Wenn selbst ein Tagesschau-Moderator von einem Mob zum Verstummen gebracht wird
Marco Gallina
Ein Tagesschau-Moderator im Zangengriff zwischen Linksradikalen und Islamisten: Nach dem Tortenangriff auf Constantin Schreiber will sich dieser nicht mehr zum Islam äußern. Der Kampf gegen Andersdenkende geht diese Woche damit munter weiter.
Ist das noch eine Eskalation oder bereits Alltag in Deutschland? Ein Tagesschau-Moderator wird wegen islamkritischer Bücher Opfer eines Tortenangriffs, und nicht etwa der Getroffene, sondern die Täter dürfen sich auch noch auf dem moralisch höhergelegten Ross wähnen. Bisher hatte zumindest noch der Eindruck bestanden, dass der Dienst beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk an prominentester Stelle als letzter Schutzwall gegen linksradikale Übergriffe halten könnte; doch es spielt heute keine Rolle mehr, wie stark man in das Umfeld der bundesrepublikanischen Eliten oder öffentlichen Vertreter eingebettet war.
Ob Bestseller-Autor, ehemaliger Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, hochdekorierter Journalist, Bundesbankvorstand,Träger von Bundesverdienstkreuzen oder eben auch Tagesschau-Moderator: Jeden kann es treffen, jeden macht die neue Jakobinische Revolution einen Kopf kürzer, so er den Idealen der Revolution widerspricht.
Nun also der Tortenangriff auf Constantin Schreiber. Die Wahl der konditorierten Waffe ist kein Zufall: So geht man im linken Milieu mit vermeintlichen Steigbügelhaltern des Vierten Reiches um. Beispielsweise mit Beatrix von Storch. Die Botschaft der Angreifer ist klar: Aus ihrem Blickwinkel ist Schreiber ein AfD-naher Rechtsextremist, der den Diskurs vergiftet, und wenn nicht das, dann doch zumindest ein neuer Helfer des Bösen. Nicht in der Tat, aber im Geist entspricht dies dem Vorgehen anderer Radikaler, deren bloße Vermutung, jemand könne „rechts“ sein, Anlass genug zu dessen krankenhausreifen Zerschmetterung ist. Die Botschaft von Richtern, Politikern und Journalisten ist dieselbe: Schön ist es nicht, aber in letzter Instanz doch ein ehrenwertes Ziel. Racheengel möchte heute jeder spielen, der eine auf dieser, der andere auf jener Ebene.
Das mag man als Übertreibung werten. Womöglich ist sie das auch; aber es trifft den Kern, vergleicht man es mit den nicht minder überzogenen Übertreibungen, die in der Causa Schreiber zirkulieren. Flugblätter hatten im Zuge von Schreibers Auftritt an der Universität Jena dessen Bücher nicht nur diffamiert. Sie taten nichts weniger, als Schreibers Roman „Die Kandidatin“ ähnliche Intuitionen und menschenfeindliche Absichten zu unterstellen wie dem NS-Propagandastreifen „Jud Süß“, einem der cineastischen Höhepunkte antisemitischer Ausfälle im Speziellen und Menschenvernichtungsfantasien im Allgemeinen. Es gehört schon eine besondere intellektuelle Begabung dazu, den von Torten, Mord- und Terrordrohungen umgebenen Schreiber in den Kontext eines staatlichen Verbrecherfilms zu stellen, der dem damals geltenden Zeitgeist entsprach, und sich selbst als Widerständler zu inszenieren, während man selbst mit Rückendeckung aus den linken Medien rechnen kann.
Die Causa Schreiber fällt in einen bezeichnenden Zeitraum. Denn dass man Menschen, die man nicht mag, mit Massenmördern gleichsetzt, ist so ziemlich dieselbe Strategie, die ein Jan Böhmermann fährt, wenn er Unliebsame als Nazis bezeichnet. Während ein nicht geringer Teil des juste milieu vor den Intoleranten warnt, die keine Toleranz verdient hätten, behauptet, die Gegenseite würde den Diskurs vergiften, Hass und Hetze schüren und die Ideale der offenen Gesellschaft untergraben – tut es genau das, was es mit dem „Haltet den Dieb!“-Ruf den Anderen entgegenschleudert.
Böhmermann ist dafür nur ein Aushängeschild. Denn die Tiraden gegen Schreiber, die nun die Radikalen ermuntern, eine kritische Stimme in der Islamdiskussion mundtot zu machen, haben sie abgeschrieben. Ihre Stichwortgeber arbeiten bei taz und Süddeutscher Zeitung. Dass Schreiber ein Widergänger des Jud-Süß-Regisseurs Veit Harlan sei, hatte der Journalist Stefan Buchen dem bereitwilligen Mob eingeflüstert. Buchen, Mitarbeiter der NDR-Redaktion, schrieb im linken Katapultmagazin zuerst über die „Kandidatin“ von Schreiber, dass diese eine erschreckende Ähnlichkeit mit dem NS-Propagandawerk Jud Süß habe. Buchen war auch der Urheber der „Rezensionen“ in der Süddeutschen und der taz.
Vielleicht wäre an dieser Stelle auch die Biographie Schreibers eine Erwähnung wert. Schreiber ist kein Schreibtischtäter. Seine Bücher zu dem, was in deutschen Moscheen gepredigt wird, und sein Roman, der vom Aufstieg des (nicht nur islamischen!) Radikalismus warnt, sind nicht im luftleeren Raum entstanden. Schreiber war selbst in der arabischen Welt als Journalist unterwegs und spricht Arabisch. Möglicherweise mögen nicht alle seine Analysen den wissenschaftlichen Standards der Akademie entsprechen, weshalb ihn Islamwissenschaftler in der Vergangenheit kritisiert haben.
Aber Schreiber hat keinen wissenschaftlichen Lehrauftrag, sondern schreibt Bücher für Publikumsverlage und moderiert Sendungen für ein Massenpublikum. Und Schreiber verfügt über praktische Erfahrungen, die seinen Standpunkt untermauern. Er weiß etwa zu berichten, dass die Moderatorinnen in den arabischen Nachrichtensendungen Makeup statt Kopftuch tragen, diese Welt des Fernsehens aber keinen Bezug zur Realität hat. Eine Alltagsregel, die man auch auf viele Medienbereiche in Deutschland anwenden könnte.
Schreiber sitzt nun im Zangengriff: zwischen linksradikalen Jakobinern, die seine Einordnungen bezüglich Islam nicht mehr hören wollen, und tatsächlichen muslimischen Fanatikern, die Morddrohungen aussprechen. Etwa der Taxifahrer, der ihn schweigend nach Hause bringt und zuletzt meint, dass er jetzt endlich wisse, wo er wohne. Was von beidem schlimmer ausfällt, bleibt offen. Was Schreiber schmerzt, ist aber offensichtlich auch die grassierende Feigheit. Etwa von dem Thalia-Vertreter, der dazu mahnte, die Angreifer nicht auszugrenzen. Oder die Universität Jena, die erst zwei Tage später auf Pressenachfrage die Attacke verurteilte.
Nun wird Schreiber selbst ein bisschen feige. Aus Not, nicht aus Gemütlichkeit. Er werde sich nach den ganzen Vorfällen zu nichts mehr, was mit dem Islam zu tun habe, äußern. Die Krokodilsfütterer können sich also freuen. Wobei: Der Spruch, dass man hier das islamistische Krokodil füttere in der Hoffnung, dass es einen selbst nicht frisst, trifft längst nicht mehr zu. Bei dem Futtervorrat, den man den Dschihadisten hinwirft, könnte man glauben, dass die Biedermänner darauf abzielen, dass es platzt. Bis dahin belässt man es bei Krokodilstränen.
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