Tichys Einblick
ARD Panorama

Den politischen Gegner wegen „Gottlosigkeit“ ausgrenzen

Man hätte versucht in den letzten Jahren, sagt Anja Reschke, die AfD genau so zu behandeln wie jede andere Partei auch. Das meint sie nicht ernst - oder?

Screenshot ARD

In einer Zeit der Zäsuren, wird die Zäsur irgendwann zur erwartbaren Normalität. Dann beispielsweise, wenn das öffentlich-rechtliche Fernsehen gerade auf erschreckende, nein, auf obszöne Art und Weise vorführt, wozu es fähig ist, wenn es darum geht, oppositionelle politische Kräfte mit den drei D zu belegen, indem man sie diffamiert, denunziert und diskreditiert.

Nun ist das in den letzten Jahren nichts wirklich Ungewöhnliches gewesen. Man gewöhnt sich. Aber eine aktuelle Folge der ARD-Sendung Panorama macht doch noch einmal sprachlos, wenn erwachsene, wenn eigentlich gebildete Menschen, wenn ausgerechnet Kirchenleute im 21. Jahrhundert dem Oppositionsführer im Deutschen Bundestag und seine Anhänger und Wähler der „Gottlosigkeit“ bezichtigen und diese Gruppe mit einer Art Kirchenbann oder einer Fatwa belegen und dazu noch von einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt legitimiert oder gar angestiftet werden.

Donnerstagabend, Panorama mit der Haltungsjournalistin und der für eben ihre Haltung ausgezeichneten Moderatorin Anja Reschke. Dass hier wenig Gutes kommen konnte, war vorauszusehen. Überraschend war dann aber doch die Eskalation, war der neuerliche Ausfallschritt, als es darum ging, eine weitere natürliche Beißhemmung zwischen zivilisierten Menschen fallen zu lassen. Die Ideologie fletscht ihre Zähne, das religiöse Moment durchdringt alles, noch dazu vorgetragen von Vertretern der Kirche im Verbund mit einem Fußballclubpräsidenten und einem Geschäftsführer einer Hilfsorganisation. Mit einer ehrenwertern Gesellschaft würde man meinen.

Der Abschnitt der Panorama-Sendung, um den es hier gehen soll, trägt die Überschrift: „Umgang mit der AfD: Schluss mit dem Verständnis.“ Was für eine Kategorie ist das? Um welches „Verständnis” von wem und wem gegenüber soll es hier gehen und wer soll es an den Tag gelegt haben und warum? Erstaunlich also zunächst, dass es nach Jahren der umfassenden Diffamierung der Partei von Lucke, Petry, Meuthen und Gauland Journalisten gibt, die allen Ernstes die Idee haben, es hätte so etwas, wie ein Bemühen um einen Dialog mit dieser Partei, diesen Politikern, ihren Anhängern und Wählern gegeben. Weil sie beispielsweise schon einmal in Talkshows eingeladen wurden? Die SPD hätte, wäre sie im Bundestag anstatt der AfD in die Oppositionsführerschaft gegangen, eine Höllenrabatz gemacht, hätten die Öffentlich-rechtlichen etwa den Versuch unternommen, sie dort ausschließen zu wollen.

Und überhaupt, was heißt hier „Verständnis“? Welche Kategorien ist das? Verständnis ist Empathie und Mitgefühl. Sind das Kategorien der politischen Auseinandersetzung? Die Sendung wird schnell zeigen, was sie genau damit meint. Moderatorin Reschke fragt allen Ernstes zu Beginn des Beitrages, ob „Rechte” Mitglied sein dürfen in Vereinen. Diese Frage würde Journalisten und Politiker „schon seit langem umtreiben.“ Bisher hätte immer gegolten, so Reschke, „aufeinander zugehen, Verständnis haben“. Aber wo war Reschke die letzten fünf Jahre, wo war sie, als etwa die Häuser und Autos von Politikern beschmutzt oder in Flammen aufgingen, wo war sie, als Andersdenkende mit massivem Polizeiaufgebot geschützt werden mussten.

Man hätte versucht in den letzten Jahren, so ausgerechnet Anja Reschke weiter, die AfD genau so zu behandeln wie jede andere Partei auch. Gut, da muss sie selber fast grinsen, kann es sich kaum verkneifen, so dreist der eigene Vortrag: „AfD-Vertreter sitzen auf Podien, sind Mitglieder in Ausschüssen, Kommissionen, Vereinen, aber ist das der richtig Weg?“, fragt Reschke allen Ernstes. Und weiter: „Hat jeder ein Recht auf Teilhabe an allem?“

Im Beitrag selber wird der Präsident des evangelischen Kirchentages, der Geschäftsführer eines Wohlfahrtverbandes und der eines Bundesligavereins vorgestellt, die gemeinsam beschlossen hätten, AfD-Leute von eben besagter Teilhabe auszuschließen.

Hans Leyendecker vom Kirchentag beginnt, wenn er meint, dass man nun gegenüber der AfD „eine rote Linie ziehen muss.“ Über 2.000 Veranstaltungen wird es in diesem Jahr auf dem Kirchentag geben, aber keine mit einem Vertreter des Oppositionsführers im deutschen Bundestag. Vor zwei Jahre wollte man sich noch auseinandersetzen, ergänzt dann Markus Dröge, Bischof aus Berlin-Brandenburg. Für ihn missbrauchen AfD-Politiker den Namen Gottes für eine politische Position. „Und das ist letztlich Gotteslästerung.“ Sein Ziel sei es einmal früher gewesen, im Podiumsgespräch mit einer Politikerin der AfD nachzuweisen, dass es nicht glaubwürdig ist, Christ zu sein und gleichzeitig in der AfD.

Der Präsident der Frankfurter Eintracht, Peter Fischer übernimmt die Argumente radikaler Rechter, die sich wie Fischer wünschen: „Die Gräben müssen tiefer sein. Die Gräben müssen auch unüberwindbar sein. Es muss eine klare Ausgrenzung geben. Ein Klares: „Ich will nichts mit Dir zu tun haben. Du gehörst nicht dazu.“ Die Werte seines Fußballklubs ständen genau im Gegensatz dazu, „was die AfD als ihre Werte bezeichnet.“, so Fischer weiter.

Und um das Trio komplett zu machen, folgt noch der Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes im Beitrag bei Panorama. Erzählt wird, dass vor einigen Monaten die AfD-Bundestagsfraktion sich wie viele andere auch in Erster Hilfe schulen lassen wollte. Aber der ASB lehnte das ab. Für Geschäftsführer Urich Broch ist der eigene Anspruch und die Verweigerung, die AfD-Leute auszubilden, aber kein Widerspruch.

Es ginge hier nämlich nicht um Hilfe in Not, sondern um eine klassische Geschäftsbeziehung, „die gegen Entgelt erfolgt. Und diese Geschäftsbeziehung möchten wir nicht mit einer AfD-Bundestagsfraktion, die den Holocaust verharmlost, indem sie ihn als Vogelschiss der Geschichte bezeichnet.“, so Broch. Der Bericht erzählt weiter, das wäre genau die Zeit gewesen, in der viele jüdische Mitglieder des ASB umgebracht worden seien. „Deshalb ist es für uns völlig unmöglich, eine von Herrn Gauland geführte AfD-Bundestagsfraktion in erster Hilfe auszubilden.“

Wenn allerdings Herr Gauland beim Schwimmen in Potsdam in Not geraten würde, würden ihn die Wasserretter des ASB „sicherlich aus dem Wasser ziehen und ihn wiederbeleben.“, fühlt sich Broch noch bemüßigt anzufügen. Na, was für eine Beruhigung.

Mal ehrlich, wissen solche von sich und ihrem Tun so überaus beseelten Leute eigentlich noch, was sie reden? Auf die Frage, was denn wäre, wenn Herr Gauland jemanden wiederbeleben müsste, es aber nicht gelernt hätte, antwortet Broch: „Dann kann er es woanders lernen.“ Aber wo eigentlich, wenn sei Beispiel Schule macht, wenn sich andere Anbieter ängstlich an die Vorgaben des großen Bruders halten? Auf dem Schwarzmarkt der Lebensrettungsausbildungen vielleicht?

Auf Proteste der Partei reagiert Broch so: „Ich glaube, die AfD fühlt sich sehr wohl, sich als Opfer darstellen zu können, als ausgegrenzt, als ausgeschlossen.“ Das ist merkwürdig, denn genau diese Ausgrenzung, die hier eine gefühlte sein soll,  ist doch Teil der Vorhaben der drei Protagonisten, sie benennen es sogar exklusiv als „Ausgrenzung“.

Bischof Dröge setzt zum Abschluss des Beitrages noch einen drauf, als er über die Idee nachdenkt, AfD-Politiker zu bekehren, sie zur Umkehr zu bewegen, ihnen so was, wie eine Abbitte abtrotzen zu können. Immerhin sei ihm das schon gelungen bei einer ehemaligen Gesprächspartnerin, die später aus der Partei ausgetreten war. Ja, der Bischof hat ein Wunder vollbracht und ist bereit für weitere Wunder, einfach, weil er Wunder so gut kann. So jedenfalls lässt er es klingen in einem Jesus-Anfall oder was immer ihn dazu bewegt haben mag. Wäre es nicht so bizarr, es wäre vergleichbar mit Austreibungen der Homosexualität, wie sie von einigen christlichen Glaubensbrüdern Dröges nach wie vor gefordert wird. Für Dröge sind die Christen in der AfD nur ein Feigenblatt, welches die AfD vor sich herträgt.

Wenn Parteiführer der AfD die Partei anschließend verlassen würden, dann könne man darüber nachdenken, ob man ihnen ein Podium gibt, ergänzt dann noch Hans Leyendecker. „Wohl eher eine hoffnungslose Mission“, ergänzt die Off-Stimme des Beitrages. Niemand sei automatisch willkommen, wird zu einem Bild eines Kircheninneren erzählt. Man könne aber auch nur ausgrenzen, was auch Teil von etwas war, so die Schlussphilosophie die Beitrages. „Ein „Nein“ bedeutet eben nicht mehr sprechen.“, hat der Präsident der Eintracht das Schlusswort im Beitrag.

Völlig unnötig zu erwähnen, dass die Objekte dieser neuerlichen Zäsur, dieser Ausgrenzungsparty im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen bei Panorama nicht zu Wort gekommen sind, nicht befragt wurden. Die Ausgrenzung als etabliertes gesellschaftliches  Phänomen. Es müssen nur genug Schreihälse danach rufen und ihre Funktion dazu missbrauchen.

Und so werden dann wieder aufrichtige und empathische Menschen dazu genötigt werden, unsere Werte zu verteidigen gegen solche religiösen und ideologischen Verfehlungen, auch dann, wenn sie keine Anhänger oder Sympathisanten der AfD sind. Oder gerade dann, denn das zeichnet unsere Werte ja aus. Für die Haltung des anderen einzustehen und insbesonders da, wo es nicht die eigene  ist.

Die mobile Version verlassen