Caren Miosga hat überraschend die Gästeliste und das Thema ihrer gestrigen Talkshow geändert. Der Anlass für ihre Spontaneität: Der Iran hat am Samstag Israel angegriffen und somit ein „Tabu“ gebrochen. Denn bisher hat der Iran Israel nur indirekt angegriffen, indem die Regierung Terrororganisationen wie die Hamas und die Hisbollah unterstützt hat. Dieser „ungewöhnliche“ Angriff war also spannender als mit Michael Kretschmer (CDU) über radikale Parteien in Sachsen zu reden.
Aber wirklich überraschend war der Angriff des Iran nicht: Immerhin wusste Joe Biden vorher Bescheid, wie der Nahost-Experte Guido Steinberg sagt: Schon am Freitag hat der amerikanische Präsident den Iran angesichts eines drohenden Vergeltungsschlages gewarnt. „Lasst es“, lautete Bidens Botschaft. Der Iran hat Israel trotzdem angegriffen. Aber laut der deutsch-iranischen ARD-Journalistin Natalie Amiri wird es der Iran bei diesem einen „Vergeltungsschlag“ belassen – sofern Israel nicht zurückschlägt. Auch Steinberg betont, der Iran wolle keinen „großen Krieg“: Sonst hätte der Iran die Hisbollah geschickt, weil diese Terrororganisation Israel mit ihren Waffen „wirklich weh tun“ könnte. Außerdem habe der Iran mit seinen Flugkörpern nur militärische Ziele angepeilt – und habe somit keine Zivilisten töten wollen. Das Ziel war laut Steinberg ein anderes: Mit diesem Angriff wollte der Iran „entschlossen“ auf den israelischen Luftangriff auf die iranische Botschaft in Damaskus in Syrien vor zwei Wochen reagieren – aber nur für die „eigene Klientel“. Eine Eskalation wolle der Iran nicht.
Netanjahu hat sich noch nicht zu dem Angriff geäußert. Dafür aber der Verteidigungsminister Joaw Galant. Und der hat laut Limpert gesagt, für Israel sei dieser Angriff ein „Erfolg“. Das bestätigt auch Steinberg: Dieser Angriff zeige, dass der Gaza-Krieg eine größere Dimension hat als nur die Situation für die Zivilbevölkerung in Palästina. Somit würden andere Länder wieder mehr Verständnis für die israelische Kriegsführung haben. Das scheint zu stimmen: So hat sich Jordanien laut Amiri Israel angeschlossen. Außerdem haben sich die USA, China, Frankreich und Großbritannien bei einer gestrigen Sitzung des Sicherheitsrates in New York „eindeutig hinter Israel gestellt“, wie die ARD-Journalistin Marion Schmickler berichtet, die kurz aus New York zugeschaltet wird.
Aber die Bundesregierung war laut Djir-Sarai „außerordentlich naiv“ und hat bisher das Raketenprogramm des Iran und die dortige Menschenrechtssituation ignoriert. So ist der Iran laut Steinberg nun ein „nuklearer Schwellenstaat“: „Die Möglichkeit, dass die Iraner ihre Flugkörper mit Atom bestücken, verschärft sich“, sagt er. Aber nicht nur dahingehend ist die Bundesregierung naiv: Am gestrigen Sonntag hat Baerbock in Bezug auf den Krieg in Nahost „alle Akteure“ aufgerufen, „besonnen zu handeln“. Das kritisiert Djir-Sarai – obwohl er die Außenministerin nicht kritisieren möchte. Man müsse die Dinge präzise benennen: Der Iran bedroht Israel und nicht andersherum.
Frankreich soll offenbar kein Teil des Bündnisses sein, weil nicht „erwachsen“. Warum nicht? Sagt Steinberg nicht. Und Miosga fragt nicht nach. Jedenfalls sollten sich die „Regionalstaaten“ „verändern“, wie sie sich verändern sollen, verrät er nicht. Aber dann sollen sie Waffen bekommen, um den Iran „einzudämmen“, sagt Steinberg. Allerdings könnte es dafür schon zu spät sein, bemerkt er: Der Iran sei nicht mehr isoliert, weil China und Russland den Staat unterstützten. Es bleibt also spannend im Nahen Osten. Die Sendung war in jedem Fall spannender als sie vermutlich gewesen wäre, hätte Miosga mit Ministerpräsident Kretschmer über radikale Parteien in Sachsen gesprochen.