Tichys Einblick
Wokes Fernsehen

„Birgits starke Frauen“ scheitert krachend auf SAT1

Mit „Birgits starke Frauen“ will SAT1 nicht nur Fernsehen machen. Mit „Birgits starke Frauen“ will SAT1 die männliche Vorherrschaft brechen und tausende Jahre der Unterdrückung beenden. Ein sehr großer Plan – mit sehr wenigen Zuschauern.

Screenprint: Sat1

„Lasst euch nicht beirren! Egal, was man euch sagt, ihr müsst auf euch hören und euer Ding machen!“ Es sind große Worte, mit denen Birgit Schrowange auf Stern.de ihr neues Format ankündigt. „Birgits starke Frauen“ soll nicht nur unterhalten – es soll inspirieren. Frauen sichtbarer machen, ihnen mehr Mut geben, sich gegen Männer durchzusetzen, die sich ihnen mit „gläserner Decke“, „Gender Pay Cap“ und anderen Schurkereien in den Weg stellen.

Ein großes Ziel. Ein ganz neuer Ansatz. Nur: Am Ende sieht „Birgits starke Frauen“ so altbacken aus, wie es Fernsehen um 20.15 Uhr nur noch selten ist. Sechs Frauen sitzen rund um einen Tisch und reden. Auf dem Tisch stehen Tassen und Snacks. Natürlich gesund. Zwischendrin gibt es mal einen Einspieler zu sehen – über den die Frauen dann auch reden. An irgendein längst vergangenes Format erinnert das.

Die Lebensgeschichte der eingeladenen Frauen steht im Mittelpunkt des Formats. Entsprechend hängt es von der Zugkraft der Eingeladenen ab, wie gut die Sendung funktioniert. Mit Marie Schumann kündigt SAT1 die „härteste Feuerwehrfrau Deutschlands“ an. Ein Hammergast. Auf dem Berufstag der achten Klasse. Aber für eine Show um 20.15 Uhr? Oder Rebecca Immanuel: Sie kennt man aus der Serie „Edel & Starck“. Die wurde vor 17 Jahren eingestellt. Seitdem hält sich Immanuel mit Gastauftritten in der Fernsehhölle über Wasser: Rosamunde Pilcher, Notruf Hafenkante, Katie Fforde oder Soko München. Ein B-Promi. B wie bestenfalls.

Außerdem hat Schrowange Mandy Capristo eingeladen. Das ist eine Sängerin der Gruppe Monrose. Das sind die mit „Hot Summer“. Oder „Shame“. Oder „What you don’t know“? Apropos nicht kennen. Wem immer noch kein Licht bei den Namen Capristo oder Monrose aufgeht: eine Band, die 2006 im Privatfernsehen gecastet wurde, um sich 2011 wieder aufzulösen. Das C in Capristo steht für C-Promi.

Das einstige Pop-Sternchen gilt für Schrowange als „starke Frau“, weil sie an Panikattacken litt. Jetzt war die Sängerin beteiligt an einer Plattform gegen die psychische Krankheit. Es ist der spannendste Teil der rund 90 Minuten Netto-Sendezeit. Und trotzdem mag man nicht so recht dabei bleiben, das Thema ist zwar gut, relevant, doch die Art wie die Beteiligten rund um den Tisch darüber reden, die stört. So belanglos. Und so trutschig. Trotz des Anspruchs der Teilnehmerinnen, als „stark“ zu gelten, erinnert diese Trutschigkeit an längst vergangenes Fernsehen.

Und zwar an: Kaffeeklatsch. Das lief von 1995 bis 2002 im ZDF. Samstags. Im Nachmittagsprogramm. Ralph Morgenstern, der sich früh und souverän als Homosexueller geoutet hatte, versammelte vier Damen um einen Kaffeetisch und besprach die aktuellen Klatschthemen. Meist schrill und fröhlich bis hin zu albern. Damit war Kaffeeklatsch das Gegenteil von „Birgits starke Frauen“. Es wollte nur Unterhaltung sein und konnte zu anspruchsvollen Themen plötzlich berührend ehrlich sein. Im Anspruch, ein Vorbild für Frauen sein zu wollen, wirken Birgits starke Frauen hingegen eher abschreckend auf mögliche Betroffene.

Es ist eine alte Erkenntnis. Doch für die Macher und Macherinnen des woken Fernsehens immer wieder und wieder und wieder neu: Die Menschen setzen sich nicht abends vor den Apparat, um belehrt zu werden. Und schon gar nicht von Fernsehnasen, die sich die Weisheit nicht erarbeitet, sondern mit dem Löffel gefressen haben. Entsprechend floppt das Ganze. 490.000 Zuschauer wollen „Birgits starke Frauen“ sehen – ein Marktanteil von 1,9 Prozent. An einem Abend, an dem die Konkurrenz nicht unschlagbar war: Doku über die Queen im Ersten, Günther Jauchs x-te Quizshow auf RTL oder das ZDF mit „Die Luft zum Atmen“. Auch hier das gleiche Schema: eine Krankheit im Mittelpunkt des Films. Unterhaltung soll belehren und vergrault stattdessen. 2,86 Millionen Zuschauer sehen das. Nicht mal jeder Zehnte unter 50 Jahren. Der Sockelbestand an Zuschauern, die sich abends selbst dann noch ZDF ansehen würden, wenn da das Bild ausfällt.

SAT1 muss härter um seine Zuschauerinnen kämpfen. Zumal dort eine Minute Werbung auf drei Minuten Programm folgt. Für die Werbung gelten die jungen Zuschauer als besonders wichtig. Selbst für SAT1-Verhältnisse schwache 3,0 Prozent holt „Birgits starke Frauen“ aber nur in der relevanten Zielgruppe – weniger als 200.000 Menschen. Eine Zahl, die nah an den Wert der statistischen Fehlbarkeit herankommt und folglich fast nicht mehr seriös gemessen werden kann. Vier Folgen bleiben Schrowange, um bei der Einschaltquote zuzulegen. Sie wird Gäste – sorry: Gästinnen – brauchen, die mehr ziehen. Ein hehres gesellschaftspolitisches Ziel allein macht noch keine Sendung aus.

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