In großen Unternehmen wissen die Mitarbeiter genau, an welcher Stelle es schief läuft. Nicht nur der Controller, auch der Hausmeister und die Kantinenwirtin wissen das. Nur denken sie nicht, dass es außerhalb des Unternehmens jemanden interessieren könnte. Kommt aber eben dieses Unternehmen negativ in die Schlagzeilen, melden sich die Mitarbeiter nach und nach bei Journalisten. So erklärt es sich, dass der Skandal, der beim RBB begann, sich immer wuchtiger ausweitet in der ARD.
Vor allem über den NDR kam manches ans Licht. Durch private Medien. Nun sitzt der NDR in Hamburg. Die deutsche Medienhauptstadt, wenn man von der Bundeshauptstadt absieht. Durch die lokale Nähe entstehen viele Kontakte: Journalisten haben zusammen studiert, in der Mensa gegessen, in der Kneipe gesoffen oder die Hochzeiten der jeweils anderen besucht. So kennt man sich und über diesen Weg sind viele Informationen über Missstände beim NDR zu privaten Medien gekommen – und diese haben ihre Aufgabe erfüllt und die Missstände im öffentlich-rechtlichen Rundfunk öffentlich gemacht.
Das hat jetzt einen ersten Aufschlag gewagt. Es geht um die Vorwürfe gegen die Hamburger Landeschefin des NDR, Sabine Rossbach. Vor allem bestätigt das Recherche-Team das, was private Kollegen schon berichtet haben. Aber immerhin gibt es einen neuen Dreh, über die Matriarchatin, die vor allem ihre eigene Familie über den Sender versorgt hat: „Nach dem Vorwurf der Vetternwirtschaft gegen die NDR Landesfunkhauschefin Rossbach zeigen Recherchen einer unabhängigen NDR #Investigativ-Einheit, dass der Geschäftsleitung des NDR dieser Verdacht offenbar mindestens seit fünf Jahren bekannt gewesen ist“, teilt das Team auf Twitter mit.
Es gehe um den „herrischen Führungsstil“ und das „Regime des Schreckens“, wie die Mitarbeiter die Zustände offenbar seit mindestens fünf Jahren intern bezeichnen. Doch bevor diese Kritik in privaten Zeitungen stand, reagierte die Führung demnach nicht auf die Vorwürfe. „Die persönliche Verbindung war 2017 Inhalt von Gesprächen von Frau Rossbach mit der damaligen Redaktionsleitung des Hamburg Journals. Wie danach verfahren wurde, ist derzeit Bestandteil einer Klärung“, teilt die Führung auf Anfrage der eigenen Journalisten mit. Ohne der „Klärung“ vorweggreifen zu wollen: Zählbares passiert ist nichts.
Die Bonussysteme versprachen den Führungskräften des RBB bis zu 10 Prozent Aufschlag auf ihr sechsstelliges Jahresgehalt. Eine private Firma hatte das Modell für die damalige Intendantin Patricia Schlesinger erstellt. Problematisch: Das Modell sah auch vor, dass Schlesinger Boni für Einsparungen erhält. Umso mehr Geld sie demnach dem Programm abknapste, desto mehr Geld konnte sie privat nach Hause tragen. Geld von Gebührenzahlern. So kappte der RBB unter anderem die Etats für freie Mitarbeiter und füllte das regionale Programm mit Wiederholungen und Konserven der ARD auf.
Es ist ein Schema, das sich durch das öffentlich-rechtliche System zieht: Je mehr Geld am Programm gespart wird, desto mehr wird es in der Verwaltung rausgehauen. So gab es vor gut zehn Jahren die Debatte, ob die GEZ abgeschafft wird. Deren zentrale Aufgabe war es, zu ermitteln, ob es in einem Haus Rundfunkgeräte gibt und die Bewohner folglich Rundfunkgebühren zahlen müssen. Als der Gesetzgeber das Prinzip umstellte und alle Haushalte fortan die Gebühr zahlen mussten, egal ob ein Gerät im Haus vorhanden ist oder nicht, war die GEZ eigentlich überflüssig. Doch ist erst einmal ein öffentlicher Dienst eingerichtet, wird der nicht mehr abgekappt.
Nun recherchieren private Medien genau an der Stelle weiter, an der es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk unangenehm wird. So hat die FAZ vorgerechnet: 945 Mitarbeiter beschäftigt die GEZ, dafür gibt sie im Jahr 64 Millionen Euro aus – das entspricht 68.000 Euro je Mitarbeiter. Die Sozialbeiträge des Arbeitgebers kommen da noch obendrauf. Das ist der Schnitt. Zieht man die Gehälter von Azubis oder Sachbearbeitern ab, dann dürfte es ein lukratives Geschäftsmodell sein, einer Geisterbehörde vorzustehen. Jetzt reagiert das ZDF – wieder auf Druck eines privaten Mediums: Im nächsten Jahresbericht sollen die Gehälter der GEZ-Führung veröffentlicht werden. Das wird dann so Mitte 2023 passieren.
Die Öffentlich-Rechtlichen lassen sich Zeit zu prüfen, wann sie über Missstände im eigenen System berichten. Und was sie als solche zugeben. In der Produktion „Der gute Göring“ sieht die ARD zum Beispiel keinen Missstand. Den Beitrag hatte die spätere RBB-Intendantin Schlesinger noch als NDR-Journalistin verantwortet. Dafür brauchte sie einen Co-Autoren. Warum suchen, wenn frau in der eigenen Küche fündig wird: Den Job bekam Schlesingers Mann Gerhard Spörl. Ein viel beschäftigter Journalist. Seine Arbeit als PR-Berater für die Berliner Messe ist Teil der Ermittlungen, die in Berlin die Staatsanwaltschaft zum RBB eingeleitet hat.
Deswegen liegt nun auch eine Liste vor, wie viel die Führungskräfte im RBB verdienen. Gut. Veröffentlicht hat die wieder ein privates Medium: die Berliner Zeitung. Aber mutmaßlich wird RBB24 bald exklusiv vermelden, dass diese Zahlen im Sender schon lange bekannt waren. Zwischenzeitlich fanden sie sich laut Berliner Zeitung im RBB-Intranet. Nun ruft die ARD die Bevölkerung gerne zu Wohlstandsverzicht auf. Jetzt wird deutlich, dass es dafür Potenzial gibt. Zumindest in den Gehältern, die von den Rundfunkgebühren gezahlt werden: 162.280 Euro im Jahr für die Chefredaktion des RBB, plus 23.760 Euro Prämie. Für die Abteilungsleitung Kultur gibt es 177.493,75 Euro im Jahr – plus einer Prämie von 23.625 Euro.
Wofür die Prämie gezahlt wird, ist nicht bekannt. So geht das weiter. Über 20 Führungskräfte zählt die Berliner Zeitung auf, die alle zwischen 130.000 und 150.000 Euro im Jahr verdienen. Oder mehr. Plus die entsprechenden Prämien. Wofür auch immer die gezahlt werden. Das ist das Gehaltsniveau, aus dem heraus Spartipps und Verzichtsappelle an die Gebührenzahler versendet werden. Und da ist nur die Rede von einem der kleinsten Sender innerhalb der ARD. Es ist ein Sumpf, in dem das Geld von Rentnern, Handwerkern und Verkäufern versickert.