Der „European Conservative“ ist ein Magazin, dessen Bedeutung nicht in der Breite, sondern in der Tiefe liegt. Autoren wie die Philosophin Chantal Delsol, der Historiker David Engels, der Ratzinger-Preisträger Rémi Brague oder der Rechtsphilosoph Andreas Kinneging veröffentlichen in dem Blatt, das ganz den Geist des britischen Denkers Roger Scruton atmet. Eigentlich ein Medium, das in seinem elitären Anspruch und seiner klassisch konservativen Grundhaltung gemäß nur in den parallelgesellschaftlichen Salons jenseits von Zeitgeist und Massenmedien gelesen wird.
Campbell zeigte sich „schockiert“, dass WHSmith „faschistischen Dreck“ verkaufe. Campbell stieß sich insbesondere an einem Artikel, der den „Pride month“ kritisch einordnete und an einer Karikatur. In letzterer fragt eine Mutter ihr Kind nach dem Tag in der Schule; letzteres vomiert daraufhin einen Regenbogen. Dies sei keine Debatte, schrieb Campbell auf seinem Instagram-Account, auch Joseph Goebbels habe um die „Macht von Cartoons“ gewusst. „Ich bin jemand, der an Diskussion, Debatte und gegenläufige Meinung glaubt. Aber ich ziehe die Linie bei Hass.“ Es handele sich hierbei um „schieren Hass“.
Nicht nur Campbell, sondern auch Cooke stachelte seine Anhänger in den sozialen Medien auf. Cooke zählte dabei neben dem Artikel und dem Cartoon auch ein Interview mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán auf, den er einen „Putinisten“ nannte, der Anti-LGBT-Gesetze in seinem Land durchsetze und Migranten als Terroristen bezeichne. Das Magazin stachle zu Hass auf, weshalb er dazu aufrief, WHSmith zu kontaktieren und die Buchhandlung so lange zu boykottieren, bis sie den European Conservative aus dem Sortiment entfernen würde.
Der European Conservative reagierte auf Twitter: Nein, man sei bisher nicht von WHSmith kontaktiert worden. Zugleich stellte die Zeitschrift die von den Gegnern kritisierten Stellen ins Netz: Jeder solle sich von den Passagen selbst ein Bild machen. Neben dem Mob, der die Verbannung des Magazins gefordert hatte, meldeten sich auch immer mehr Kritiker der Kritiker und Sympathisanten. WHSmith sollte die Kunden entscheiden lassen, was diese kauften, und nicht der Zensur nachgeben – oder diese selbst betreiben.
In einer offiziellen Stellungnahme, die TE schriftlich vorliegt, wehrte der European Conservative die Vorwürfe neuerlich ab. Die Publikation sei Kunst, Geschichte, Literatur, Poesie und politischer Philosophie gewidmet – und es sei ersichtlich, dass weder Campbell, Cooke oder andere Beschwerdeführer sich wirklich für die Zeitschrift interessieren würden. Die Interessen des Mediums seien vor allem akademischer, intellektueller und theoretischer Art. Ganz im Sinne Roger Scrutons habe man sich immer gegen die Cancel Culture gestellt und für den offenen Meinungsaustausch eingesetzt.
Das Unwissen von Campbell und Cooke werde dadurch besonders deutlich, da der European Conservative in den vergangenen zehn Jahren auch immer wieder mit schwulen Konservativen zusammengearbeitet hätte – die dennoch gegen jede „Pride“-Veranstaltung seien und die LGBT-Erziehung an Schulen kritisch bewerteten. In diesem weniger sexuellen, denn vielmehr ideologischen Zusammenhang sei auch die Regenbogen-Karikatur zu sehen, die daher auch nicht als „homophob“ einzuordnen sei. Sie gebe das Gefühl vieler Menschen wieder.
Zuletzt schoss die Redaktion deutlich gegen WHSmith selbst. Die Buchhandlung habe bisher keine Pornographie verboten, obwohl sie damit Frauen und Gläubige beleidige; WHSmith habe auch die Werke von Salman Rushdie nicht gecancelt, obwohl sie die Gefühle von Muslimen verletzten; und zuletzt konterkariere WHSmith mit seiner Aussortierungspolitik den Gedanken von Meinungsfreiheit und Offenheit, wie sie einst das Milieu nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ beherrscht hatte, wenn sie nun ein Magazin wegen einer LGBT-kritischen Karikatur aus dem Sortiment nehme. Die Redaktion sprach vielmehr davon, dass eine noch gewalttätigere Unterdrückung unpopulärer Meinungen noch bevorstehe.
Das neue Opfer der Cancel Culture ist demnach eine Warnung, dass sich niemand zu sicher fühlen sollte, ob zu groß oder zu klein. Selbst ein Interview mit dem ungarischen Regierungschef ist mittlerweile Anlass, um die Berichterstattung zu ersticken. Wer zum Goebbels-Vergleich greift, weil er sich durch eine Karikatur beleidigt fühlt, hat eine kurze Zündschnur. Doch der „EuroCon“ hat das einzig Richtige getan: Anders als der Buchhandel gibt er eben nicht nach. Damit hält er die Debatte auf Temperatur. Und das könnte dazu verhelfen, dass Campbell und Cooke dem Magazin womöglich dazu verhelfen, dass es bald nicht nur von der eingeweihten konservativen Elite gelesen, sondern von einem breiteren Publikum zur Kenntnis genommen wird, das sich gut mit dem regenbogenspeienden Schüler identifizieren kann.