MEEDIA, ein Dienst, der sich darauf spezialisiert hat, Informationen aus den Kreisen jener zu verbreiten, die selbst dem Zwecke dienen sollen, Informationen zu verbreiten, veröffentlichte am 13. Mai einen spannenden Hintergrundbericht aus den Zimmern des Wochenmagazins DER SPIEGEL. Unter der Überschrift „“Spiegel-Soli”: 50 Spitzenverdiener sollen auf Teile ihres Gehalts verzichten“ schreiben die Medienbeobachter darüber, dass in der Spiegel-Gruppe – dem Wochenmagazin nebst anderen Publikationen unter dem von Rudolf Augstein eingeführten Markennamen – eine Diskussion darüber „entbrannt“ sei, einen „Spiegel-Soli“ einzuführen. Diskutiert wird demnach über die Bereitschaft sogenannter Führungskräfte, „freiwillig“ auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten. Das eingesparte Geld solle „dazu dienen, die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie für den Verlag abzumildern“.
Diese Formulierung bereits macht deutlich: Sehr ausgeprägt scheint die Bereitschaft der Spiegel-Großverdiener, sich im Sinne der Bezeichnung „Spiegel-Soli“ mit „dem Verlag“ solidarisch zu erklären, nicht zu sein. Denn in einem solchen Falle hätte MEEDIA seinen Einstieg anders formuliert. Beispielsweise so: „Spiegel-Führung bereit zum Gehaltsverzicht“ oder „Die 50 Spiegel-Spitzenverdiener üben Solidarität“.
Eine Idee des Betriebsrats
So ist naheliegend, dass in dem Bericht auch an keiner Stelle einer der besagten 50 zu Wort kommt. Stattdessen beruft sich MEEDIA auf eine Erklärung des Betriebsrats. “Wir freuen uns, dass im Haus darüber nachgedacht wird, wie wir die Belastung durch die Corona-Krise auf möglichst viele Schultern verteilen könnten”, soll darin laut Bericht zu lesen sein. Es folgt der Hinweis, dass jedoch noch zu klären sei, „wie viel Geld in der Top-Etage eingesammelt werden könnte und auf welchem Weg“. Mit anderen Worten: Die Verzichtsbereitschaft wird durch die niedere Belegschaft eingefordert, die mit ihrer Erklärung die Bereitschaft des Nachdenkens erst angestoßen hat und damit die Führung unter Zugzwang setzt.
Ungeschickt ist das nicht, denn sollen die Großverdiener des Magazins nun ganz unsolidarisch erklären: „Unsinn, nicht mit uns!“?
Selbstverständlich können sie dieses nicht – und insofern hat der Betriebsrat bereits jetzt gewonnen. Die nun zu klärende Frage lautet daher nur noch: Auf wie viel ihrer Überbezahlung werden die hohen Herrschaften bereit sein, zu verzichten?
Der Betriebsrat hat insofern in seinem Übereifer einen Stein ins Wasser des Magazins geworfen, der durchaus für einige Turbulenzen sorgen kann. Denn auch ein anonymisierender Pauschalbetrag – sagen wir, jeder der 50 steckt monatlich 1.000 Euro als Spende in die Kaffeekasse – wird selbstverständlich spätestens bei den Plätzen 40 bis 50 die Frage aufkommen lassen, warum sie als kleine Großverdiener ebenso viel opfern sollen wie die ganz großen Großverdiener.
Mit Peanuts große Löcher stopfen?
Das allerdings ficht die Arbeitnehmervertreter nicht an. Ihres Erfolges sicher, arbeiten sie bereits an Überlegungen, wie das „eingesparte“ Geld nun sinnvoll eingesetzt werden kann. So stelle sich der Betriebsrat die Frage, „wie lange dadurch Beschäftigung gesichert werden kann, zum Beispiel für Menschen mit befristeten Verträgen“. Eine gute Frage – denn selbst, wenn die 50 Großverdiener in toto monatlich auf 100.000 Euro verzichten sollten – viel ist damit nicht zu wuppen. Vor allem auch deshalb, weil, so MEEDIA, das „Printhaus“ vor allem „in der Vermarktung unter erheblichem Anzeigenrückgang“ leide und deshalb bereits beschlossen sei, zehn Millionen Euro einzusparen. Da wird der „Spiegel-Soli“ der Führung ohne jeden Zweifel einen kräftigen Entlastungsruck durch den Haushalt gehen lassen.
Tatsächlich steht das Wochenmagazin seit geraumer Zeit vor erheblichen Problemen. Die klassische Printanzeige, die die Funktionsfähigkeit des „Printhauses“ sicherstellte, ist seit Jahren auf dem Rückzug. Hatte ein SPEGEL in guten Zeiten noch gefühlt auf jeder zweiten Seite eine Werbung und galten 30 Prozent als unverzichtbares Minimum, so näherte sich der Anzeigenanteil in letzter Zeit nicht selten der Zehn-Prozent-Marke. Um dieses zu kaschieren, füllte die Redaktion mit ganzseitigen, redaktionsgebastelten Bilderseiten auf. Und mit sogenannten Bartergeschäften – Anzeigen, die wechselseitig die Produkte des eigenen Hauses bewarben, dabei aber keinen tatsächlichen Cashflow generieren.
Der Niedergang der Anzeigen und der Auflage
Das Problem der wegbrechenden Anzeigen trifft seit geraumer Zeit alle Printmedien. Ursache dafür ist auf der einen Seite die Umorientierung der Werbetreibenden auf das Internet. Dort kann dank ausgeklügelter Algorithmen die Werbung zielgenau an dem Mann oder die Frau gebracht werden. Haben Sie vor ein paar Tagen via Internet irgendwo ein Hemd gekauft, können Sie sicher sein, künftig von dem entsprechenden Anbieter ständig Anzeigen in ihrem Browser zu finden. Solch eine Zielgenauigkeit kann kein noch so begehrtes Heft jemals leisten.
Um die Finanzlücke zu verringern, hat das Printhaus laut Informationsdienst bereits in diversen Abteilungen Kurzarbeit angemeldet – lässt sich folglich, Corona sei Dank – den selbstverschuldeten Niedergang durch staatliche Gelder subventionieren. Ausgenommen seien davon derzeit noch Redaktion und Dokumentation – doch auch das könne sich bald ändern. Entsprechende Verhandlungen zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat seien bereits im Gange.
Soli-Symbolik ohne Nährwert?
Der „Spiegel-Soli” der Big Fifty wird insofern nichts anderes sein als ein Tropfen auf den heißen Stein – Symbolik ohne echten Nährwert. So zitiert dann MEEDIA auch eine Firmensprecherin mit dem abwiegelnden Satz: „Wir befinden uns also noch mitten im Prozess der Ausgestaltung von Maßnahmen zur Ergebnissicherung. Darüber sind die Geschäftsleitung und die Betriebsräte im Austausch.”
Künftig die Speerspitze der Regierungspropaganda?
Bedeutsamer allerdings ist, dass das Printhaus damit einer Forderung der Politik nachkäme, die Corona-bedingte Finanzspritzen an Großunternehmen davon abhängig machen will, dass Dividenden und Vorstandsboni nicht mehr ausgeschüttet werden – weshalb beispielsweise die Lufthansa AG ihren Letztjahresgewinn zu hundert Prozent in die Rücklagen eingestellt hat. Die eingeforderte Solidaritätsbereitschaft der 50 Topverdiener könnte also die in vielen traditionellen Verlagshäusern gehegte Erwartung, als „systemrelevante” Informationsverbreiter künftig mit Steuergeldern finanziert zu werden, durchaus beflügeln. Dass das früher auf seine Staatsferne stolze Haus damit abschließend auch dann unter staatliche Obhut geriete, wenn die Bundesregierung keinen Aufpasser in den Aufsichtsrat oder ins Controlling schickt, ist vernachlässigbar, solange die Gehälter der Mitarbeiter garantiert sind. Schließlich hat sich DER SPIEGEL schon vor geraumer Zeit in die Reihen der Regierungs-nahen Verlautbarungsmedien eingereiht. Da wäre nun ein finanzieller Einstieg der Bundesregierung nur konsequent.