Tichys Einblick
Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wiederhaben

Bei Plasberg: Never Ending Merkel

Einen Tag vor dem CDU-Parteitag, der Angela Merkel mutmaßlich mit überwältigender Mehrheit als Kanzlerkandidatin 2017 nominieren wird, diskutieren vier Herren und eine Dame über die Zukunft der Kanzlerin. Der wird’s allerdings herzlich egal sein.

Screenshot: ARD/hart aber fair

Hart aber Fair zieht am Vorband des Nikolaustages die Kanzlerinnenfrage aus dem Stiefel: „Die ewige Kanzlerin – ist Merkel die Lösung oder das Problem?“ Da fragen wir uns zunächst: Braucht Angela Merkel wirklich eine vierte Kanzleramtsbesetzungsperiode, um ihren Laden besenrein zu übergeben? Geht das überhaupt noch nach so viel merkelschem Kehricht? Helmut Kohls Abgang war schon ein schmutziges Desaster. Hat „Kohls Mädchen“ etwas daraus gelernt?

Soviel steht schon mal fest: Im vierten Anlauf müsste sie sich schon rittlings auf den Besen schmeißen, um allen nochmal zu zeigen, dass sie fliegen kann. Sich stattdessen aufs Altenteil zurückzuziehen, wie es Vorgänger Gerhard Schröder vorgemacht hat, wäre die unanständige Variante. Nein, wer wie Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik genannten Einwanderungsfrage mit den Geschicken der Bundesrepublik Deutschland All-in gespielt hat, der hat mit gefalteten Händen am Tisch sitzen zu bleiben, der muss nun mit anschauen, wie das Blatt überboten wird – verbunden mit der Chance wenigstens für einen Abgang mit Freispruch 3. Klasse.

Ende mit Schrecken?

Natürlich weiß die Kanzlerin um das nun folgende langgezogene bittere Ende. Abzuwenden nur noch, wenn die politische und wirtschaftliche Lage in Deutschland implodiert. Ein veritabler Schock müsste her. Verwerfungen wirtschaftlicher oder militärischer Art oder gar einer Naturkatastrophe. Nur so wäre noch Merkel-Politik gegen den „politisch artikulierten Willen der Mehrheit der Bevölkerung durchzusetzen“, wie die kanadische Aktivisten Naomi Klein 2010 in „Die Schock-Strategie“ solche Vorgehensweisen des politischen Establishments weltweit erkannt haben will in ihrer wuchtigen Attacke wider den globalen Kapitalismus.

„Nämlich den Schockzustand der Menschen nach traumatisierenden Ereignissen zu nutzen, um ihr Programm von Privatisierung, Deregulierung, Liberalisierung und Kürzung sozialer Leistungen widerspruchslos durchsetzen zu können.“, wie die SZ schrieb. Braucht Angela Merkel jetzt das Chaos um eine weitere Amtsperiode heil zu überstehen? Um überhaupt in Amt zu bleiben dank einer kritische Masse sicherheitsgläubiger Angstwähler? Der böse Verdacht, dass ausgerechnet die AfD unfreiwillig Teil dieser Chaosstrategie sei, drängt sich da ebenso auf, wie die Idee, dass Merkels imperative Großtat das Chaos gleich mitgeliefert hat. Ein bemerkenswert ambivalentes Doppelpack.

Zwischen Nord-und Bodensee, zwischen Rhein und Oder braucht es aber keine Naturkatastrophen, um Chaos anzurichten. Wir Deutschen haben den wirkmächtigsten aller Schocks ins Geschichtsbuch eingehämmert bekommen: die Gefahr von Rechts. Ein Wiedererstarken nationalkonservativer und faschistischer Umtriebe beordert Wechselwähler fast automatisch zurück in die politische korrekte Mitte, wo man sich dann dicht zusammendrängen soll, wenn aus allen relevanten Kanälen mit dem Merkel-Brennglas die bösen Ränder weggebrannt werden.

Merkels Heiligenschein

Und das Feuer ist bereits entfacht: Regierungskritik, also das natürlichste Regulativ für übel aus dem Ruder laufende Regierungsgeschäfte, wurde unter Generalverdacht gestellt. Kritik an Merkel ist Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik genannten Einwanderungspolitik. Bei Ihren Gegnern sowieso, aber umgedreht wird ein Bumerang daraus. Wer heute die Politik der Kanzlerin kritisiert, ist verdächtig, der stellt sich abseits dieses ominösen humanitären Imperativs von Merkels Gnaden. Der ist ein Ungläubiger.

Aber nun genug der viel zu langen Vorrede und schnell hin zur kleinen Plasbergrunde am Montagabend. Die Gäste sind der grüne Ex-Minister Jürgen Trittin, Elmar Brok (für die CDU im Euro-Parlament seit der Schlacht von Verdun oder so ähnlich), Melanie Amann (Hauptstadtbüro des Spiegel), Ralf Höcker (Ralf wer?) und Alan Posener (WELT-Gruppe) – der war nämlich ebenfalls bei Plasberg vorgeladen. Die Tanzkarte verdiente er sich mit einem Artikel in der WELT, indem er für sich in Anspruch nahm, den merkelschen Heiligenschein irre hell leuchten gesehen zu haben. Posener hatte eine Heiligenerscheinung. Seine Überschrift: „Nur Merkel kann die Implosion des Westens verhindern“.

Wir erinnern uns: Wer heute die Politik der Kanzlerin kritisiert, der stellt sich damit bereits abseits ihres humanitären Imperativs. Der reiht sich ein bei den Europavernichtern. Bei den bösen Rechten. Aber oh je, Poseners Merkel-Semikolon-Bindestrich-Fürsprache könnte kaum niedlicher geraten sein: „Aber erstens hat sie die Macht; und selbst, wenn man diesen Faktor wegdenkt, gibt es – zweitens – niemanden, der ihre Autorität und Erfahrung hat.“ Ja, und mein Urgroßvater wollte den alten Kaiser Wilhelm wiederhaben …

Plasberg startet und später kommt noch seine Gütersloher Zuschaueranwältin Brigitte Büscher zu Wort, die von sich sagt: „Im Hauptberuf bin ich Mutter.“ Also Kollegen, was ist nun mit Hauptberuf Bundeskanzlerin? Endlich Ende mit Muttimania? Und wie gestaltet man im Anschluss an so eine Sendung in der ja angeblich so postfaktischen Zeit einen nachvollziehbaren Faktencheck?

Frank Plasberg fragt, „wie dringend braucht Europa Angela Merkel?“ Hier will man schon gleich daran erinnern, das sie ja wohl zunächst Kanzlerin der Deutschen ist, warum sollte man ihr, wie es Plasberg macht, die Krone Europas nachtragen?

Adenauers Erben

Der Jurist Ralf Höcker, Medienanwalt und seit 25 Jahren CDU-Mitglied, meint, er würde keine Karriere mehr in der CDU anstreben, sonst würde er hier auch nicht sagen, was er zu sagen hätte, nämlich das Angela Merkel die Partei einmal genommen hat, hochgehoben und über die komplette Parteiflügelspannweite nach links verschoben und auf SPD und Grüne gesetzt. „Ich erkenne diese Partei nicht mehr wieder.“ Elmar Brok, über 50 Jahre in der Partei, weiß hingegen, „die CDU war nie eine rechte Partei, sie war zu Konrad Adenauers Zeiten eine liberale Partei, eine christlich soziale Partei.“ Und er erinnert an die Gewerkschafter unter den CDU-Wählern. Aber genau dieses Erbe Adenauers sei in Gefahr, erwidert Höcker, nämlich dann, wenn „eine Zuwanderung in die Sozialsysteme zugelassen wird, wenn so der soziale Friede gestört ist, wenn das europäische Projekt gefährdet wird, indem deutsche Alleingänge dafür sorgen, dass uns keiner unser europäischen Nachbarn mehr versteht – das sind genau die Probleme, die wir haben und deswegen sehen wir auch (…) Konrad Adenauers Erbe gefährdet.“

Also für Höcker eine Gefährdung durch Angela Merkel, die seine Partei nach links verschoben hat. Man fragt sich in so einem Moment, wer das außer dem braven Parteisoldaten Brok überhaupt noch anders sehen kann. Und Parteien dürfen sich ja inhaltlich verändern. Müssen das vielleicht sogar. Warum sich also beschweren, wenn sich parteiintern keiner gegen Angela Merkel durchgesetzt hat. Ergo muss die Partei den Linkskurs ihrer Vorsitzenden doch mittragen – anwesende Quertreiber mal ausgenommen.

Alan Posener kommt dran. Er stimmt Höcker sogar zu. Merkel hätte die Partei dorthin geschoben, wo das Volk ist. Die Zahlen bestätigen den Journalisten, bekam die CDU 2009 noch 33,8 Prozent der Stimmen, waren es 2013 mit 41,5 Prozent so viele, wie zuletzt fast 20 Jahre zuvor. Der Erfolg allerdings ist über zwei Jahre her und dazwischen liegt die Flüchtlingsfrage und eine aktuelle Prognose auf Bundesebene von gerade noch 35,1 Prozentpunkte für die Volkspartei der Bundeskanzlerin.Trotzdem meint Posener: „Es gibt niemanden außer ihr, der den Laden zusammenhalten kann. (…) Jetzt ist sie da .. und ja, sie ist die einzige!“, schwärmt der Schwärmer, der sich die kommende Stunde für ein solides Dauerlächeln entschieden hat.

Spiegel-Kollegin Melanie Amann merkt bissig an: „Ich glaube, das die Rolle von Frau Merkel überschätzt wird, was die Zukunft von Europa angeht. Ich glaube, das sie in der Hinsicht zwar Teil der Lösung sein kann, weil natürlich immer ein Regierungschef, der länger im Amt bleibt, zwangsläufig für Kontinuität und Stabilität steht“, aber ihre bisherige Politik hätte auch eine Wirkung erzielt, die den Populisten in die Hände spielt. „Die extrem lange Amtszeit, die sich jetzt nochmal um vier Jahre verlängern soll, die erzeugt Fliehkräfte in ihrer eigenen Partei, die erzeugt Unmut in Kreisen wie der AfD, mit denen ich dauert beruflich zu tun habe. Ich merke, was diese Frau für unglaubliche Aggressionen und Ängste auslöst bei vielen.“ Für Frau Amann ist Merkel Teil des Problems.

Merkel als Teil des Problems

Für Trittin ist trotzdem alles klar, er ist lange genug dabei, Merkel wird die Kanzlerkandidatin der Union, sie wird auch als Parteivorsitzende nominiert werden. „Aber dann werden wir alles tun, zu verhindern, dass sie es wieder wird.“, sagt ausgerechnet Jürgen Trittin von den Grünen, die schon verzweifelt überlegen, wie sie an Seehofers böser CSU vorbei kommen auf den so pöstchenreichen Schoß der angebeteten multikulturellen Atomkraft-Nein-Danke-Kanzlerin.

Für Anwalt Höcker sieht die ideale Bundeskanzleramts-Besetzung so aus: Schäuble macht zwei Jahre, dann übernimmt Jens Spahn. Darüber kann Trittin nur müde lächeln. Er weiß um das bittere politische Geschäft. Und er mag einschätzen können, was so ein Herr Spahn am Ende wirklich reißen könnte – viel traut er dem Jungspund offensichtlich nicht zu.

Elmar Brok erinnert noch einmal beharrlich daran, das Frau Merkel in Europa von vielen als Stabilitätsanker begriffen wird. Gut, er mag andere Gesprächspartner haben als die einfache Frau und der Mann auf der Straße, jedenfalls jene, die eine Furcht vor dem Chaos noch nicht in die Arme der Chaosverursacherin getrieben hat, nur weil man sich an das Gesicht gewöhnt hätte.

Plasberg spielt ein Plakat ein von Konrad Adenauer, „Keine Experimente“ und fragt, ob man so einen Slogan nicht einfach mit dem Bild Angela Merkels versehen müsste, wenn man die nächste Wahl gewinnen will. Jetzt fragt man sich, ob der gute Herr Plasberg, der in den letzten zwölf Monaten ein paar ansehnliche Sendungen rund um die Flüchtlings- und Einwanderungskrise gemacht hat, man fragt sich tatsächlich, ob der Moderator Gedächtnisverluste erlitten hat. Denn, und da ist man dann ganz beim Anwalt in der Runde, wenn Angela Merkel für irgendetwas steht, dann ja wohl für das größte Experiment der Nachkriegszeit, nämlich für den Umbau einer ganzen Gesellschaft. Sollte ihr die Verschleierung wirklich so gut gelungen sein, das es einen Frank Plasberg zu so einem Unsinn verleiten kann? Wir erinnern uns: Die schwarz-grüne Katrin Göring-Eckardt rief angesichts der Millionen die Angela Merkel rief begeistert aus:

„Dieses Land wird sich verändern. Und es wird sich ziemlich drastisch verändern. Und es wir ein schwerer Weg sein, aber dann glaube ich, können wir wirklich ein besseres Land sein. Und daran zu arbeiten, das mit Begeisterung zu machen, die Leute mitzunehmen, auch die, die Angst haben (..) das ist eigentlich die historische Chance in der wir sind. Das ist wahrscheinlich sogar noch mehr als die deutsche Einheit, was wir da erreichen können. Was die Kanzlerin gemacht hat, ist eine große Idee davon, was es heißt, dieses Land neu zu denken. (…) Die Arbeitgeber scharren längst mit den Füßen und sagen: Wir brauchen diese Leute. (..)“

Elmar Brok versucht den Widerspruch aufzulösen: Angela Merkel ging nach vorne mit Zukunftsthemen. Aber Vorsicht, Herr Brok, angesichts solcher Sätze kommt der geneigte Zuschauer vielleicht auf eine ganz andere Idee: Nicht nur die Kanzlerschaft sollte zeitlich begrenzt werden, das selbe müsste auch für Abgeordnete der Parlamente gelten. Zum Glück, möchte man mit Erstaunen feststellen, ist da noch diese Frau Amann, die schnell einmal klarstellt, das sie gar nicht glaube, das die Deutschen mit Frau Merkel irgendeine Stabilität verbinden angesichts der Flüchtlingskrise. „Viele Leute wurden von Angela Merkel unangenehm überrascht“.

Brok – und jetzt wird’s lustig – erinnert die Spiegel-Journalistin dann, das es doch ihr Blatt gewesen sei, das Merkels „Wir schaffen das!“ so begeistert begrüßt hätte. „Korrigieren sie sich doch dann auch, dass sie falsch lagen!“ Aha, die CDU glaubt also in Gestalt von Herrn Brok, das man mit einem „Wir schaffen das!“ falsch lag? Oder spricht er hier quasi mit der Stimme von Frau Amann? Nun erinnert Plasberg, kein Witz, daran, dass es doch nicht nur der Spiegel gewesen sei, der „Wir schaffen das!“ proklamiert hätte. Also wenn nun schon Merkels „Wir schaffen das!“ an der Teflonkanzlerin abprallt, als hätte sie kein Copyright darauf, dann fragt man sich tatsächlich, was diese Gesprächsrunde überhaupt für einen Sinn machen soll.

Keiner will’s geschaffen haben

Als es dann allzu betulich wird, erhöht Jurist Höcker den Druck und erklärt, die Grenzöffnung von Frau Merkel für rechtswidrig. Als Zuschauer kann man an der Stelle nur Schätzungen abgeben, wie viele AfDler zuvor in dieser und anderen Talkshows viel früher genau das selbe erklärten und dafür in die rechte Ecke gestellt wurden wie Aussätzige. Für Höcker hat Merkel damit gegen das Grundgesetz, gegen EU-Recht und gegen einfaches Recht in Deutschland verstoßen. Das sei auch undemokratisch, denn sie hätte dafür kein demokratisches Mandat. Letztlich sei das auch unethisch gegenüber denen, auf die sie einen Eid geschworen hat. Holla – soll sich der Zuschauer an der Stelle fragen, ob Angela Merkel eine undemokratische eidbrüchige Kriminelle ist?

Posener ergreift das Wort: Rechtlich sei es tatsächlich nicht richtig gewesen. Für Alan Posener war/ist die Kanzlerin also rechtsbrüchig? Es wird immer besser. Oder nein, er rudert zurück, wenn er nachsetzt: „Die Kanzlerin steckte in einem moralischen, in einem ethischen Dilemma. Die vorhergehende Asylgesetzgebung war unethisch, weil sie die gesamte Bürde den sogenannten Drittstaaten auflastet.“ Na, Herr Posener, das ist mal interessant, hoffentlich hört das Herr Erdogan in der Türkei nicht. Denn der möchte auch gerne das eine oder andere Gesetzchen um- und übergehen. Sie liefern ihm hier genau die Blaupause, die er braucht. Es braucht also nur eine moralisch-ethische Begründung und über den dazugehörigen Rechtsbruch entscheiden die Regierenden dann einfach selbst und nicht mehr die Gewaltenteilung in all ihrer Balance und Ausgewogenheit? Warum dann nicht gleich ein humanitär begründetes Ermächtigungsgesetz? Ja, weiß der gute Mann nicht mehr, was er redet?

Humanitär begründetes Ermächtigungsgesetz

Höckers Beitrag war auch für Trittin einer zu viel. Der Grüne meint nun, „man muss der Wahrheit mal ins Auge gucken.“ Die Flüchtlinge seien nicht hierher gekommen, weil Frau Merkel sie eingeladen hat. Da kann er nun noch so energisch den manikürten Finger in die dünne Studioluft stoßen, es bleibt doch nur seine hocheigene Wahrheit. Und eine recht komfortable Bewerbung für Schwarz-grün. Da kann selbst Plasberg nicht mehr zwischen gehen. Auch ein „Nun halten Sie mal die Luft an.“ verpufft am grünen Wüterich für Frau Merkel. Ach schön, ab und an mal wieder wie früher im Fernsehen die Sau rauslassen, mal wieder grüner Parteitag 1980. Er hat es noch nicht verlernt. Es bleibt allerdings so unangenehm wie es eine 60+ Party in der örtlichen Stadthalle wäre. Und er verrät sich auch, als er zum Schluss seines Furors für den Bruchteil einer Sekunde über sich selbst und seinen Jugendanfall grinsen muss. Gut allerdings seine Feststellung, das „unsere Partner“ England und Frankreich in Libyen die gesamte Staatlichkeit zerstört haben. „Wer ernsthaft erzählt, das aus dieser Region Flüchtlinge ohne Grund hierherkommen, ich finde, der übertreibt.“

Wer will ihm da widersprechen. Höchstens vielleicht mit der Frage, wo den die deutsche Grenze zu Libyen wäre. Aber damit ist man dann wieder bei der Kontingentverweigerung der allermeisten EU-Staaten.

Brok erzählt von seiner Arbeit in Brüssel und der konsequenten Verweigerung dort, „seit 15 Jahren“ etwas Sinnvolles für den Grenzschutz zu tun. Schöne Frage von Plasberg an Höcker: „Ist die CDU eine Partei von Scheinheiligen, die vorne klatschen für Frau Merkel und hinten tuscheln?“ Höcker erinnert nochmal daran, das Frau Merkel intern so argumentiert hätte, das man doch die Binnengrenzen öffnen könne, da man ja die Außengrenzen schütze. Er drückt es nun höflich aus: „Dann hat sie eben unter einer falschen Voraussetzung die Binnengrenzen geöffnet.“ Schön zu beobachten die Blickachse Brok-Trittin über den jüngeren Höcker hinweg. Das sehen die zuschauenden Wähler allerdings auch. Damit wird doch ein viel klareres Bild vermittelt als in hundert empört vorgetragenen Sätzen: Wir tun nur so, in Wahrheit opponieren wir nur gegen die, die von außen an unsere Abgeordneten-Fressnäpfe wollen. Die Grenzen rund um die fetten Diäten im Reichstag scheinen jedenfalls noch die am besten geschützten der Republik zu sein.

Frau Amann meint nun zu wissen, das die CDU seit Monaten das komplette Rollback der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel betreibe. Warum Höcker nicht in der Partei Politik mache, anstatt sie von außen hineinzutragen. Eiskalt lächelnd fragt sie, wann er denn zuletzt Plakate geklebt hätte. OK, wer so lange aus Berlin berichtet wie Amann, der sollte eigentlich wissen, wie die angespitzten Ellenbogen in den Parteien funktionieren, der sollte sich erinnern, das man nur über Öffentlichkeit Gehör als Quertreiber findet. Und Höcker hatte es ja eingangs erwähnt: Er strebt kein Parteiamt mehr an. Noch frecher: Höcker würde hier agieren wie die Greise bei der Muppet Show. Das ist böse. Man stelle sich nur mal vor, ein Mann hätte sich einen Witz über irgendwelche alten Schachteln auf Kosten der anwesenden Dame einfallen lassen.

Empörung auf Knopfdruck

Nun wieder Empörungs-Trittin, der erregt erzählt, dass die Bundesregierung gerade mit der schlimmsten Diktatur, die es in Afrika gäbe, mit dem Machthaber in Eritrea, verhandelt über die Rücknahme von Flüchtlingen. Aber auch der Ägypter sei ein Diktator mit seiner Militärdiktatur. Auch dorthin könne man eigentlich keine Flüchtlinge zurückschicken. „Wenn Sie versprechen, was sie rechtlich und politisch nicht halten können, wird am Ende Herr Höcke der Sieger sein und nicht Herr Höcker.“, sagt Trittin über Höcker hinweg Richtung Brok.

Posener lustig und fast ein bisschen kleinlaut gegen Trittin: „Entschuldigung, können wir die moralische Empörung mal ein bisschen zurückfahren?“ Dann erinnert er daran, dass die Idee Lager in Afrika einzurichten ja wohl zu allererst von Otto Schily stammen würden. Diese Diskussion hätte man vor zwölf Jahren schon geführt. Recht hat er, der Herr Posener. Und das alles spiegelt natürlich noch einmal mehr die Unfähigkeit der Merkel-Regierung, Probleme zu lösen. Aber war Alan Posener nicht der, der vorhin noch Frau Merkel alternativlos nannte? Na klar. Also man meckert, man lamentiert, man diskutiert, man schwätzt und am Ende alles doch nur Schattenboxen und warme Luft. Die Damen und Herren sollen doch bitte nicht glauben, ein bisschen Trittin-Erregung sei nun ausreichend, dieses Spielchen zu verschleiern, die Zuschauer sind ja nicht blöde.

Fazit: Frank Plasbergs Stuhl wackelt nicht. Bei aller möglichen Kritik, der Mann versteht mittlerweile sein Handwerk. Frau Amann hat sich an diesem Abend besonders gut verkauft. Herr Höcker empfahl sich perfekt für kommende Talkshows. Herr Brok, na ja … Und Herr Trittin ist der Alte geblieben, was immer das nun bedeuten darf. Fehlt noch einer? Ach ja, Herr Posener, der hatte die geringste Redezeit, aber es fiel gar nicht weiter auf.

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