Europa sei eine Rechtsgemeinschaft, stellt irgendwann Alexander Graf Lambsdorff von der Lindner-Partei doch recht keck fest, und er glaubt das wohl wirklich. Derzeit kläre ein Gericht, ob das mit der Zwangsverteilung von Flüchtlingen (nicht AGLs Formulierung) in Ordnung geht. Ja, sagt Peter Györkös, der ungarische Botschafter, die Klärung erfolgt, weil die Ungarn vor Gericht gegangen sind. Woraus man schon lernen kann: Was immer die Ungarn machen, ist zwar richtig, aber europäisch verkehrt.
Traumpartner vor Gericht
Das ist die eine Ebene. Die einstigen europäischen Traumpartner liegen vor Gericht, erpressen sich mit Zahlungsverweigerungen, lassen sich gegenseitig im Stich. Seit Angela Merkels großzügiger Einladung an Arabien und Afrika, in die europäischen (vornehmlich deutschen) Sozialsysteme einzuwandern, steht das große EU-Projekt vor dem unvermeidlichen Crash. Mittlerweile wird offen zugegeben, dass unter dem Wort „Flüchtling“ so ziemlich jeder subsumiert wird, der in Europa anlandet. Inklusive Terroristen. Uuups!
Die neuen Zauberworte heißen nun „in den Herkunftsländern helfen“, und sie sind so schwammig wie der Flüchtlingsbegriff. Gerd Müller, der Entwicklungsminister, scheint in letzter Zeit noch häufiger unterwegs gewesen zu sein als die Kanzlerin. Fast jedes Flüchtlingslager in Afrika und Arabien kennt er persönlich, und er hat einen tollen Plan: 10 Milliarden jährlich für Krisenländer. Sein Ministerium hat nur lumpige 1.000 Millionen zur Verfügung, da kann man nicht viel machen. Ganz schlimm sei es in Libyen, wo Gangsterbanden Afrikaner wie zu Zeiten des Sklavenhandels in KZs stecken, misshandeln und nur gegen Lösegeldzahlungen freilassen. Oder in die Schlauchboote Richtung Europa setzen, gegen Schleusergebühren, versteht sich. Hatte Gaddafi nicht genau das vorhergesagt?
Fakten? Stören, wenn das Herz wild fordert
Ach, lassen wir die Fakten beiseite. TV-Diskussionen zu solch einem Thema haben immer etwas von Religions-, Ethik-, Sozialkunde- oder Deutschunterricht der Mittel- bis Oberstufe. „Zeigen Sie auf, wie Afrika geholfen werden kann. Machen Sie deutlich, warum die AfD keine Lösungsansätze hat.“ Da haben wir endlich nach zweitausend Jahren die Kirchen halbwegs in ihre Schranken verwiesen, nur damit jetzt die Pharisäer uns schlimmer heimsuchen als früher die Betbrüder, als nur einmal im Jahr Misereor sammeln kam.
Er weiß sogar, dass die Europa-Grenzen durchaus geschützt werden könnten (was weder Merkel noch von der Leyen, noch de Maizière bislang wissen), aber wer will „den jungen Leuten, die hier im Publikum sitzen, in die Augen sehen“ und sagen, wir lassen niemanden mehr rein? Der sympathische Ungar Peter merkte da an, er könne den jungen Leuten durchaus in die Augen sehen, und ihnen erklären, dass alle Probleme der Welt nicht in Europa gelöst werden können. Ohne Ungarn wären 2015 zudem nicht eine Million gekommen, sondern vier Millionen.
Der Teufel trägt Prada
Irgendwie ging es dann um Afrika, das jedes Jahr um 80 Millionen Menschen wächst, und selbst Gerd Müller schwant, dass das Problem nicht gelöst wird, selbst wenn wir jedes Jahr eine Million Menschen aus Afrika aufnehmen, oder fünf Millionen. Österreichs Verantwortliche sind bei der Erfassung der Probleme irgendwie weiter als unsere Strategen. Elisabeth Köstinger von der ÖVP, deren Spitzenkandidat, Außenminister Sebastian Kurz, die Balkanroute schloss und vehement auf Abschiebung abgelehnter Asylbewerber drängt, umschiffte das moralinsaure Geschwurbel geschickt mit Aussagen wie „Es ist entscheidend, welches Signal wir aussenden“ (also keine Merkel-Selfies), oder „illegale Migration führt zu Schlepperkriminalität und Todesopfern im Mittelmeer“. Der Teufel trägt Prada.
Gerd Müller, Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, gehen seine zahllosen Reisen von Lager zu Lager schwer an die Nerven. Das Mittelmeer dürfe kein „Meer des Todes“ werden, rief er aus. Statt Rüstungsausgaben von 2% will er 3% für Entwicklungshilfe. Das ist nobel, aber schon die bisherige Hilfe versickert in dunkelsten Kanälen, also lassen wir das Thema hier weg. Aber wir wollen den Müller Gerd nicht einfach wegputzen. Wenn „eine Million Flüchtlinge uns 30 Milliarden im Jahr“ kosten, hätte man das Geld durchaus im Vorfeld effizienter anderswo präventiv einsetzen können. Dann klagt der Müller von der CSU, die auch nicht mehr das ist, was sie war: Wo sind Russland, China und die arabischen Staaten bei der Welthungerhilfe? Ja wo? Wir wissen es doch auch nicht.
Genauso wenig wie Melissa Fleming vom UNHCR, die mit US-Akzent darauf hinweist: „Deutschland hat einen humanen Ruf in der Welt. Und Deutschland braucht Zuwanderung.“ Zuallererst braucht Deutschland aber wohl einen Innenminister, der für Ordnung sorgen kann und einen Justizminister, der für Rechtssicherheit sorgt nach den Skandalurteilen der letzten Wochen.
Heute jedoch ging es nur ums Religiöse. Amen.