primat der Klimapolitik. Nunmehr soll sich auch die Gesundheitspolitik dem beugen. Diese Linie zieht sich fort. Das Publikum erfährt noch, dass Feller beim Aktionsbündnis „Scientists 4 Future“ mitmacht. Danach verweist „MDR investigativ“ auf „Health for Future“, ein Bündnis, das den Hitzeaktionstag ins Leben gerufen hat.
Hier ein Einschub. Denn was „MDR investigativ“ nicht berichtet: dass „Health for Future“ eine Initiative der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) ist. Bekanntlich steht diese Organisation auf demselben Bezahlzettel wie die Agora: Insbesondere die Mercator-Stiftung ist mit ihr verdrahtet. „Health for Future“ ist dabei ebenso Mitglied im „For Future Bündnis“ wie „Scientists 4 Future“. „MDR investigativ“ spricht also zuerst mit einem „For Future“-Bündnismitglied, und dann dem nächsten. Zwei NGO-Mitglieder, die verbündet sind. Statt verschiedene Meinungen zuzulassen, wird dieselbe Stoßrichtung bedient.
Das „Health for Future“-Mitglied, das der MDR auswählt, ist Katja Kühn. Sie ist zugleich Mitglied bei KLUG. Der MDR sieht sich offenbar nicht in der Pflicht, dies zu berichten – KLUG als Bindeglied findet keine Erwähnung im Artikel, ebenso wenig wie die Verbindungen der „For Future“-Bündnisse. Noch viel verblüffender als solche investigativen Auslassungen ist jedoch das, was Kühn zu sagen hat. Hier das volle Zitat aus dem Artikel:
Normal hält der Körper eine Kerntemperatur von 37 Grad. Wird es heiß, leitet er sehr viel Blut in die Haut um. So kann er schwitzen und kühlt ab. Doch Organe wie Herz und Hirn sind dann schlechter durchblutet. Die Folge können Schwindel, Schwäche oder Herzrasen sein. Bei längerer Extremhitze versagt die Wärmeregulierung. Ab 40 Grad Körperkerntemperatur droht der Hitzschlag und ohne sofortige Abkühlung der Tod. „Unser Gehirn besteht aus Eiweiß. Stellen sie sich vor, sie kochen ein Ei und das brauchen sie auch bei 42 Grad nur lange genug im warmen Wasser lassen“, erklärt Internistin Kühn. „Das denaturiert, das wird von flüssig, klarem Eiweiß zu weißem, festen Eiweiß. Das ist nicht wieder umkehrbar. Die Mechanismen sind komplex und noch ein bisschen anders. Aber: Das ist tödlich.“
Die Äußerungen hatten eine so „einschlagende“ Wirkung, dass das Video zum Artikel durchs Netz ging. Zu den Verbreitern gehörte Karsten Smid von Greenpeace. Es ist eher ausgeschlossen, dass er diese Worte ironisch verstanden haben könnte. Der Hitzetod im Eierhirn soll Angst und Schrecken verbreiten.
Doch wieder – Moment mal. Kommt einem diese merkwürdige Agrumentation nicht genauso diffus wie bekannt vor? Gab es da nicht einen Herrn Doktor, der sich genau dieser Worte bediente? Richtig, Eckart von Hirschhausen! Da war doch was:
— Eugenius Müller ? (@le_dux_du_cerf) July 12, 2023