Tichys Einblick
Caren Miosga: Front gegen Tino Chrupalla

ARD hat kaum eine Chance gegen den AfD-Chef: Trotz Joker, Spickzettel und Jubel

Bei Caren Miosga tritt eine Front gegen Tino Chrupalla (AfD) an. Die Asse und Joker dieser Front zeigen allerdings, dass sie kaum etwas gegen die AfD in der Hand hat – und wie verzweifelt sie darüber ist.

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Caren Miosga traut sich und lädt den Fraktionsvorsitzenden der AfD, Tino Chrupalla, zu sich in die Sendung ein. Ohne Verstärkung und eifrige Vorbereitung geht es aber nicht: Miosga hat sich eine Front aus Journalisten und Ökonomen zusammengestellt, die gemeinsam gegen Chrupalla diskutieren. Oder es zumindest versuchen. Einer davon ist Joe Kaeser, der frühere Siemens-Chef und nun Aufsichtsratsvorsitzende der Siemens Energy AG.

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Kaeser liest von seinem Spickzettel vor, dass Deutschland 1,7 Millionen unbesetzte Arbeitsplätze habe. Um die Stellen zu besetzen, brauche Deutschland Fachkräfte aus dem Ausland. Ansonsten könnte Deutschland seine wirtschaftliche „Erfolgsformel“, die aus Fachkräften, Exporten, Innovationen und gesellschaftlicher Stabilität besteht, nicht mehr aufrechterhalten und der Wohlstand ginge zurück. Chrupalla weist darauf hin, dass die hohen Einwanderungszahlen bereits seit 2015 mit einem Fachkräftemangel gerechtfertigt würden. Aber die meisten Migranten würden nicht in den Arbeitsmarkt, sondern in das Sozialsystem einwandern und dieses ausnutzen, sagt er. Trotzdem wolle seine Partei Zuwanderung fördern. Aber nur aus europäischen Ländern. Und nur solche Zuwanderer, die die deutsche Sprache beherrschen oder sie schnell lernen.

Kaeser erzählt außerdem von seinem Siemens-Werk im sächsischen Görlitz – der Heimat von Chrupalla: In diesem Werk arbeiteten demnach 2.200 internationale Mitarbeiter, die letztes Jahr 31 Turbinen produziert haben. Dann muss er auf seinen Spickzettel luschern: Von den Turbinen seien 54 Prozent in jene Länder exportiert worden, die Chrupallas Kollegin beschimpft hat, sagt er. Und bezieht sich damit auf eine Bundestagsrede von Alice Weidel (AfD) von 2018, in der sie sagte, dass „Kopftuchmädchen und sonstige Taugenichtse“ nichts in Deutschland zu suchen hätten. Kaeser befürchtet, dass die AfD mit solchen Aussagen den Export und somit die deutsche Wirtschaft gefährde. Und darum möchte er Chrupalla „herzlich bitten, Weltoffenheit zu zeigen“.

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Das Publikum applaudiert. Komisch: In anderen Sendungen von Miosga ist das Publikum meist still und klatscht nur zum Anfang und zum Ende der Runde. An diesem Abend gehört das Publikum offenbar zu Miosgas Front. Durch lauten Applaus wirken Kaesers Argumente halt stärker. Aber Chrupalla schafft es trotzdem, sie zu entkräften – ohne Applaus und ohne Spickzettel.

Chrupalla konfrontiert die Runde damit, dass die deutsche Wirtschaft „abschmiert“ und eine „Deindustrialisierung“ im Gang sei: Immer mehr Unternehmen würden den Wirtschaftsstandort Deutschland verlassen. Ein Grund seien hohe Energiekosten. So fürchten laut Chrupalla viele Arbeitnehmer um ihre Arbeitsplätze – auch im Görlitzer Werk von Siemens: Immerhin habe Siemens seit 2017 über 1.300 Stellen in ihrer Görlitzer Produktionsstätte abgebaut, behauptet Chrupalla. Kaeser widerspricht nicht. Er starrt Chrupalla bloß an. Und schluckt. Darauf war er offenbar nicht vorbereitet.

Das andere vermeintliche Ass in Miosgas Ärmel ist Nadine Lindner vom Deutschlandradio. Die habe einen Preis für ihre „sachliche Berichterstattung über die AfD“ erhalten, betont Miosga. Lindner betont, dass Professoren und Ökonomen, die ursprünglich die AfD gegründet haben, nun sagten, sie hätten ein „Monster“ erschaffen. Applaus aus dem Publikum. Die AfD sei außerdem „weniger praxisorientiert“, sondern mehr ideologisch, sagt sie – ganz sachlich halt. Außerdem lesen sie und Miosga mehrere Zitate aus dem Buch „Politik von rechts“ des AfD-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Maximilian Krah, vor. Irgendwann fragt Chrupalla, ob sie an diesem Abend einen Buchclub veranstalten – bei all den Lesungen.

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Chrupalla betont mehrmals, dass dieses Buch Krahs nicht das Programm der AfD sei und die Zitate daraus nicht seinem persönlichen Geschmack entsprächen. Er habe das Buch allerdings noch nicht gelesen, wie ihm die Miosga-Front vorwirft. Aber Chrupalla stellt in Frage, ob Krah das Buch überhaupt selbst geschrieben hat. Was nichts daran ändert, dass Krah diese Aussagen unter seinem Namen veröffentlicht hat und diese, wie Lindner sagt, „teilweise aus der Zeit gefallen sind“. Und die AfD Krah trotzdem als Spitzenkandidaten für die EU-Wahl wählt.

Zu Krah hat Miosga noch einen Joker im Gepäck: Krah hat auf einer Rede mal gesagt, Einwanderer aus manchen Kulturen fänden nicht mal das richtige Gate an einem Flughafen, weil sie nicht intelligent genug seien. Das ist eine „haarsträubige Behauptung“ von Krah, findet Lindner. Diese Aussage sei „Blödsinn“, stimmt Chrupalla der Miosga-Front zu.

Miosgas Front scheint zu glauben, Chrupalla sei mit dem Frauenbild der AfD auszupunkten. Zum einen mit einem Poster, das der AfD-Landesverband Sachsen im Oktober gepostet hat: Auf dem Plakat sind zwei Frauen abgebildet. Eine Frau ist eine 22-jährige, „moderne und ‚befreite‘ Feministin“, die auf ihre dritte Abtreibung stolz ist. Die andere ist eine „traditionelle Frau“: Die ist schlank und blond und liebt ihre Heimat sowie ihre Familie. Das Poster hätte die AfD-Sachsen laut „Correctiv“ mittlerweile wieder gelöscht. Die Alternativen hätten wohl selbst gemerkt, dass dieses Bild einer „idealen Frau“ nicht zeitgemäß ist.

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Zum anderen sagt Lindner, die AfD wolle Frauenrechte einschränken. Beispielsweise weil die AfD eine „aktivierende Familienpolitik“ betreiben wolle: Für Kaeser bedeutet die, dass die AfD Frauen vorschreiben wolle, wie viele Kinder sie bekommen sollen. Laut Chrupalla ist dem nicht so. Die AfD möchte seiner Aussage nach die Geburtenrate erhöhen, indem es für Familien wieder attraktiver ist, Kinder zu bekommen. Demnach sollen Familien mit Kindern kaum noch Steuern zahlen müssen.

Kurz vor Schluss wirft Lindner dann noch mit einem Programmpunkt der AfD um sich, mit dem „alles“ gesagt sei: „Deutschland muss deutsch bleiben.“ Das beweise eine „Homogenitätsvorstellung“ der AfD, in der nur Weiße geduldet seien. Chrupulla weist das zurück, solche Worte seien nie von AfDlern gefallen. Er findet es „unverschämt“, dass Lindner behauptet, die AfD stünde für eine solche Homogenität. Die AfD habe sowohl Wähler als auch Parteimitglieder mit Migrationshintergrund. Darauf folgt ein verzweifelter Schlag der Miosga-Front: „Die Wähler laufen der AfD schon davon“, sagt Lindner. Da lacht Chrupalla so, als wäre ihre Aussage lächerlich. Und Miosga muss – wohl oder übel – zu den Tagesthemen der ARD abgeben, weil ihre Sendezeit abgelaufen ist.

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