Tichys Einblick
Waffenexpertin Major attackiert Laschet

Bei Miosga: Krieg und Kindergärtner-Vibes

Bei Miosga will der ehemalige CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet mit Besonnenheit glänzen. Dabei bekommt auch Friedrich Merz sein Fett weg. Und Waffenexpertin Claudia Major legt einen bemerkenswert unsympathischen Auftritt hin. Von Michael Plog

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Screenprint: ARD / Miosga

Man ist von Claudia Major ja wirklich einiges gewöhnt. Die 48-jährige Kriegsexpertin, Forschungsgruppenleiterin für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik, stellt das deutsche Talkshowpublikum immer wieder vor die Frage: Warum erklärt uns eigentlich dauernd eine Frau den Krieg, wenn Männer doch bitteschön nicht über Schwangerschaftsabbrüche reden sollen? Worin genau besteht ihre Expertise? Sie war nie an der Front. Sie hat nicht gedient. Was weiß sie, was wir alle nicht wissen? Was weiß sie darüber, wie man junge Menschen, die sich nicht kennen, dazu bringt, sich gegenseitig zu beschießen? Vom grünen Tischtuch aus.

Bei Miosga sind Armin Laschet und ein Stern-Redakteur ihre Opfer. Major rollt gleich mit dem schwersten Geschütz aufs Schlachtfeld: Überheblichkeit. Laschet hat gerade versucht, beim Thema Ukrainekrieg den Besonnenen zu geben. Er macht keinen Hehl daraus, dass er sich über den neuen Wind freut, der nach der Wahl Donald Trumps aus Washington herüberweht. Dass der Ukrainekrieg möglicherweise bald ein Ende haben könnte. „Eins ist klar: Trump wird diesen Krieg beenden“, sagt Laschet. Major behauptet stattdessen: „Dass dieser Krieg mit Verhandlungen enden wird, ist ja nun wirklich keine Überraschung. Darüber reden wir seit drei Jahren.“ Laschet hält es nicht im Sitz. Er geht dazwischen: „Jeder hat gesagt: Bloß das Wort Verhandlungen nicht in den Mund nehmen.“ Major bleibt trotzig: „Nee, das stimmt nicht.“ Aber Laschet appelliert an ihr Kurzzeitgedächtnis: „‚Bis zum Sieg kämpfen!’ Das ist vier Wochen her in Deutschland.“

Nun weiß jeder halbwegs leidensfähige Talkshow-Zuschauer, dass Laschet Recht hat. Doch Major lässt das nicht gelten. Sie greift zu den Waffen einer Frau, Typ Kindergärtnerin. Sie legt dem gestandenen CDU-Mann, ehemaliger Ministerpräsident, ehemaliger Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender, allen Ernstes die Hand auf den Arm und flüstert mit gespitzten Lippen, so als habe sie einen dreijährigen Zappelphilipp am Wickel: „Lassen Sie mich ausreden?“ Laschet ist zu höflich, diesen Anfall akuter Selbstüberschätzung irgendwie zu parieren.

Es sind solche Fremdscham-Momente, die den Zuschauer ein ums andere Mal an der Gästeauswahl deutscher Talkshows (ver-)zweifeln lassen. Während auf Twitter/X die ersten Kommentare aufpoppen, Laschet sei möglicherweise der bessere CDU-Kanzlerkandidat als Merz und andere bedauern, dass er damals so dämlich gelacht hat (was ihn im Ahrtal die Kandidatur kostete), singt Claudia Major weiter das Hohelied vom Krieg.

Auch der Osteuropareporter des untergehenden Magazins „Stern“ kann sie nicht stoppen. Moritz Gathmann berichtet, dass jüngsten Umfragen zufolge „der Anteil der Ukrainer, der bereit ist, eben doch für Frieden irgendwelche Kompromisse einzugehen, wächst“. Ein Drittel, so Gathmann, sei mittlerweile derart kriegsmüde und sehne sich nach Frieden. Major aber bleibt kriegswach und trotzig: „Ein Drittel ist aber nicht die Mehrheit!“, schurigelt sie ihn. Das hatte Gathmann allerdings auch gar nicht behauptet. Später, als er von „Rüstungsausgaben“ spricht und es wagt, die Ukrainehilfen dem Bundeswehretat zuzurechnen, korrigiert Sie ihn wie in einer Nachhilfestunde: Es gehe „um Verteidigung, nicht um Rüstung. Das ist etwas Anderes!“

Gathmann lässt sich das alles gefallen. Mehr noch: Wenn er spricht, schaut er meistens Claudia Major an, manchmal auch Miosga, aber so gut wie nie Armin Laschet. Dabei liegt alles, was er sagt, auf Laschets Linie: „Im letzten Winter war die Ukraine ein depressives Land. Das war der absolute Tiefpunkt. Und seitdem hat sich die Stimmung auf sehr niedrigem Niveau eingependelt.“ Auch für Gathmann scheint das Ende des Krieges nurmehr eine Frage von Wochen zu sein: „Ein Glaube an den Sieg ist nur noch bei sehr wenigen Leuten zu finden.“

Miosga bezweifelt, dass Putin zum Frieden bereit wäre: „Kann man mit jemandem verhandeln, der Maximalforderungen aufstellt?“, will sie von Laschet wissen. Der antwortet knapp: „Na, Sie werden es ja ab 20. Januar sehen, dass man’s kann.“ Von den europäischen Ländern erhofft sich Laschet dabei mehr Einigkeit. Warum etwa der französische Staatspräsident Emanuel Macron und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz jeweils allein in die Ukraine gereist seien, warum sie separat mit Putin telefonierten, statt gemeinsam aufzutreten, kann er nicht nachvollziehen. Und dass bei der feierlichen Wiedereröffnung der Kathedrale Notre Dame ausgerechnet der deutsche Bundeskanzler gar nicht eingeladen war, sei ein weiteres Zeichen. Laschet: „Frau Meloni war da und der italienische Staatspräsident. Der österreichische Bundeskanzler war da.“ Laschet sieht deutliche Defizite im Verhältnis der beiden Länder: „Das Deutsch-Französische, was jetzt so wichtig wäre, ist in einem schlechten Zustand. Dem Bundeskanzler scheint dieses deutsch-französische Verhältnis nicht so wichtig zu sein, wie es noch bei Gerhard Schröder und auch bei Helmut Schmidt war. Und das ist schade.“ Merkel erwähnt er nicht.

Dass der Kanzlerkandidat seiner Partei immer noch auf der Welle namens „Die Ukraine muss siegen, und Russland muss verlieren“ rollt, kommt bei Laschet gar nicht gut an. Nachdem Miosga Friedrich Merz mit diesem Zitat hat einspielen lassen, sagt Laschet nur knapp: „Ich würde so einen Satz anders formulieren. Ich habe gesagt: Russland darf nicht gewinnen.“ Das sei durchaus etwas anderes. Auch Gathmann hat für die Merz-Aussage nur wenig übrig: „Das sind Floskeln, die ich nicht mehr hören kann.“

Der Waffenfachfrau Claudia Major gibt Laschet gleich noch einen mit: „Ich wollte die Legendenbildung etwas relativieren, dass in Deutschland seit Monaten jeder über Verhandlungen redet. Wer gesagt hat ‚Lasst verhandeln!‘, wurde sehr schnell in die Ecke ‚Putin-Troll, Putin-abhängig, Du relativierst den Krieg’ gedrängt. Jetzt, wo Selenskyi das sagt und die neue amerikanische Präsidentschaft droht, reden plötzlich alle so, als wäre das schon immer unsere Meinung gewesen.“ Laschet lobt die Initiative des designierten US-Sonderbeauftragten Keith Kellogg. Der fordere von der Ukraine Verhandlungsbereitschaft und sichere ihr zugleich die notwendige militärische Unterstützung zu, damit auch Russland verhandlungsbereit werde. Das schließe dann allerdings auch die Lieferung deutscher Taurus-Langstreckenwaffen ein. So viel zum Thema Besonnenheit.

Claudia Major spielt wie immer in solchen Momenten die Souveränitätskarte aus. Und das, obwohl sie mit schlauen Tipps Richtung Kiew für gewöhnlich nicht hinterm Berg hält. „Ich glaub‘ erstmal, dass das ‘ne Entscheidung der Ukraine ist, ob sie das machen wollen, und dass wir nicht in unseren warmen Stuben in Deutschland entscheiden, wer da jetzt was zu machen hat.“ Damit kritisiert sie also genau das, was sie selbst seit drei Jahren in jedem warmen Talkshow-Studio zelebriert. Dass sie zu dem Menschen gehört, die beim Sprechen ständig nach oben rechts in die Luft schauen, darüber haben Mimik-Forscher und Experten für Körpersprache übrigens einige interessante Theorien entwickelt.

Den designierten US-Präsidenten Donald Trump bezeichnet Major im Vorbeigehen als quasi geisteskrank. „There is no method to madness – Es gibt keine Methode, um mit Verrücktheit umzugehen. Ich weiß nicht, was er machen wird.“

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Dass es bereits kurz nach Kriegsbeginn Verhandlungen um einen Friedensvertrag gab, den der britische Premierminister Boris Johnson höchstpersönlich unterbunden haben soll, kommt auch in dieser Sendung wieder nicht zur Sprache.

Laschet kritisiert stattdessen die „Tonlage“ des Bundeskanzlers beim Thema Taurus. Er möchte Olaf Scholz „bitten, das zu lassen, jetzt daraus einen Friedenswahlkampf zu machen. So, als wenn einer der Einzige wäre, der den Frieden sichert“. Major holt sofort wieder die Kindergärtnerin heraus: „Aber darüber reden wir grad nicht.“ Diesmal ist es Laschet zuviel: „Da reden wir sehr wohl drüber, Frau Major. Da rede ich gerade darüber, wie Sie ja hören.“

Am Ende bleibt die interessante Erkenntnis: Eine Frau, die sich nicht einmal in einem Gespräch durchsetzen kann, will uns erklären, wie man eine Atommacht bezwingt. Ganz schön mutig.

Oder eben auch nicht. Am grünen Tisch…

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