Tichys Einblick
Nordkorea an der Spree

WDR-Intendant Buhrow will ARD-Krise durch noch mehr Geldausgeben ersticken

Posten für den Lebensgefährten, versteckte Boni für die Chefs – die ARD wirft das Geld mit beiden Händen raus. WDR-Chef Tom Buhrow hat jetzt den ARD-Weg aus der Krise gefunden: noch mehr Geld ausgeben – für die Aufsichtsgremien.

IMAGO / Klaus W. Schmidt

„Verwaltungsrat deckt Skandal bei der ARD auf“. Es gibt Schlagzeilen, die in keiner Zeitung stehen und auch in keinem Internetportal. Trotzdem sieht WDR-Intendant Tom Buhrow in den Gremien den Schlüssel, um die ARD-Krise zu verlassen. Die hatte begonnen mit dem Skandal um die Cousinenwirtschaft und Verschwendungssucht von Patricia Schlesinger, die den Vorsitz in der ARD und ihr Amt als Intendantin des RBB aufgeben musste. Buhrow möchte als kommissarischer ARD-Vorsitzender nun die Aufsichtsgremien stärken.

SERIE: KRISE DER ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN
Die Aufsichtsgremien von ARD und ZDF sollten direkt gewählt werden
Zehn Angestellte gehen alleine dem Rundfunk- und Verwaltungsrat des WDR zur Hand, der größten Anstalt der ARD. Kleinere Sender sind entsprechend schlechter ausgestattet. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg beschäftigt einen Mitarbeiter, der den Aufsichtsgremien in der Vorbereitung der Sitzungen hilft. Buhrow sieht darin den Grund, warum es an der Spree zum Skandal um Mauschelei und Prunksucht kommen konnte. Die Ehrenamtlichen könnten das alleine nicht leisten, argumentiert Buhrow. Doch die Argumentation hinkt an zwei Stellen: Zum einen wird niemand in die Gremien gezwungen. Wer sich keine Aufsicht zutraut, sollte vielleicht kein Aufseher werden. Zum anderen werden die Mitglieder in der Regel von Institutionen in die Räte geschickt, die sie im Erstjob durchaus gut bezahlen. Das Bild vom überforderten Ehrenamtler, das Buhrow zeichnen will, passt nicht zu den Räten von ARD und ZDF.

Vor allem die kleineren Anstalten bräuchten Hilfe für ihre Räte, zitiert das Fachportal DWDL Buhrow. Der ARD-Vorsitzende möchte sie durch externe Berater unterstützen. Den Schluss, einen kleinen und defizitären Sender wie den Saarländischen Rundfunk mit dem SWR zusammenzulegen, zieht Buhrow aber nicht. Die Berater indes würden zusätzliches Geld kosten. Viel Geld. Das zahlen die Anstalten. Der Auftragnehmer würde also den Auftraggeber kontrollieren. Als Beispiel für die eigene, effektivere Aufsicht nennt Buhrow die Auflage für WDR-Führungskräfte, ihre Belege für Dienstreisen der Justiziarin vorlegen zu müssen – ein Justiziat gibt es auch beim SR und beim RBB. Gerade Buhrows Beispiel zeigt, dass fur eine funktionierende Aufsicht der Wille zur Kontrolle wichtiger ist, als (noch) mehr Geld auszugeben.

Eben dieser Wille scheint aber bisher gefehlt zu haben. In Sachen Kritikfähigkeit herrschen in der ARD wohl Zustände wie in Nordkorea. Das schreibt nicht TE. Das ist ein Zitat: „Wir waren so Nordkorea-esk“, sagt Eva-Maria Lemke im Gespräch mit „Jung & Naiv“. Lemke ist Moderatorin beim RBB. Wie ein Staatssender habe der RBB über die Vorwürfe geschwiegen – dafür aber die Dementis der Chefin gesendet. Doch allmählich scheinen sich die Mitarbeiter der ARD von Nord- nach Südkorea zu bewegen. Immer mehr Schlagzeilen entstehen, weil Mitarbeiter, wenn auch meist anonym, ausgeplaudert haben.

So hat der NDR im Jahr 50.000 Euro für den „Musikberater“ Dieter Petereit ausgegeben, wie die Bild berichtet. Angesichts dieser Ausgabe stellt sich die Frage, wie NDR-Musik-Chef Henry Gross seinen Arbeitsalltag so füllt. Wobei sich der Musikberater Petereit mit Sabine Rossbach über die Aufgabenverteilung unterhalten kann. Zur Not auch nach Dienstschluss. Denn Rossbach ist laut Bild Petereits Lebensgefährtin, Direktorin des NDR-Landesfunkhauses und somit die Auftraggeberin ihres Lebensgefährten – zumindest sind die Dienstwege beim NDR kurz. Hätte Buhrow recht, könnten nur externe Berater solche Umstände erkennen und kritisieren.

„Den Blick nach vorne richten“
Panik in der ARD – Der unreformierbare öffentlich-rechtliche Rundfunk
Nächstes Beispiel: Das Statistische Bundesamt hat die Gehaltsliste der Intendanten offengelegt. Demnach verdient der Chef des WDR mehr als der Bundeskanzler und selbst für die Leitung des Saarländischen Rundfunks gibt es noch 245.000 Euro im Jahr. Offiziell. Denn als ob das nicht reichen würde, hat die ARD ein Modell entwickelt, wie sie ihren Führungskräften an der Öffentlichkeit vorbei noch mehr zahlen konnte, wie zuerst der Business Insider berichtet hat. Die Boni haben demnach im sechsstelligen Bereich gelegen. Gezahlt wurden sie unter anderem für Einsparungen im Programm. Das heißt, von jedem Euro, den der RBB dem Programm abknapste, floss ein Teil aufs Konto der Chefin.

Der neuerliche Vorwurf wirft auch die Frage auf, wie weit der Wille zur Aufklärung in der ARD verbreitet ist. Der geschäftsführende RBB-Intendant Hagen Brandstätter hat im brandenburgischen Landtag gesagt, ein Bonus-System gebe es nicht. Es seien stattdessen „außertarifliche Arbeitsverträge“, die „variabel vergütet“ würden anhand von „Zielvereinbarungen“, wie die Welt berichtete. Der Duden würde das schlicht Bonus nennen, aber Brandstätter scheint nicht von dem gleichen Willen zur Deutlichkeit getragen zu werden. Er ist einer von denen, die nun zu Aufklärern ernannt werden. Doch der Interims-Intendant habe im Landtag einen „Peinlich-Auftritt“ hingelegt, wie die Berliner Zeitung urteilte. Eigene Fehler habe Brandstätter nicht eingestanden, dafür geprotzt: Er sei der „Kapitän“, der das „RBB-Schiff in wogender See in den sicheren Hafen führen soll“. Da hätten sich sogar die Abgeordneten gegrinst, schreibt die Berliner Zeitung.

Jemand muss die Boni genehmigt haben: Entweder haben sich die Intendanten das Geld selbst bewilligt, dann gehören sie vor Gericht. Oder die Verwaltungsräte haben die Boni genehmigt, waren aber als Ehrenamtliche nicht in der Lage, einen Bonus als Bonus zu erkennen – dann gehören sie nicht in die Aufsicht. Die ARD braucht nicht noch mehr Geld für die Aufsicht – sie braucht den Willen, Prunksucht und Vetternwirtschaft beenden zu wollen. Personalien wie Brandstätter belegen, dass es aber an eben diesem Willen mangelt.

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