Das tägliche Gefecht zwischen den Herrschenden und Beherrschten schlägt sich nicht in seriösen Nachrichten gegen Fake News nieder, wie uns eingebleut werden soll, sondern in „amtlichen“ Fake News – früher Propaganda genannt oder vornehm Public Relations – und als Fake News diffamierten oppositionellen Meinungen.
Da ist es an der Zeit, den Geschworenen Nr. 8 sowie die Handlung des Filmklassikers „Die zwölf Geschworenen“ genauer zu betrachten. Ein Paradestück über berechtigte Zweifel an von Dritten dargestellten Tatsachen und Abläufen, über Standhaftigkeit und den Mut, sich einer Mehrheit entgegenzustellen.
Vom Typus des Geschworenen Nr. 8 brauchen wir dringend welche, möglichst viele in Politik und Medien. Auch für eine dringend benötigte Wiederherstellung einer sachlichen Diskussions- und Streitkultur.
Die zwölf Geschworenen
Nach einer sechstägigen Gerichtsverhandlung um einen Mordprozess kommen 12 Geschworene in einem Beratungsraum zusammen, um über den Fall abzustimmen. Eine Diskussion ist von den Geschworenen nicht vorgesehen. Für die Vollstreckung eines Urteils muss die Abstimmung einstimmig erfolgen. Anfangs steht die Schuld des 18jährigen Angeklagten, eines Puerto-Ricaners, der seinen Vater ermordet haben soll, für die Gruppe fest. Für alle – bis auf einen.
Jeder einzelne der zwölf Geschworenen betritt den Beratungsraum mit einer besonderen Motivation, die sich dem Zuschauer nach und nach offenbart. Der Titel im Original „12 Angry Men“ wirkt sich da beinahe als Spoiler aus. Zusammengepfercht auf engsten Raum, in schwül-erdrückender Sommerhitze, wollen die meisten dieser Situation einfach nur schnell entkommen: „Also abstimmen und wenn alles klappt, dann nix wie raus.“
Die Schuldfrage stützen die Geschworenen auf Aussagen zweier Zeugen, die eines betagten Mannes und die einer Frau, die vorgibt, den Mord aus 20 Meter Entfernung durch die Fenster der letzten beiden Waggons eines durchfahrenden Zuges hindurch gesehen haben zu wollen.
Schuldig …… oder?
Die erste Abstimmung erfolgt auf Zetteln, sie lauten auf „Schuldig“. Bis auf eine einzige Stimme, die auf Nichtschuldig plädiert. Es ist die Stimme des Geschworenen Nr. 8, der berechtigte Zweifel an der Schuld des Angeklagten aufführt. Für ihn ist Schuldfrage keinesfalls so klar, dass er mit seiner Stimme dadurch ein Todesurteil zu fällen bereit ist. Lautstark und ungehalten reagieren die anderen Geschworenen auf diese Art von Verzögerung, viele von ihnen wollen weiter, diesen Fall abschließen, raus aus diesem Raum, haben andere Pläne. Sie möchten diese an sie gestellte Aufgabe darum einfach nur so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Der Geschworene Nr. 8 beginnt geduldig damit, den Tathergang Stück für Stück zu rekonstruieren, Fragen zu stellen. Anfangs wird er für dieses Vorgehen persönlich angegangen. Einschüchterungsversuche folgen. Beleidigungen. Der Geschworene Nr. 3 versucht, ihn dabei mehrfach niederzubrüllen. Es ist ein Verhalten, das immer dann zu beobachten ist, wenn Menschen die Argumente ausgegangen sind. Auch bei den anderen Geschworenen beginnt nunmehr genau dieses Verhalten immer mehr Zweifel hervorzurufen.
Nach und nach kann der Geschworene Nr. 8 einen nach dem anderen davon überzeugen, dass es in den Aussagen der Zeugen erhebliche Widersprüche gibt. So z.B. kann der 75jährige Nachbar durch den Lärm des durchrasenden Zugs vor seinem Fenster doch realistisch gar nicht gehört haben, was im Stockwerk über ihm gerufen wurde.
Die Frau auf der gegenüberliegenden Seite – kann sie wirklich gesehen haben, was sie vorgibt beobachtet zu haben? Wurde der Vater wirklich auf die Art und Weise ermordet wie der Staatsanwalt sich bemüht hat in seiner Beweisführung darzulegen?
Nach und nach entrollt sich ein Fall, der immer weniger auf angeblichen Tatsachen, sondern nur noch auf immer dünner werdenden Indizien beruht. Jede Abstimmungsrunde fördert immer mehr „Nicht Schuldig“ zutage.
Vorurteile verdunkeln die Wahrheit
Ein Zustand, der den Geschworenen Nr. 3 immer stärker aufbringt. Er schreit fast nur noch und scheint gegen jede Art von sachlicher Argumentation immun. In einem Wortgefecht konfrontiert Geschworene Nr. 8 ihn dann schlussendlich:
„Seitdem Sie diesen Raum betreten haben, spielen Sie sich als Rächer der menschlichen Gemeinschaft auf. Dieser Junge soll sterben, nicht, weil er schuldig ist, sondern weil Sie es wollen!“
Nr. 8 fährt fort:
„Es ist immer schwierig, persönliche Vorurteile aus einer Sache wie dieser zu halten. Und wo immer man auf sie trifft, verdunkeln Vorurteile immer die Wahrheit. Ich weiß wirklich nicht, was die Wahrheit ist. Ich nehme nicht an, dass irgendjemand sie jemals wirklich weiss. (…) Aber wir haben einen begründeten Zweifel, und das ist etwas, das in unserem System sehr wertvoll ist. Keine Jury kann einen Menschen schuldig erklären, es sei denn, es ist sicher.“
Es ist die Pflicht eines jeden einzelnen von uns, in diesen Tagen mehr als in denen zuvor, Informationen und Meinungen Dritter kritisch zu hinterfragen. Ebenso die Motivationen, die dahinter stecken könnten. Ein gemütliches Einrollen und das unbedachte und bequeme Übernehmen von Meinungen Dritter in der pauschalen und schnellen Verurteilung Andersdenkender, macht einen mitschuldig an der Verbreitung von etwaigen Unwahrheiten. Versuchen Sie Ruhe zu bewahren, suchen Sie nach der Wahrheit. Sammeln Sie Argumente. Auch von der Gegenseite. Selbst dann, wenn Sie das aufregt. Beziehen Sie alles mit ein. Machen Sie sich nicht gemein. Haben Sie keine Furcht das Wort zu ergreifen, auch, wenn Sie sich alleine wähnen.
Wie das Beispiel des Geschworenen Nr. 8 Ihnen vor Augen führen soll: Ihre Stimme kann verändern. Kann Verunsicherung nehmen und zu mehr Klarheit verhelfen.
Seine Stimme, sein Anstand und sein beharrlicher Wunsch nach Aufklärung machen den Geschworenen Nr. 8 zu einem überaus wertvollen Filmhelden, dessen Beispiel man im realen Leben folgen sollte.