Verliert Merkel alle Landtagswahlen, steht Schäuble bereit. Er ist zwar objektiv kein neues Gesicht. Aber das ist Schulz objektiv auch nicht. Wechselt die Union ihren Kanzlerkandidaten, verliert Schulz seine einzige Stärke - Merkel.
Wolfgang Schäuble ist bereit für den Fall der Fälle. Geht es um den Machterhalt der CDU, plant sie vorausschauend. Eine Eigenschaft, die sie – wie alle Parteien – bei der Aufgabe Politik für Land und Leute stets vermissen lässt.
Die Frage der Fragen stellte Frau Maischberger Herrn Schäuble zum Schluss: 1998 haben Sie Helmut Kohl gesagt, mit Dir gewinnen wir nicht. Müssten Sie das Gleiche heute nicht Angela Merkel sagen?
Ich verfolge Maischberger und die anderen TV-Talk-Runden nur sporadisch. Zum Glück machen das Stephan Paetow und Alexander Wallasch. Die können darüber auch besser schreiben als ich. Trotzdem behaupte ich, seit langem hat niemand dort eine bessere Frage gestellt.
Zwillinge Merkel & Schulz
Wie anders hätte Schäuble antworten sollen, als den Anschein zu erwecken, Merkel sei in dieser Lage die richtige, wenn nicht beste Kandidatin. Maischberger hätte nachfassen und Schäuble sagen sollen, so wie Sie nun Merkels Kandidatur rechtfertigen, hat Kohl damals seine Kandidatur begründet. Aber andererseits war das auch nicht mehr nötig. Mit der Parallele zu 1989 hat Maischberger Schäubles Kanzlerkandidatur in Reserve ausgerufen. Und Schäubles Antwort schloss nichts aus. Das war ja wohl auch der Sinn der Sendung. Warum sonst sollte Schäuble das Privileg zuteil werden, das normaler Weise nur Merkel bei Anne Will als Ansprache an die Nation gegeben wird – anstelle des früher üblichen Berichts zur Lage der Nation im Parlament? (Und Schulz erst nach Nominierung.)
45 Jahre lang im Bundestag, Kronprinz bei Kohl, Verhandlungsführer beim Wiedervereinigung genannten Anschluss der DDR an die Bundesrepublik und so weiter: einen erfahreneren Politiker als Schäuble hat das Land nicht. Dass er alle Finten kennt und jeden Hieb wie im Schlaf pariert, nur wichtige erwidert, macht den Mann zur Fleet-in-being für jede ungewöhnliche Seeschlacht.
Die Stärke von Schulz ist Merkel
Verliert die CDU die Landtagswahlen vor der Bundestagswahl noch krachender, als Merkels Büchsenspanner ohnedies befürchten, tut sie das des tief sitzenden und weitverbreiteten Überdrusses an Angela Merkel wegen. Unglaublich schnell und umfassend wirkt es, wenn ausreichend viele Medien und Journalisten ein Gesicht nicht mehr sehen wollen. (In Leserkommentaren und bei Social Media gibt es unglaublich viele, die sagen, wenn ich Merkel anders nicht los werden kann, dann wähle ich eben Schulz, obwohl ich von der SPD nichts halte.) Dieses Motiv des Überdrusses wird bis zu den bevorstehenden Landtagswahlen alles überschatten und sie zu Probeabstimmungen für die Bundestagswahl machen. Zu einer Art Vorwahl über die Kanzlerkandidaten Merkel und Schulz. Verliert Merkel, steht Schäuble bereit. Er ist zwar objektiv kein neues Gesicht. Aber das ist Schulz objektiv auch nicht. Wechselt die Union ihren Kanzlerkandidaten aus, verliert Schulz seine einzige Stärke, die heißt Merkel.
Schäuble wäre mit einem mal die Nachricht von heute, Schulz die von gestern. Die Ausrufung des Kanzlerkandidaten der Union in Reserve fand heute früh kurz vor 01:00 Uhr statt, nachdem die ARD gestern den Fußball bis heute um 00:30 Uhr ausdehnte. Eine Nacht-und-Nebel-Aktion? Wohl nicht, sondern einfach nur die Rangfolge von Fußball und Politik. Aber für die Ausrufung eines Kanzlerkandidaten der Reserve eine passende Stunde.