Tichys Einblick
Eine Stunde Angst vor Putin

Bei Miosga: Joschka Fischer gräbt das Kriegsbeil aus

Joschka Fischer bei Caren Miosga. Ein Interview wie eine Andachtsstunde. Sie behandelt den grünen Ex-Außenminister so ehrfurchtsvoll wie einen alten, weisen Indianer. Doch der Weisheit letzter Schluss fällt eher dürftig aus. Er lautet: Putin will Krieg gegen alle. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Sie redet langsam, versucht Schwermut und Weltschmerz in jede Frage zu legen. Wenn Caren Miosga den ehemaligen grünen Außenminister Joschka Fischer befragt, soll wohl etwas Präsidiales durch den Raum wehen. Das gelingt nur mittelmäßig. Denn leider sitzt er so da, dass jeder Grünen-Schluffi neidisch würde. In T-Shirt, Jeans, bleichem Sakko und orthopädischen Stiefeletten erinnert er an den Beginn seiner politischen Karriere, als er 1985 als erster Turnschuhminister Deutschlands in die Geschichte einging. Die Weisheit des Alters, so es sie denn gibt, dürfte vermutlich anders aussehen. Und wenig Weisheit spricht aus den Worten von Großer Grüner Bruder.

Viel zu sagen hat er ohnehin nicht. Fischers Redebeiträge reduzieren sich auf ganz wenige Thesen. Die Wichtigste: Europa ist jetzt ganz allein und völlig auf sich gestellt. Die Amerikaner verweigern uns die Freundschaft, und wir müssen uns ganz dringend gegen Putin wappnen.

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Häuptling Hau-drauf buddelt nach dem Kriegsbeil. „Wir haben im Osten ein imperiales Russland, das mitnichten daran denkt, die Aggressionen gegenüber Nachbarn einzustellen“, klagt er, und: „Was wird denn geschehen wenn er (Putin) sich durchsetzt? Wird er aufhören? Nein! Er wird weitermachen, weiter westlich.“

Was dagegen hilft? „Drei Dinge“, sagt Fischer. „Europa, Europa, Europa. Was denn sonst?“ Denn: „Trump zerstört mutwillig die Welt, in die ich hinein geboren bin.“ Old Schnattermund stimmt das große Klagelied an: „Demokratie wird ohne die USA schwächer.“ Deshalb hat er einen Leitsatz: „Man sollte immer vom Schlimmsten ausgehen.“ Na, damit ist er bei einer Miosga ganz richtig. Friedenspfeifen sind hier ständig alle.

Stattdessen: Feuertanz! Wie wäre es denn mit einer Wehrpflicht? Die Diskussion dazu ist in vollem Gange. Miosga lässt eine Umfrage unter Schülern einspielen, die sich zu 83 Prozent dagegen aussprechen; in den Redebeiträgen kommen allerdings hauptsächlich zustimmende Schüler zu Wort. Und Fischer? Der hat offenbar die ganze Diskussion überhaupt nicht mitbekommen. Zur allgemeinen Überraschung sagt er: „Ich finde, diese ganze Debatte hat einen entscheidenden Irrläufer. Es ist niemand, der hier der Meinung ist, wir brauchten wieder Wehrpflicht.“ Miosga wirft ein: „Die Jugendlichen machen sich darüber Gedanken.“ Fischer: „Ja, aber es ist Wladimir Putin!“ Häuptling Schmale Sandale spricht in Rätseln.

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Fischer, der einst den Wehrdienst verweigert hätte, wenn er nicht ohnehin wegen schlechter Augen untauglich gewesen wäre, drückt sich um eine Antwort, ob er wohl heute zur Bundeswehr ginge. „Ich habe die Überzeugung, das Bewusstsein eines 77-Jährigen. Es fällt mir schwer, die Zeitreise zurück anzutreten und eine ehrliche Antwort zu geben.“ Vom Zeit-Redakteur Hauke Friederichs für diese Finte kritisiert, beeilt er sich aber zu betonen, dass er heute nicht mehr verweigern würde. Denn er erlebe „eine Entwicklung, die ich mir selbst hatte nicht träumen lassen. Dass ich mal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sitze, für Wehrpflicht für Bewaffnung et cetera argumentiere.“

Bei Friederichs ist es anders herum: Er selbst war beim Bund, würde heute allerdings eher verweigern. Die Bundeswehr sei einfach zu unattraktiv und ineffizient, sagt er. Keine Waffen, keine Munition, keine ordentliche Unterbringung der Soldaten. Wie lange die Armee Deutschland verteidigen könne, will Miosga wissen. „Drei Tage. Dann sind wir leergeschossen bei einzelnen Systemen. Blanker als blank trifft es einfach.“ Zum Glück sei es aber nicht eilig. Erst 2029 sei Putin in der Lage uns anzugreifen. Hätten ja alle ausgerechnet, BND und so. Die ganzen Experten.

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Fischer ist derweil dafür, Taurus-Raketen in die Ukraine zu liefern. „Wir sollten alles tun, um die Souveränitiät der Ukraine bewahren zu können.“ Auch europäische Friedenstruppen befürwortet er. Wenn die großen europäischen Länder dabei sind, „dann sollten wir nicht abseits stehen“.

Was aber, wenn die USA nicht mitziehen? Jana Puglierin von der Denkfabrik „European Council of foreign relations“ warnt vor einem europäischen Alleingang, denn „eine der Absichten, die Putin immer noch hat, ist, die Nato zu spalten. Wenn Putin das testet, was wäre dann die Reaktion darauf?“

Fischer weiß es schon: „Wenn Putin das testet, dann wäre das das Ende der Nato.“ Und deshalb: „Europa wird die große Herausforderung. Um der russischen Bedrohung gerecht werden zu können. Nur gemeinsam haben wir eine Chance.“

Friedrich Merz, der möglicherweise noch immer der nächste Bundeskanzler werden könnte, empfiehlt Fischer eine „gewisse Geschmeidigkeit“ im Umgang mit Trump. Ein gutes Verhältnis zu den USA sei entscheidend. „Wir sollten aktiv nichts machen, was diese Bande zerstört. Wir sollten das mit Gelassenheit nehmen.“

Gelassenheit. Ein ziemlich großes Wort in einer ziemlich kleinen Sendung.


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