„Heute Nacht haben wir ein unkontrolliertes Versagen des Bauwerks erlebt“ (Expertenzitat im Titel des MDR).
Von schönen Bescherungen, hastigen Aufräumarbeiten und heimlichem Schuldbewusstsein
Bei der Intensität, mit der eine eigentlich banale Tatsache durch die Pressemühle gedreht wird, nämlich dass der traurige Rest eines einst großen Bauwerks nun im Fluss liegt, kommt doch der Verdacht auf, dass sich hier jemand gewaltig eigener (Mit-)Schuld bewusst ist. Hätte Olaf Opitz nicht bereits auf TE über die politisch verhinderte Stabilitätsprüfung berichtet, man hätte es ahnen können.
Und nun scheint sich die wichtigste Ruine der Republik am Ufer und in der Elbe zu befinden. Es wird alles aufgeboten, was nach vollem und rigorosem Einsatz aussieht: Bergepanzer der Bundeswehr, Rudel von Abrissbaggern und das Technische Hilfswerk mit Sprengtrupp. Ob da wohl jemand energisch ins Telefon gebrüllt hat, dass dieser Brückeneinsturz sofort rückgängig gemacht werden muss?
Zum Katastrophen-Gucken an die Elbe
Schon am Freitagmorgen danach drängten sich die Reporter am Ufer der Elbe und hatten dem RBB Inforadio so wichtige Dinge zu berichten wie, dass „die Straßenbahnschienen im sogenannten „Thermit-Schneidverfahren abgesägt“ wurden und es dabei ein „Funkenfeuerwerk“ gegeben habe.
Fast live durfte der Hörer erleben, dass nun „die Fernwärmeleitung vom THW durch eine gezielte Sprengung“ getrennt worden sei, und dass es dabei geknallt habe. Wow. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Kunst, simple Vorgänge dramatisch und kompliziert aussehen zu lassen. Immerhin, kein Ampelminister hat sich bisher ein „Bild der Lage“ gemacht.
Detailgenau und penibel wird über die Aufräumarbeiten berichtet, als ob das irgendetwas an den blamablen Umständen des Einsturzes ändern würde. Ja, die traurigen Reste der Brücke müssen nun weggeräumt werden, und wohl auch, weil demnächst mit höheren Pegelständen und gegebenenfalls Überflutungen an der Stelle zu rechnen ist.
Ein dramatischer „Wettlauf mit der Zeit“ wird ausgerufen. Der Spiegel titelt „ein Knall, ein Beben – und schnelle Gerüchte und zitiert in Dresden vernommene Unmutsäußerungen: „Da sieht man den Zustand des Landes.“ „Der Einsturz der Carolabrücke empört die Menschen in Dresden. Dabei war die schlechte Substanz des Bauwerks bekannt. In einem Gutachten heißt es: ‚nicht ausreichend‘.“ Da hätte das Hamburger Magazin nun weiter ermitteln können. Aber im weiten Rund hat wohl nur Holger Douglas für TE diese Spur aufgenommen und weiter verfolgt.
Im Großen und Ganzen beschränkt sich der weitere Blätterwald darauf, ein geheimnisvolles Grundrauschen beizusteuern, zusammengesetzt aus „es wurde ja alles regelmäßig untersucht“ und einer Klage über den Straßenverkehr (MDR): „Die Verkehrslasten sind deutlich höher, weil mehr Autos fahren und sie schwerer geworden sind. Die Brücken müssen deshalb regelmäßig verstärkt werden.“ Und das ewig drohende Klimagespenst: „Ein anderes Problem ist der Klimawandel: Häufiger auftretende Stürme verstärken die Windlast auf das Bauwerk. Noch größer ist das Problem, wenn Hochwasser wie 2002 oder 2013 auf die Brückenpfeiler und ihre Fundamente drückt.“
Und natürlich mit maximal marktschreierischer Dokumentation der Aufräumarbeiten. Allen voran dem Malheur die am nächsten stehende Sächsische Zeitung, die sich mit geradezu kindischer Begeisterung über die Ankunft der beiden „Büffel“ getauften Bergepanzer freut und darüber wie von einem Pfadfinderausflug berichtet. „Zweimal 1.500 PS für die Stadt Dresden“, sagt (Oberstleutnant) Habermann. Er freue sich, die Stadt in dieser Situation unterstützen zu können … Bei den ‚Büffeln‘ handle es sich um ‚sehr starkes Gerät‘. Dann dröhnt einer der beiden 1.500 PS-Motoren auf und ein Soldat schwenkt den Kranausleger nach vorne. ‚Bergebereitschaft hergestellt!‘ meldet ein anderer.“
Am besten für alle Beteiligten wäre es natürlich, wenn die Carolabrücke sich mir nichts, dir nichts unter der Last ihrer Verantwortung für den Dresdner Verkehr entschieden hätte zusammenzubrechen.
Schon jetzt scheint sich anzudeuten, dass sich an einer Stelle zunächst die sehr eigenen Streumittel des DDR-Winterdienstes (bei www.Chemie.de) und dann die gesamtdeutsche Salz-Suppe durch die schadhafte Abdichtung eines bestimmten Mastes gearbeitet und dort anschließend jahrezehntelang die Stahlarmierung zernagt haben (Holger Kalbe, Abteilungsleiter Brücken- und Ingenieurbauwerke bei der Stadt Dresden, bei Radio Bielefeld).
Ein Gespräch mit Susanne Dagen, Stadträtin in Dresden, und ein Wecker-Spezial von Holger Douglas zum Thema >>>