Caren Miosga traut sich und lädt den Fraktionsvorsitzenden der AfD, Tino Chrupalla, zu sich in die Sendung ein. Ohne Verstärkung und eifrige Vorbereitung geht es aber nicht: Miosga hat sich eine Front aus Journalisten und Ökonomen zusammengestellt, die gemeinsam gegen Chrupalla diskutieren. Oder es zumindest versuchen. Einer davon ist Joe Kaeser, der frühere Siemens-Chef und nun Aufsichtsratsvorsitzende der Siemens Energy AG.
Kaeser erzählt außerdem von seinem Siemens-Werk im sächsischen Görlitz – der Heimat von Chrupalla: In diesem Werk arbeiteten demnach 2.200 internationale Mitarbeiter, die letztes Jahr 31 Turbinen produziert haben. Dann muss er auf seinen Spickzettel luschern: Von den Turbinen seien 54 Prozent in jene Länder exportiert worden, die Chrupallas Kollegin beschimpft hat, sagt er. Und bezieht sich damit auf eine Bundestagsrede von Alice Weidel (AfD) von 2018, in der sie sagte, dass „Kopftuchmädchen und sonstige Taugenichtse“ nichts in Deutschland zu suchen hätten. Kaeser befürchtet, dass die AfD mit solchen Aussagen den Export und somit die deutsche Wirtschaft gefährde. Und darum möchte er Chrupalla „herzlich bitten, Weltoffenheit zu zeigen“.
Chrupalla konfrontiert die Runde damit, dass die deutsche Wirtschaft „abschmiert“ und eine „Deindustrialisierung“ im Gang sei: Immer mehr Unternehmen würden den Wirtschaftsstandort Deutschland verlassen. Ein Grund seien hohe Energiekosten. So fürchten laut Chrupalla viele Arbeitnehmer um ihre Arbeitsplätze – auch im Görlitzer Werk von Siemens: Immerhin habe Siemens seit 2017 über 1.300 Stellen in ihrer Görlitzer Produktionsstätte abgebaut, behauptet Chrupalla. Kaeser widerspricht nicht. Er starrt Chrupalla bloß an. Und schluckt. Darauf war er offenbar nicht vorbereitet.
Das andere vermeintliche Ass in Miosgas Ärmel ist Nadine Lindner vom Deutschlandradio. Die habe einen Preis für ihre „sachliche Berichterstattung über die AfD“ erhalten, betont Miosga. Lindner betont, dass Professoren und Ökonomen, die ursprünglich die AfD gegründet haben, nun sagten, sie hätten ein „Monster“ erschaffen. Applaus aus dem Publikum. Die AfD sei außerdem „weniger praxisorientiert“, sondern mehr ideologisch, sagt sie – ganz sachlich halt. Außerdem lesen sie und Miosga mehrere Zitate aus dem Buch „Politik von rechts“ des AfD-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Maximilian Krah, vor. Irgendwann fragt Chrupalla, ob sie an diesem Abend einen Buchclub veranstalten – bei all den Lesungen.
Zu Krah hat Miosga noch einen Joker im Gepäck: Krah hat auf einer Rede mal gesagt, Einwanderer aus manchen Kulturen fänden nicht mal das richtige Gate an einem Flughafen, weil sie nicht intelligent genug seien. Das ist eine „haarsträubige Behauptung“ von Krah, findet Lindner. Diese Aussage sei „Blödsinn“, stimmt Chrupalla der Miosga-Front zu.
Miosgas Front scheint zu glauben, Chrupalla sei mit dem Frauenbild der AfD auszupunkten. Zum einen mit einem Poster, das der AfD-Landesverband Sachsen im Oktober gepostet hat: Auf dem Plakat sind zwei Frauen abgebildet. Eine Frau ist eine 22-jährige, „moderne und ‚befreite‘ Feministin“, die auf ihre dritte Abtreibung stolz ist. Die andere ist eine „traditionelle Frau“: Die ist schlank und blond und liebt ihre Heimat sowie ihre Familie. Das Poster hätte die AfD-Sachsen laut „Correctiv“ mittlerweile wieder gelöscht. Die Alternativen hätten wohl selbst gemerkt, dass dieses Bild einer „idealen Frau“ nicht zeitgemäß ist.
Kurz vor Schluss wirft Lindner dann noch mit einem Programmpunkt der AfD um sich, mit dem „alles“ gesagt sei: „Deutschland muss deutsch bleiben.“ Das beweise eine „Homogenitätsvorstellung“ der AfD, in der nur Weiße geduldet seien. Chrupulla weist das zurück, solche Worte seien nie von AfDlern gefallen. Er findet es „unverschämt“, dass Lindner behauptet, die AfD stünde für eine solche Homogenität. Die AfD habe sowohl Wähler als auch Parteimitglieder mit Migrationshintergrund. Darauf folgt ein verzweifelter Schlag der Miosga-Front: „Die Wähler laufen der AfD schon davon“, sagt Lindner. Da lacht Chrupalla so, als wäre ihre Aussage lächerlich. Und Miosga muss – wohl oder übel – zu den Tagesthemen der ARD abgeben, weil ihre Sendezeit abgelaufen ist.