Tichys Einblick
Clowns und Helden. Und Schlafmittel

Circus Minimus bei Maischberger

Sind wir in einer Zeitschleife gefangen? Immer und immer wieder dieselben Gestalten. Gerade eben noch zu Gast bei Lanz, gleich bei Illner, dann Miosga. Gestern war der Circus Minimus bei Maischberger. Einziger Lichtblick des Abends: Historiker Yuval Noah Harari. Von Michael Plog

Screenprint ARD / Maischberger

Man hätte Sandra Maischberger gelegentlich sagen können, dass der Mann nicht „Nora“ heißt, sondern Noah, aber egal. Die Namen ihrer übrigen Gäste kann sie ja zumindest im Schlaf herunterbeten, denn sie leben in den Talkshow-Studios. Die linke Linken-Expertin Anna Lehmann etwa, Redakteurin der linken TAZ. Oder der in Ehren ergraute und entwitzte Komiker Urban Priol. Leute also, die von Wirtschaft oder Finanzen keine Ahnung haben müssen, das sei ihnen unbenommen. Die aber trotzdem immer wieder eingeladen werden, um sich genau zu solchen Themen zu äußern. Warum? Weil sie so herrlich im linksgrünen ÖRR-Milieu aufblühen. Mit sicherer Erntegarantie: Sprechblasen und Parolen.

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Priol beweist an diesem Abend erneut eindrucksvoll, dass er von wesentlichen Themen keinen blassen Schimmer hat. Aber wenn dann wenigstens die Witze sitzen würden! Doch er tut sich schwer auf seine mittelalten Tage. 63 Jahre ist er erst alt, doch wer ihm zuhört, plädiert ganz klar für ein Renteneintrittsalter von 62. Im Ausland werde viel gelacht über Deutschland, sagt Priol. Wegen der Schuldenbremse. „Wisst ihr schon, wie die Deutschen das alles regeln wollen, also die kaputten Brücken, die dankenswerterweise schon von selbst einstürzen, damit man sich die aufwändige Sprengung sparen kann. Und die Infrastruktur und die Straßen und das mit der Bahn. Das wollen die Deutschen so lösen, indem sie kein Geld ausgeben. Das sorgt immer am Strand für viel Gelächter.“

Im Studio weniger. Um genau zu sein: gar kein Gelächter.

Dass ein Einhalten der Schuldenbremse eben nicht bedeutet, KEIN Geld auszugeben, wird Priol sicher später der ARD-Faktencheck erklären. Ebenso, dass das Energie-Unternehmen Enpal nicht, wie er behauptet, zum Bosch-Konzern gehört.

Auch Mariam Lau von der ehemals angesehenen Wochenzeitung „Zeit“ darf sich zu Wirtschaftsthemen äußern. Als studierte Kunsthistorikerin und Autorin („Die neuen Sexfronten“) ist sie dafür nicht unbedingt prädestiniert, das wissen wir aus unzähligen Auftritten. Aber sie bekommt dauernd eine neue Chance. Merz als CDU-Kanzlerkandidat findet sie knorke. Erst am vergangenen Sonntag hat sie ihn bei Caren Miosga einen Macho genannt, und in ihren Worten schwingt immer ein zarter Hauch Verliebtheit mit. Heute sagt sie:„Vielleicht ist es gar nicht mal so verkehrt, mal jemanden zu wählen, der aus der Wirtschaft kommt.“ Messerscharf analysiert sie auch die SPD. Die Partei imitiere, „was Joe Biden in Amerika gemacht hat, und Joe Biden hat ja im Grunde gemacht, was Trump gemacht hat. Also, wir finden jetzt im SPD-Paket sozusagen Spurenelemente von Donald Trump“. Hammer, diese Analyse.

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Die beiden Parteien haben ebenfalls Vertreter in die Maischberger-Manege entsandt: Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, und der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. Das Gespräch der beiden ist wirklich selten langweilig und ermüdend. Sie wissen genau, wovon sie reden, aber sie wollen offenbar vermeiden, dass man ihnen zuhört. In diesem Circus Minimus gleicht ihr „Duell“ der Umbaupause. Egal, ob es um die Reichensteuer geht oder um Energiepreise, Frei und Miersch hüllen den Zuschauer derart gekonnt in ihr einstudiertes Partei-Palaver, dass Baldrian und Melatonin endgültig einpacken können. Die beiden Politprofis sind ganz klar verschreibungspflichtig. Wer Miersch länger als fünf Minuten zuhört, ist akut selbstmordgefährdet. Kein Wunder, dass SPD-Chefin Esken ständig so dreinschaut wie sie halt dreinschaut.

Die linke Linken-Expertin Lehmann („Sahra Wagenknecht ist ja sozusagen eine Pressesprecherin Putins“) hatte zuvor die SPD gewarnt, „sich zu sehr an Merz abzuarbeiten. Weil sie genug Arbeit vor sich hat, ihren eigenen Kandidaten zum Glänzen zu bringen“. Da immerhin reiht sich Kühnert-Nachfolger Miersch sauber ein. Auch bei ihm liegen irgendwelche glanzvollen Tage allerhöchstens in der Zukunft, um es einmal positiv auszudrücken.

Interessant wird der Abend erst in der letzten Viertelstunde. Zu Gast ist Yuval Noah Harari, Historiker aus Israel, bekennender Schwuler und einer der Vordenker des Weltwirtschaftsforums WEF. Der letzte Punkt wird von Maischberger unterschlagen, obwohl seine Kritiker Harari nicht nur als das Gehirn hinter WEF-Chef Klaus Schwab bezeichnen, sondern als das kranke Hirn. Von ihm stammen Sätze wie: „Die größte Frage in der Wirtschaft und Politik der nächsten Dekaden wird sein: Was tun mit all den nutzlosen Menschen? Meine beste Vermutung ist eine Kombination aus Drogen und Computerspielen.“

Das größte Problem bei Harari ist zugleich sein größtes Plus: Ehrlichkeit. Er nennt die Dinge immer beim Namen: „Information ist nicht zwangsläufig Wahrheit. Die meiste Information ist Fantasie, Lügen, Propaganda“, sagt er und warnt vor den sogenannten „Sozialen Netzwerken“. Man habe heute „die ausgefeilteste Informationstechnologie der Geschichte“, verliere aber zugleich „die Fähigkeit, miteinander zu sprechen, zumindest einander zuzuhören“.

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Alles sei algorithmusgesteuert. Lenin, Mussolini – viele Demagogen seien zuvor Herausgeber von Zeitungen gewesen. „Wer ist der Herausgeber von Twitter, von Facebook, Youtube?“, fragt Harari. „Das sind keine menschlichen Wesen, das sind KI-Algorithmen. Und denen geht es nicht um Wahrheit. Die wollen keine rationalen Gespräche, die wollen einfach möglichst viele Nutzer einfangen.“ Es werde „die Fähigkeit untergraben, Gespräche im großen Stil zu führen. Es geht hier nicht mehr um Gespräche zwischen Menschen. Es geht mehr und mehr um Gespräche, die von Algorithmen gesteuert werden“.

Seine Diagnose: „Social Media schwächt die Demokratie. Es gibt einen Trend, wenn jemand was erzählt, sofort die negativste Interpretation zu Grunde zu legen, und das zerstört das Vertrauen zwischen Menschen. Demokratie kann nicht ohne Vertrauen überleben.“

Harari warnt vor der Künstlichen Intelligenz, denn sie sei „kein Werkzeug, sondern ein Akteur, der Entscheidungen fällen kann, neue Ideen entwickeln kann und zwar aus sich selbst heraus“. Harari: „Eine Druckerpresse konnte nicht entscheiden, welches Buch gedruckt wird und auch keine neuen Bücher schreiben. Eine Atombombe kann nicht entscheiden, wo sie eingesetzt werden soll. KI kann das.“

Dieser Teil der ARD-Zirkusvorstellung hätte ruhig länger sein dürfen. Doch was selbst der hoch intelligente Harari nicht ahnen kann: Auch die KI hat ihren Endgegner.

Denn über die Auswahl ihrer Gäste entscheidet immer noch die Maischbergerin. Basta.

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