Tichys Einblick
Gegen den Strich gebürstet

Boris Palmer bei Lanz: „Irgendwann kommt das Messer und Menschen sind tot“

In gewohnter Manier holte Boris Palmer aus seiner Sendezeit bei Markus Lanz das Ultimo an Rundumschlag zur Adressierung einer Vielzahl von massiven Fehlentwicklungen im Land und in seiner Kommune aus. Von der Bundespolitik kommen keine Antworten, keine Lösungen. Probleme werden im Gegenteil immer weiter verschärft.

Screenprint: ZDF/Markus Lanz

Wer sich noch die sogenannten Talkshows in den Öffentlich-Rechtlichen antut, ist selbst schuld, wenn er die hierfür vertane Zeit nicht für was Sinnvolleres nutzt: zum Beispiel für anregende Lektüre oder für aktiven Sport. Denn der Verlauf dieser mainstreamwoken Quasselrunden ist wie ein festgemauertes Drehbuch prognostizierbar, sobald die Teilnehmer aufgelistet sind. Schließlich sind es zu 90 Prozent die immer gleichen zweibeinigen Wanderpokale der immer gleichen Parteien, Redaktionen und NGOs, die sich hier tummeln.

Nur gelegentlich und nur phasenweise wird es spannend – für etwa viermal drei bis fünf Minuten. So geschehen bei ZDF-Mann Markus Lanz, der am 15. Oktober geladen hatte: SPD-Mann Michael Roth, Eva Quadbeck vom Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) mit der SPD als dessen größter Kommanditistin, Militärexperte Christian Mölling von der Bertelsmann Stiftung – und eben Boris Palmer, ab 2007 „grüner“, seit 2023 parteiloser Oberbürgermeister von Tübingen.

Palmer zeichnete bei Lanz ein düsteres Bild von der aktuellen wirtschaftlichen Lage in Deutschland. Mit scharfer Kritik an der Politik des amtierenden Bundeskanzlers erinnerte Palmer an die Reformen von Gerhard Schröder und dessen Agenda 2010, die Deutschland „aus einer tiefen wirtschaftlichen Depression“ herausgeführt habe. Schröder habe mit der Agenda „dem Leistungsprinzip wieder Geltung verschafft“ und den Grundstein für „mindestens 15 Jahre Prosperität“ gelegt. Doch jetzt, so Palmer, stehe Deutschland vor einem beispiellosen wirtschaftlichen Niedergang, auf den die aktuelle Regierung und dieser Bundeskanzler schlicht keine adäquaten Antworten liefere.

„Die letzten zwei Monate waren noch viel schlimmer als vorher,“ sagte Palmer über die Entwicklung der Wirtschaft und wies darauf hin, dass die Dramatik der Situation „noch gar nicht wirklich bemerkt“ werde. Besonders in Baden-Württemberg, dem industriellen Herz Deutschlands, zeigten sich besorgniserregende Zeichen: „Wir sind jetzt bei minus 10, minus 15 Prozent bei vielen Betrieben“, so Palmer, der als Tübinger Oberbürgermeister eine starke Verbindung zu den Problemen der lokalen Wirtschaft hat. Die Automobilindustrie, Maschinenbau und Zuliefererketten befänden sich in einem „rasanten Absturz“, den er in dieser Form noch nie erlebt habe.

Doch Palmer beschränkte seine Kritik nicht nur auf die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, sondern äußerte auch scharfe Bedenken bezüglich der finanziellen Situation der Städte und Gemeinden. „Wir haben durch ausufernde Sozialgesetzgebung […] eine Kostenexplosion, die wir auch noch nicht kannten“, sagte er in Bezug auf die wachsenden Belastungen durch Sozialgesetze und die steigenden Ausgaben für Flüchtlinge. Die steigenden Sozialkosten bei gleichzeitiger Stagnation der Einnahmen hätten viele Kommunen in eine finanzielle Schieflage gebracht: „Bis vor zwei Jahren waren wir eine prosperierende Stadt – von prosperierend zu Sanierungsfall.“

Die Konsequenzen dieser Entwicklung seien dramatisch, so Palmer. „Das Loch ist momentan 40 Millionen Euro“, schilderte er die angespannte Haushaltslage seiner Stadt und warnte vor den drastischen Maßnahmen, die notwendig wären, um dieses Defizit zu schließen. Um die Finanzlöcher zu stopfen, müsse man entweder die Grundsteuer verdoppeln, Busverbindungen drastisch kürzen, das Theater und ein Hallenbad schließen – Maßnahmen, die die Bevölkerung spürbar treffen würden. Palmer warnte eindringlich vor den politischen Folgen solcher Einschnitte: „Dagegen ist das Lüftchen, was wir mit AfD-Wahlen in Ostdeutschland hatten, bisher wahrscheinlich harmlos.“

Mit seinen Ausführungen machte Palmer deutlich, dass er die momentane Krisenbewältigung der Bundesregierung für unzureichend hält und vor massiven sozialen und politischen Spannungen warnt, sollten die derzeitigen Missstände nicht entschlossen angegangen werden.

Rekapitulieren wir weiter seine Kernaussagen zum „Sicherheitspaket“ der „Ampel“:

Palmer zur AfD

Palmer argumentiert auch beherzt gegen die von den Parteien inkl. „Grünen“ und Medien hochgerühmte Brandmauer-Ideologie:

Fazit: Ausgerechnet der vormalige Vorzeige-„Grüne“ Palmer hat seinen politischen Verstand nicht an der Garderobe eines ZDF-Studios angegeben. Er weiß sehr realistisch, dass die Brandmauer-Strategie das Gegenteil der Intention erreicht: Die „Brandmauer“ stigmatisiert Millionen von vormaligen Wählern Altparteien zu „Nazis“. Das verfestigt deren Wahlentscheidungen und treibt der AfD weitere Wähler zu. Die „Bauermauer“ entpuppt sich damit als Brandbeschleuniger: Sie entflammt bei vielen Wählern, die sich um dieses Land sowie um bewährte Spielregeln sorgen und die deshalb nicht ausgegrenzt werden wollen, trotzig den Willen, doch AfD zu wählen.


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