Es soll Menschen geben, die wollen wissen, wer Hendrik Wüst ist. Die Frage liegt ungefähr auf der Stufe von „Wer ist Daniel Günther?“ und ganz knapp vor „Wohin weht eine Fahne im Wind?“
Caren Miosga gehört zu den Wenigen, die das interessiert, und dafür wird sie von der ARD nicht fürstlich, sondern königlich entlohnt (3.200 Euro Pro Minute, macht 5,8 Millionen Euro pro Jahr). Dafür kann man schon mal investigativ werden. Deshalb will Miosga auch wissen „wer der echte Hendrik Wüst eigentlich ist“. Denn der hat ihr gerade gesagt „Ich kann’s mit den Grünen gut“. Also, wer ist das nun, der echte Hendrik Wüst? „Leute die Sie kennen, beschreiben Sie, als Sie jünger waren, als ganz anderen Menschen. Krawallig, stockkonservativ, fast schon aufbrausend“, sagt Miosga. Früher, „da sehnten Sie sich in der CDU nach heimatverbundenen Patrioten, und als die Grünen in ihrer Heimatstadt Rhede den Bürgermeister gestellt haben, da sollen Sie an die Decke gegangen sein. Wer ist denn jetzt der echte Hendrik Wüst? Der, der mit den Grünen kann oder eigentlich die Grünen nicht so gut leiden kann?“
Wüst antwortet so dünn wie seine Föhnwelle, aber diese wie auch ihn bringt so etwas nicht aus der Fasson: „Ich konnte mit DEN Grünen nicht so gut“, sagt er, und was auch immer das heißen mag, die langweilige Frage hat damit zumindest eine adäquat langweilige Antwort bekommen.
Wüst, der 2023 ausgerechnet Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel den höchsten Orden seines Bundeslandes verlieh, muss nun 192.000 Euro (=60 Sendeminuten) lang erklären, wie man die Probleme beseitigen kann, die Merkels Migrationspolitik aus Deutschland gemacht hat.
Und das tut er, indem er sauber in den Fußstapfen der AfD herumlatscht, ständig deren Positionen zitiert, aber zugleich in stoischer Penetranz vor den Blauen warnt. Das schizophrene Moment ignoriert er gekonnt, darin ist er Meister. Man kennt dieses Verhalten bereits von den Merzens und Söders, was die Frage nach der Fahne wieder nach vorn stellt. „Bei Kontrollen Menschen aufzugreifen, die anderswo schon sicher sind, ist weder eine Zurückweisung, noch ein Stopp“, sagt Wüst, und: „Es ist nicht unchristlich, wenn Menschen in einem unserer europäischen Nachbarländer Sicherheit finden. Es geht darum, dass Menschen, die schon woanders in Sicherheit sind, dann nicht mehr nach Deutschland zu kommen brauchen.“
Miosga konfrontiert ihn mit Fehlern seiner grünen Ministerin Josefine Paul, zuständig für Flucht und Integration. Rund um das Messerattentat in Solingen seien ihr „folgenschwere Fehler passiert“. Der Attentäter sei nicht rechtzeitig abgeschoben worden. Nach dem Attentat sei die Ministerin 24 Stunden überhaupt nicht erreichbar gewesen und habe sich erst nach drei Tagen den Fragen der Presse gestellt. Wüst bleibt windig, weicht aus, lässt alle Fragen nach politischer Verantwortung abperlen. Mehrfach hakt Miosga nach, doch mehr als dies sagt er nicht: „Sie trägt die Verantwortung dafür, dass es besser läuft.“ Es sind Momente wie diese, in denen sich der Zuschauer fragt: Und das soll jetzt fast 10.000 Euro (= drei Sendeminuten) wert gewesen sein?
Doch der absurden Redebeiträge damit nicht genug. Ein weiterer Gast ist der umstrittene „Migrationsforscher“ Gerald Knaus, der einst Merkels erfolglosen Flüchtlingsdeal mit der Türkei ausbaldowerte. Die entscheidende Frage für ihn ist heute „Will man illegale Migration reduzieren?“ Und seine Antwort lautet: „Das wird nicht funktionieren, weil das immer auf Kosten der Nachbarn geht. Das wird europäische Spannungen erhöhen, aber keine Kontrolle bringen.“ Man müsse es „an der Außengrenze machen“.
„Wir müssen Zahlen reduzieren bei irregulärer Migration“, entgegnet Wüst. „Es sind europäische Nachbarländer, die durchwinken“, die die registrierten Zuwanderer kaum zurücknehmen. 90 Prozent der Dublin-Überführungen scheitern. Deshalb brauchen wir eine Beendigung von irregulärer Migration.“ Weidel und Chrupalla lassen schön grüßen.
Warum er den nächsten Satz sagt, wird wohl nur er selbst wissen, denn damit erklärt er, warum er, warum ein Söder, ein Merz, aber auch ein Scholz oder Lindner, warum sie alle plötzlich Kreide fressen wie Milben am Schultafel-Buffet: „Wir wollen nichts lieber als dieses Thema rausnehmen aus dem Bundestagswahlkampf.“ Das ist der eigentliche Punkt. Die Landtagswahl in Brandenburg und die Bundestagswahl im September 2025 sollen für die alten Parteien bitte nicht wegen der vermaledeiten Massenmigration zum Desaster werden.
„Dann wissen wir doch, was passiert. Die Extremisten werden fett“, sagt Wüst. Huch, das könnte Ärger geben. Weiß er nicht, dass man Bundestagsabgeordnete nicht mehr ungestraft als übergewichtig bezeichnen darf? Hat er jetzt tatsächlich eine Grüne als extremistisch bezeichnet? Oder fett? Oder beides? Wen meint er? Die AfD kann es ja nicht sein. Deren Argumente vertritt er doch die ganze Zeit selbst. Aber er meint – selbstverständlich – die AfD. Ein echter Wüst eben.
Ach ja, auch zur Kanzlerkandidatur wird Wüst befragt. Schon interessant, wie sich jemand, dem während der „Corona-Pandemie“ kein Wort zu hart, keine Ausgrenzung Ungeimpfter zu brutal war, sich plötzlich sträubt, auch nur ein halbwegs klares Wort zu finden. Wüst windet sich wie ein Aal, seine Antwort ist scheindiplomatisch, dünn, ausweichend: „Wir sind intensiv im Gespräch.“ Er lässt durchblicken, dass er wohl kandidieren wollen mögen würde, aber sich das zu sagen noch nicht trauen dürfen kann. Mit anderen Worten: Mehr dazu, wenn der Wind sich dreht. Viele Grüße, Ihr Hendrik Wüst.
Letzter Gast ist die „taz“-Journalistin Gilda Sahebi. Ihre Redebeiträge sind wirklich außergewöhnlich absurd. Beispiel: „Es ist nicht richtig, dass Schulen und Krankenhäuser wegen der Migranten überlastet sind.“ Die Berichterstattung über Migrantenkriminalität vergleicht sie allen Ernstes mit Krankenhauskeimen. Ja, richtig gelesen. Wie bei der Nosokomialinfektion würden die Medien ihre Leser und Zuschauer mit negativen Berichten geradezu infizieren. Das muss wohl dieser Hauch Absurdistan sein, für die der ÖRR die gesichert extreme Presse immer gern an den Tisch holt.
P.S.: Während der Sendung kam es zu einer kurzen Protestkundgebung im Publikum. Einige Zuschauer hielten Tücher mit Fotos hoch und skandierten unter anderem „Wir fordern, dass die deutsche Medienlandschaft ihr Schweigen bricht“. Damit war jedoch nicht etwa die Berichterstattung über die RKI-Files zur angeblichen Corona-Pandemie gemeint. Anlass war vielmehr der Tod der beiden Journalistinnen Gulistan Tara und Hêro Bahadîn, die zusammen mit sechs weiteren am 23. August bei einem türkischen Drohnenangriff im Kurdengebiet des Irak getötet worden waren.