Tichys Einblick

Boris Palmer bei Lanz: Nur 25 Prozent der Zugewanderten regulär beschäftigt

Bei Markus Lanz durfte das rot-grüne Milieu seine Migrationsbefindlichkeiten besprechen. Aus Boris Palmers Sicht sind Jahre des Müßiggangs „keine Integrationsleistung“. Diese Aussage wird zum Zeugnis für die Bundesregierung. Von einem Land in sieben Integrationsklassen und vier zusammenbrechenden Unterstützungssystemen.

Screenprint: ZDF/Markus Lanz

Boris Palmer, seit 16 Jahren Oberbürgermeister von Tübingen, erklärt, wie Behördenhandeln in dem von Massenmigration und Massenflucht überlasteten besten Deutschland aller Zeiten aussieht: Man legt sich einen Stempel mit der Aufschrift „bewilligt“ zu, stempelt alle Anträge durch – und gut ist. Das Aufenthaltsrecht fürs nächste Jahr wird demnach in Tübingen als Blanko-Anrecht an alle vergeben, die es haben wollen, bis ein Richter etwas dagegen sagt. Exekutive Willkür, die aus der Not geboren ist und sogar von Ralf Stegner für gut befunden wird – so wie alles andere auch, das für mehr Aufnahmen im Land sorgt. Aber das scheint so eine Eigentümlichkeit von Stegners Partei zu sein.

Zu der Lanz-Sendung mit Palmer und den Gegengewichten Ralf Stegner (SPD), Güner Balci (parteilose Integrationsbeauftragte) und Gerald Knaus (grün-gefärbter „Migrationsforscher“, allerdings ohne ordentliche Professur) kam es durch die Sendung vom Vorvortag, als der grüne Landrat Jens Marco Scherf sich die Behandlung durch ein öffentlich-rechtliches Medium gab. Ein Zeitvertreib, den Scherf als „unruhigen Abend“ klassifizierte. Der erfahrenere Lanz dachte da eher schon an ein unruhiges Wochenende, das dem Grünen aufgrund kontroverser Aussagen durch seine Parteifreunde hätte blühen können. Aber anscheinend verspüren die Parteioberen bei dem sympathischen Unterfranken ohnehin eine gewisse Beißhemmung.

Scherf traute sich also nochmals zu sagen, was er schon in einem Brief an Kanzler Scholz und die Grünen-Spitzen in Land und Bund geschrieben hatte: Dass es für die Landkreise inzwischen reicht mit der Migration und dringend Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen. Bei Lanz dachte der Landrat folglich über langfristige Methoden des Grenzschutzes und der Schonung von Menschenleben nach und mahnte kurzfristige Maßnahmen an – von denen natürlich keine kommen wird. Denn so ist Nancy Faeser nicht gestrickt, dass sie zum roten Telefon greift, in Brüssel anruft und einen Zaunbau oder Frontex-Einsatz an irgendeiner EU-Außengrenze fordert oder befürwortet. Genausowenig ist von ihr der Schutz der deutschen Binnengrenzen zu den unmittelbar angrenzenden Partnern im Schengenraum zu erwarten.

Das macht nun auch der Tweet der Bundespolizeigewerkschaft deutlich, die einen Fernsehbericht zum Anlass nahm, der Ministerin die „zielführende fachliche Beratung“ des Gewerkschaftschefs Heiko Teggatz anzubieten. Das Thema ist hier die zunehmende Belastung der deutsch-schweizerischen Grenze analog der deutsch-österreichischen, deutsch-tschechischen und deutsch-polnischen. Nur an einem der drei Grenzabschnitte sind derzeit Zurückweisungen derer möglich, die offenbar unberechtigter Weise einreisen wollen.

Vom „Flüchtlingsgipfel“ oder auch ergebnisoffenen Spitzengespräch beim Innenministerium blieb aus Teggatz’ Sicht auch nur ein großer Kladderadatsch. Der Bund weigere sich, Verantwortung zu übernehmen und lasse Länder und Kommunen so vorsätzlich im Stich. „Erbärmlich und menschenverachtend“ sei das. Wohlgemerkt: Teggatz spricht hier vom menschenverachtenden Charakter der ungebremsten, durch nichts beschränkten Flucht- und Asylmigration.

Deutschland hält zusammen – trotz seiner Regierenden

Am Valentinstag erzählte der grüne Landrat von Miltenberg, Jens Marco Scherf, dass von den 2014, 2015 und 2016 gekommenen „Flüchtlingen“ oder Migranten noch immer rund 900 in seinem Kreis „betreut“ werden. Das heißt, Menschen zwischen heute 18 und 25 Jahren werden in sieben Klassen zur Ausbildungsreife gebracht, möglicherweise. Das sei intensive Arbeit, und es imponiert in der Tat, dass das erstens gemacht wird und zweitens nach bis zu neun Jahren Deutschlandaufenthalt noch nötig ist. Auf der anderen Seite sollte man sich nicht wundern: Wer von einer schnelleren, besseren, weiter gediehenen Integration der Syrer und Afghanen von 2014 ff. ausging, war wohl naiv.

Scherf wies eindringlich darauf hin: „Wir sind da noch am Arbeiten, es ist noch nicht abgeschlossen.“ Das ewige Werk von 2015. Doch zugleich hat der Landkreis schon wieder 3.000 neue Migranten zu bewältigen, gut die Hälfte von ihnen sind keine Asylbewerber, sondern Ukrainer.

Alleingelassen fühlt sich Scherf nicht, auch wenn es noch immer keine Antwort aus dem Bundeskanzleramt, ja von der gesamten Bundesregierung auf die Hiobs-Briefe der bayerischen Landräte gibt. Scherf spricht von Rückhalt bei der Basis, den Kommunen und anderen Landkreisen. Bayern, ja Deutschland hält zusammen – trotz seinen Regierenden und ihrem mangelnden Beistand.

Keine Kita in Tübingen und der Rückfall in die Steinzeit

Boris Palmer hat Verständnis dafür, wenn arbeitende Eltern auf dem Tübinger Marktplatz gegen die Mangelbetreuung ihrer Kinder in nicht funktionierenden Kitas und Schulen demonstrieren. Wie „hier mit Frauen und Familien umgegangen wird“, das sei ein „Rückfall in die Steinzeit“. Allein in Tübingen fehlen 100 Kita-Betreuer, die es – so Palmer – einfach nicht gibt. Palmer sieht insgesamt vier kommunale Unterstützungssysteme, die „mindestens an der Leistungsgrenze, teilweise überfordert“ seien.

Erstes System: die „Ausländerbürokratie“, siehe oben: Blanko-Aufenthaltserlaubnisse mit Palmer-Signatur, bis der Richter kommt.

Zweites System: Kinderbetreuung, wo immer mehr Kinder dazukommen, die in keiner Bedarfsplanung vorgesehen waren. Diese Kinder sind unvorhergesehen und werden es noch eine ganze Zeit lang bleiben.

Drittes System: Wohnraum, wo die private Unterbringung gerade ausläuft und es „wieder in Richtung Turnhallen“ gehe. Das sei für manche die rote Linie, andere hätten die schon überschritten. Palmer präzisiert, dass es dabei um „langfristige Unterbringung“ durch die Gemeinden gehe, nicht „mal für vier Wochen“, sondern auf Monate und Jahre ausgelegt.

Landarztmangel und überlaufene Notaufnahmen kommen dazu

Viertes System: die organisierte „Integrationskraft“, wie Palmer sich ausdrückte, also vor allem Deutsch- und Integrationskurse, „alles, was man braucht, um die Leute ankommen zu lassen“. Das sind also die sieben Integrationsklassen mit den 2015er-Ankömmlingen, die offenbar sehr behutsam auf deutsches Niveau gebracht werden. Denn klar ist auch: Man weiß nicht mehr, in welcher Sendung es nun war und welcher Grüne – Scherf oder Palmer – es gesagt hat, aber auch hier geborene Kinder von Syrern, die bei Einschulung ja bereits sechs Jahre in Deutschland leben, sind dadurch beileibe nicht zu „kleinen Deutschen“ herangezogen, sondern bleiben erst einmal kleine Syrer, weil sie mit der Kultur des sie umgebenden Landes bis dahin kaum oder keine Berührungspunkte hatten.

Übrigens hatte Scherf am Vorvorabend mindestens einen weiteren überforderten Bereich angesprochen: das Gesundheitssystem, das im heutigen Deutschland mit Landarztmangel und überlaufenen Notaufnahmen glänzt.

Palmer will offen über die Optionen reden, die wir noch haben. Das bedeute auch, über Standards zu reden. Denn die gehen – auch das wurde deutlich, siehe der Umgang mit Frauen und Familien – verloren.

Palmer ist der verzweifelt-realistische Mann fürs Innere, so wie Scherf grün-rote Phantasien über Grenzschutz an den Außengrenzen hat, mit menschlichen Auffanglagern, an denen nur die Sozialdemokratin Juli Zeh zweifelte. Sie will vermutlich weiterhin alle „humanitären“ Fälle in die Mitte Europas karren und hat das auch nicht zu Ende gedacht. Wenn dann einer sagt, man müsse natürlich das Asylwesen an den Außengrenzen aufrechterhalten und „illegale Pushbacks“ vermeiden, nicken alle betreten – die scharfen Kritiker und die Platzhirsche des aktuellen Systems. Das ist die Crux des politischen Systems.

Ausländerleben zwischen Unmenschlichkeit und verfolgtem Glück?

Nach diesem multiplen Systemversagen kommt zuletzt die Palmer-Statistik ins Spiel, als ihm Ralf Stegner erzählen will, das alle Migranten im Lande arbeitswillig seien. Denn Palmer weiß zum einen, dass nicht jeder als „protestantischer Workoholic auf die Welt“ komme. Das ist schon eine klare Andeutung, denn Protestanten sind die Zuwanderer allesamt nicht. Kurz darauf erzählt er zum wiederholten Mal, dass sich Syrer in Tübingen vor gutbezahlten Reinigungsjobs drückten: „Nach vier Wochen war kein einziger mehr da.“

Der Palmer-Viersprung zum Arbeitswillen der Migranten lautet so: 25 Prozent seien beschäftigt, ein weiteres Viertel in Fortbildung, die restlichen 50 Prozent arbeitslos. Also de facto: 75 Prozent ohne sinnvolle, den Lebensunterhalt sichernde Tätigkeit. Stegner setzte hier zum Tigersprung an, wollte das als Erfolgsstory verkaufen. Doch für Palmer ist jahrelanger Müßiggang eben „keine Integrationsleistung“ und 25 Prozent einfach zu wenig. So unterscheiden sich die Arbeitsethiken auch in der Politik, zwischen Nord und Süd, links und rechtschaffen.

Güner Balci, die Integrationsbeauftragte für Neukölln, wollte später unbedingt richtigstellen, dass sich Syrer in diesem Punkt nicht von Deutschen unterschieden: „Die Menschen sind da relativ gleich gestrickt sozusagen.“ Breites Nicken am rot-grünen Stammtisch. Für Balci ist es okay, wenn der syrische Mensch nicht putzen will. Ihre eigene Reinigungskraft schickt sie sowieso immer gleich weg, weil deren Pensum mit drei Jobs „unmenschlich“ sei.

Im übrigen rechnet sie mit verbreiteter Schwarzarbeit – vergisst aber, die kriminelleren Spielarten zu erwähnen –, weil die Ausländer anders einfach nicht so Geld in Deutschland verdienen könnten, wie sie sich das einmal vorgestellt haben. Balcis innere Welt schwankt zwischen „pursuit of happiness“ und krasser Unmenschlichkeit, die ihr dann doch immer wieder in dieser „besten aller Welten“ begegnet, egal wo der arme, geschundene Migrant versucht, sein Elend in Glück zu verwandeln.

„Wir haben das Glück erfunden“, sagen die letzten Menschen und blinzeln

Stegner hatte an diesem Abend die Ausstrahlung eines müden Brotteigs und blinzelte schläfrig zwischen seinen Gemeinplätzen hindurch. Er ist etwa der Meinung, dass Zuwanderung Fachkräfte ins Land bringe. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Zuwanderung, zumal durch Asyl und Flucht, bindet seit Jahren deutsche Fachkräfte und schafft – siehe die sieben Klassen von Miltenberg und Palmers vier Problemkreise – keinen Ersatz. Und so wird es wohl weitergehen.

Der einzige Arbeitsmarkt, der durch die falschen Asylbewerber und über die Jahre recht wenige echte Flüchtlinge aufgebläht wird, ist der Hilfs- und Billigkräftemarkt, den man mittelfristig durch Automatisierung und andere Maßnahmen einsparen könnte. Migration als Modernisierungshindernis. Sozialversicherungsgängig sind diese Jobs zudem auch nicht, insofern steht uns auch größere Altersarmut bevor, und wenn wir nicht aufpassen, sogar Unrast von Jüngeren. Das ist vielleicht gar keine Zukunftsvision mehr, sondern aktuelle Gegenwart. Nur die Rot-Grünen mit gelber Assistenz blinzeln diesem Geschehen schläfrig zu.

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