Tichys Einblick
"Sie haben Kenny getötet!"

Bollwerk der Freiheit: South Park ist seit 25 Jahren auf dem Bildschirm

South Park feiert 25 Jahre auf dem Bildschirm. Selten waren Figuren so böse wie die vier Grundschüler dieser Trickserie. Politisch Korrekten hat das gar nicht gefallen – sie haben ihre Antwort erhalten.

Als South Park 1997 zum ersten Mal auf Comedy Central läuft, sind die Simpsons auf der Höhe ihrer Schaffenskraft. Der Vergleich zwischen den beiden Trickformaten drängt sich auf: Die Dramaturgie der Simpsons ist ausgefeilt, der Humor fein und die Zeichnungen präzise, detailverliebt und aufwendig. In South Park eskaliert die Handlung regelmäßig, die Figuren sind Scherenschnitte und sie pupsen sich gegenseitig ins Gesicht oder lassen sich an Weihnachten die Geschenke von „Mr. Hanky“ bringen, dem Weihnachtskot. Die Simpsons sind die Beatles – South Park die Stones. Härter, schneller und mit der Zeit besser.

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Während den Simspons ab der elften Staffel die kreative Luft ausgegangen ist, wurde South Park von Jahr zu Jahr besser. Mittlerweile läuft die 25. Staffel in deutscher Synchronisation auf Comedy Central. Immer noch so bissig wie früher; immer noch bereit, die Grenzen des guten Geschmacks auch mal hinter sich zu lassen und erst recht immer noch bereit, sich mit allem und jedem anzulegen. So ist South Park in der Lage, der Welt den Spiegel vorzuhalten. Ungeschönt. Bei hellem Licht. Alles erzählt aus der Sicht von vier Grundschülern.

Das Pandemie-Special ist das beste, was bisher über Corona gezeigt wurde. Fiktional wie nicht-fiktional. Die Macher nehmen die Krankheit ernst. Der Zuschauer sieht, wie die Figur des Jimbo kläglich auf der Intensivstation erstickt. Doch sie greifen auch den Wahnsinn auf, der sich aus Maßnahmen und reliöser Zelebrierung der Maßnahmen ergibt: das Impfzentrum, das zum VIP-Club wird, weil die Impfung (in den USA tatsächlich) zwar den Ausweg aus der Pandemie bedeutet, aber nicht genug Impfstoff vorhanden ist. Die Lehrer, die nicht mehr zu unterrichten bereit sind. Die Schüler, die unter dem Wahnsinn leiden. Und die Rechten, die ihre Stunde gekommen sehen.

Die Köpfe hinter South Park sind Trey Parker und Matt Stone. Die wichtigsten Rollen sprechen sie im Original selbst. In den beiden Viertklässlern Kyle und Stan haben sie sich zwei Alter Egos geschaffen, die stellvertretend für sie Abenteuer erleben. Sie wachsen in einer kleinen Stadt in Colorado auf, wie Stone und Parker auch. Kyle ist ein jüdischer Junge mit hohem moralischen Anspruch; Stan ist der Sohn einer katholischen Familie, vermutlich Iren. Allerdings mussten sich Stone und Parker später eingestehen, sie dachten nur, sie seien Kyle und Stan. In Wirklichkeit waren sie Cartman.

Eric Cartman ist, was JR für Dallas war: anfangs nur eine Nebenrolle, ziemlich schnell aber die eigentliche Ikone. Er ist fett, faul und dumm im intellektuellen Sinn. Dann aber auch wieder bauernschlau, vor allem aber brutal rücksichtslos, egoistisch und voller Vorurteile. Er hasst Juden, was er Kyle auch immer wieder spüren lässt. Eric hasst aber auch Hippies, Liberale, Obdachlose, Arme, Mexikaner … Selten hat sich eine derart böse Figur derart lange auf dem Bildschirm gehalten.

Cartman ist es auch, der den direkten Vergleich zu den Simpsons sucht: In einer Folge trifft er in einem Wartezimmer auf deren Bösewicht, Bart. Der wäre vor Cartman dran. Dann vergleichen sie ihre schlimmsten Taten: Bart hat einem Denkmal den Kopf abgesägt und den dann verbuddelt. Eric hat sich an einem Jungen gerächt, der ihn hereingelegt hat. Er lockte seine Eltern in einen Hinterhalt, in dem sie sterben mussten, darauf klaute er die Leichen, verarbeitete sie in einem Chili und ließ es den ahnungslosen Jungen essen. Die Simpsons singen Yesterday – South Park singt Sympathy for the Devil. Satan tritt in South Park selbstverständlich auch auf und hat in der Hölle eine homosexuelle Affäre mit Saddam Hussein. Jesus lebt in South Park und hat eine Talkshow im Offenen Kanal.

Ihre Gegner haben Stone und Parker vorgeworfen, sie hätten gar keine politische Haltung. Andere haben ihnen vorgehalten, rechte Positionen zu vertreten und Minderheiten despektierlich darzustellen. Die beiden Macher haben auf ihre Weise reagiert. Sie haben die Antworten in der Serie gegeben. Mehrfach. Etwa als die Aktivistin Rosie O’Donnell auftaucht, um sich in eine Klassensprecherwahl an der Grundschule einzumischen. Am Schluss hält der Lehrer Mr. Garrison eine Rede, in der er ihr vorwirft, Ostküsten-Politiker und Westküsten-Schauspieler würden nichts von den Menschen auf dem Land halten. Sie meinten, sie könnten ab und an vorbeikommen und ihnen von oben herab diktieren, wie sie zu leben hätten.

Wobei in South Park jeder sein Fett wegkriegt. Auch die Rechten. Im Pandemie-Special wollen die Rechten von der Qanon-Bewegung die Macht übernehmen und scheitern, weil sie darauf vertrauen, dass der scheidende Präsident ihre Rebellion anführt. Sie haben auch eine Jugendbewegung. Die Qties. Auf Deutsch: die Niedlichen. Humor ist immer noch der beste Weg, aus Aufgeblasenem die Luft rauszulassen.

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Im Zusammenhang mit Präsident Trump ist Stone und Parker ein künstlerischer Geniestreich gelungen, der seinesgleichen sucht. Sie wollten Trump in der Show nicht darstellen. Also ließen sie statt seiner die Figur des Lehrers Mr. Garrison Präsident werden. So konnten sie die Umstände darstellen und gaben ihnen einen ganz eigenen Kommentar auf der Figurenebene mit: In den frühen Staffeln trug Garrison einen Stock mit sich, setzte dem ein Hütchen auf, nannte ihn „Mr. Zylinder“ und redete mit ihm und für ihn. Während des Unterrichts. Später wird Garrison homosexuell, lässt sich zur Frau umwandeln, wird lesbisch und lässt sich zurück verwandeln.

Worauf er eine Affäre mit einem Ledersklaven beginnt, den er mit in den Unterricht nimmt. In der Hoffnung, er werde entlassen und könne die Schule auf Millionen Dollar Schmerzensgeld verklagen. Der Ledersklave führt sich das Klassenmaskottchen, einen lebenden Hamster, anal ein. Die Kinder erzählen das irritiert ihren Eltern – und werden darauf von denen als intolerant gegenüber Homosexuellen eingestuft. Sie schicken die Kinder in ein Toleranz-Camp, wo sie in Sklavenarbeit mit Fingerfarben Bilder zur Toleranz zeichnen müssen. Würden deutsche Künstler so etwas erzählen wollen, bräuchten sie einen Themenabend auf Arte. In South Park reichen dafür 21 Minuten aus.

Stone und Parker haben die Kritik an sich immer wieder aufgegriffen. Aber sie haben nicht lamentiert. Sie haben sie genutzt, um die Serie weiter zu entwickeln. So führen sie die Figur des Schulleiters PC Principal ein, der in South Park fortan über Politische Korrektheit wacht. Er beginnt mit Strong Woman eine Affäre am Arbeitsplatz, was in den USA mittlerweile als sexuelle Ausbeutung gilt, weil Strong Woman ihm untergeben ist. Beide zusammen zeugen die „PC Babies“. Bockige Säuglinge, die schreien, wenn jemand etwas Unkorrektes tut oder sagt. Simpler kann man Woke nicht parodieren. Präziser kann man Woke nicht parodieren.

Stone und Parker sind niemals eingeknickt. Sie haben sich mit allen politischen Richtungen angelegt, mit allen Minderheiten und mit allen Religionen. Auch mit Scientology – trotz drohender Klage. Und obwohl sie durch die entsprechende Folge den Sympathieträger „Chefkoch“ verloren haben. Dessen Darsteller Isaac Hayes sah seine religiösen Gefühle verletzt und kündigte. Stone und Parker verabschiedeten die Figur, in dem sie Chefkoch in einer Folge in die Hände einer Sekte von Kinderschändern fallen lassen.

Nur gegen den Islam verloren Stone und Parker. Aus dessen Reihen kamen Morddrohungen, als in South Park der Prophet Mohammed gezeigt werden sollte. Stone und Parker wollten durchziehen. Doch Comedy Central knickte ein. Nicht einmal eine allgemeine Rede zu Angst und Toleranz ließ der Sender zu. In der vergangenen Woche feierte Comedy Central den Christopher Street Day. Wenn es ungefährlich ist, kann Comedy Central den Mund nicht voll genug mit Gratismut nehmen – noch voller ist nur die Hose, wenn es ungemütlich wird.

Doch um einen falschen Eindruck zu vermeiden. South Park ist auch politisch. In erster Linie aber ist es eine Show. Unterhaltsam. Und sehr oft sehr lustig. Eine Show mit nicht enden wollenden guten Ideen. Eine, die immer etwas Neues aus den Figuren holt, ohne sie zu Karikaturen ihrer selbst verkommen zu lassen, wie es den Simpsons mit Homer passiert ist. Zum Beispiel Kenny.

Der Junge aus armen Verhältnissen stirbt in jeder der ersten Folgen, um in der nächsten wieder dabei zu sein. Dann lassen Stone und Parker ihn für eine Staffel mal tatsächlich tot sein. Eric, Stan und Kyle suchen darauf nach einem Ersatz. Zuerst ist es der hypernaive Butters, dann der kaffeesüchtige Tweek. Nachdem er rausgeschmissen wurde, wird Butters zum Bösewichten „Professor Chaos“.

Das passt wiederum ganz gut. Die Zeit der Marvel-Verfilmungen hat angefangen und South Park greift das auf. Die Jungs spielen Superhelden. Doch im Spiel stellt sich heraus, dass sich ein echter Superheld unter ihnen befindet: Kenny, der die Gabe der Unsterblichkeit besitzt. Eine alte Idee, aus der was Neues wurde. Etwas, das dann wieder ganz alleine für sich funktionierte. Und nicht nur als Reminiszenz an bessere künstlerische Tage wie bei den Simpsons.

Die Zukunft South Parks ist gesichert. Die Verträge bis zur 30. Staffel sind bereits unterschrieben. Zudem gibt es Specials auf Paramount+. Erschienen sind bereits „Post Covid“, „Post Covid The Return of Covid“ und „The Streaming Wars“. Es wird also noch lange heißen: Sie haben Kenny getötet. Ihr Schweine!

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