Tichys Einblick
Absurde Vergleiche

Bei Maischberger: Pistorius, Parität, „kleine Paschas“ und Lützerath

„Die Politiker müssen Kompromisse machen, die Protestierenden müssen das nicht. Das hat mir sehr gut gefallen, was die da gemacht haben und deswegen finde ich das auch gut, dass die Grüne Jugend dahin gegangen ist … das ist der Turbo der Grünen, die können das nächste Mal noch besser verhandeln.“ Sagt Jürgen Becker und Maischberger lacht wie zu jedem Unsinn ihrer Talkshow.

Screenprint ARD / Maischberger

Christine Lambrecht gibt auf. Nach einer kurzen Amtszeit und unzähligen Pannen, wie dem Helikopter-Mitflug ihres Sohnes und dem peinlichen Silvestervideo, war sie unhaltbar geworden, selbst für das Kabinett Scholz unerträglich. Sie geht und der neue Verteidigungsminister steht fest: Boris Pistorius. Boris wer? Bislang eher als niedersächsischer Schlagzeilenpolitiker, aber nicht als Verteidigungspolitiker bekannt. Aber darum geht es gar nicht.

Das Problem an Boris Pistorius ist aber nicht mangelnde Kompetenz, sondern sein Geschlecht. Maischberger erinnert in ihrer Sendung an das Versprechen Scholz’, im Kabinett Parität einzuhalten, doch dieses Versprechen werde mit der Wahl von Pistorius einfach gebrochen. Die SPD hat sich damit selbst auf die Füße getreten und für den Fall eines Rücktritts nicht gut genug vorbereitet. Kompetenz muss weiter hinter Quote zurücktreten; was für eine Botschaft in kriegerischen Zeiten, in denen es um Krieg oder Frieden geht: das falsche Geschlecht!

Auf die Frage Maischbergers, ob die neue Personalwahl gut wäre, meint Kabarettist Jürgen Becker, dass sich Pistorius noch nie mit der Bundeswehr beschäftigt hätte, woraufhin Maischberger entgegnet, dass dieser doch gedient hatte. Man möchte meinen, dass das schon einmal ein Indiz dafür ist, dass er sich mit der Bundeswehr schon mal in seinem Leben „beschäftigt“ hat. Und das ist bei diesem Kabinett schon viel, vor allem wenn man bedenkt, dass Lambrecht zu Beginn ihrer Karriere den Unterschied zwischen einem Oberleutnant und einem Oberstleutnant nicht kannte. Das wird man seinerzeit Pistorius eingebimst haben. Die Autorin Jagoda Marinic findet, dass im Sinne der Parität Eva Högl eine gute Wahl gewesen wäre, und sieht in der Wahl von Pistorius eine Art verschwörerisches „Männerbündnis“. Da ist sie wieder, die Quote, die alles schlägt

Will, Restle, Gebel, Kindler
Lambrecht ist politisch erledigt – die Paritätsidee lebt weiter
Kevin Kühnert (SPD) begründet dies aber mit der Dringlichkeit, schnell einen Nachfolger für Lambrecht finden zu müssen. Auch nicht gerade ein Kompliment für Pistorius, wenn der Bundesgeschäftsführer seiner Partei ihn als Notnagel abwertet. Es sei ein längst überfälliger Schritt, dass Lambrecht geht, relativiert Mario Czaja (CDU) den Zeitdruck und sieht auch schon den Nächsten gehen: Karl Lauterbach. Völlig zurecht erinnert er hierbei an die immer deutlich werdende Inkompetenz unseres Bundesgesundheitsministers, der zuletzt Schwierigkeiten hatte, wichtige Kinder-Medikamente zu besorgen. Kommt an dessen Stelle eine Frau? Lauterbach als Opfer der Quote, das hätte Charme.
Die Paschas von Berlin und  Lützerath

Der Satz mit den „kleinen Paschas“ von Friedrich Merz hat sich bei einigen Teilnehmern wohl tief ins Gedächtnis gebrannt; die Nebenbemerkung muss getroffen haben. So sagt Jürgen Becker, dass dieser Ausdruck klar „rassistisch“ einzuordnen ist. Jagoda Marinic lenkt in der Diskussion auf die Silvester-Krawalle und unterstellt Merz, dass er im Hinblick auf die Migrationsdebatte von „kleinen Paschas“ spricht, allerdings die „Paschas in der Jungen Union“ außen vorlässt. Es könne ihm nicht um den Schutz von Frauen gehen, wenn er über Lehrerinnen in Berlin spricht, die von den Vätern der Schulkinder nicht ernst genommen werden, wenn er sich auch nicht dazu äußert, dass Mitglieder der Jungen Union zu dem Song „Layla“ tanzen. Die Kunst der Politik besteht darin, die Begriffe des politischen Gegners aufzufüllen mit möglichst viel Pascha-Phantasien.

Ein absurder Vergleich. Auf der einen Seite Jugendliche, die zu einem Lied feiern möchten, und auf der anderen skrupellose Straftäter, die Rettungskräfte attackieren – aber Maischberger lässt es laufen.

Weg von der vermeintlichen Rassismusdebatte fragt Maischerger, wie man das Migrationsproblem denn nun lösen könne. Mario Czaja, der zuvor wegen eines Tweets kritisiert wurde, in dem er forderte, dass Schüler auf dem Pausenhof Deutsch sprechen sollten, und zwar verpflichtend, wiederholt, dass die Sprache der erste Schritt zu einer gelungenen Integration sei. 18 Prozent der Schüler in Berlin verlassen die Schule ohne einen Abschluss, dafür sind unter anderem die Sprachdefizite verantwortlich. Jeder Anlass zum Spracherwerb ist sicherlich ein Integrationsmotor – aber wer will das schon hören?

Parallele Migrationssysteme
Deutschland und seine Migrationsdebatte: Wer weiterzieht, wer bleibt
Fehlende Integration ist einer der Gründe, dass Jugendliche gewalttätig werden. Migranten in Neukölln, die sich bestens in unsere Gesellschaft integriert haben, sprechen dieses Problem direkt und ohne die Angst an, selber als „rassistisch“ verunglimpft zu werden. Daran scheitern viele unserer Politiker. Czaja führt weiter aus, dass man das Problem nicht löst, indem man es totschweigt. „Wir brauchen ein starkes Bekenntnis zu Deutschland, dazu gehöre beispielsweise auch, dass man sich zu einer Staatsangehörigkeit bekennt“, und zwar zur deutschen. Es ist die Gegenposition zur angestrebten erleichterten Doppel-Pass-Vergabe der Ampel.
Gewalt hat viele Gründe

Gewalt ist ja in diesen ersten Tagen des Jahres allgegenwärtig. Lützerath hat zwar kein Integrationsproblem, dafür ein mangelndes Verständnis von Rechtsstaatlichkeit. Tagelang haben sogenannte „Aktivisten“ die Polizisten vor Ort bekämpft. Mit Molotowcocktails folgten aggressive Angriffe auf die Polizei. Ein Gericht in NRW lehnte zuvor einen Eilantrag ab und untersagte den Klimaaktivisten das Betreten von Lützerath – das scheint die „Aktivisten“ nur nicht sonderlich interessiert zu haben. Nach einem kurzen Einspiel eines Videos, in dem Greta Thunberg scharfe Kritik an Deutschland und der Regierung übt und behauptet, dass es nicht um die Gesetze der Ampel, sondern nur um Profite der Konzerne gehen würde, antwortet der Kabarettist Becker: „Die Politiker müssen Kompromisse machen, die Protestierenden müssen das nicht. Die können hart vorgehen und das hat mir sehr gut gefallen, was die da gemacht haben und deswegen finde ich das auch gut, dass die Grüne Jugend dahin gegangen ist … das ist der Turbo der Grünen, die können das nächste Mal noch besser verhandeln.“ Währenddessen lacht Maischberger wie zur Bestätigung: Der Rechtsstaat als Erpressungstatbestand. Becker weiter: „Wir haben ja jetzt diese Nachricht bekommen, dass ‚Klimaterroristen‘ das Unwort des Jahres ist, das finde ich auch richtig, aber für ein Ziel würde ich sagen, ist das Wort doch richtig angebracht: Für’s RWE. RWE kann man nicht mit der RAF vergleichen, RWE hat mehr Schaden angerichtet.“

Er vergleicht also einen Energieversorgungskonzern mit einer links-terroristischen Organisation. Es gibt keine Empörung in der Runde. In der weiteren Diskussion kritisiert Jagoda Marinic, die zuvor schon mit dem Pascha-Vergleich rational schwächelte, dass man nur Bilder sehen würde, wie Luisa Neubauer weggetragen wird, es aber keine Bilder zu sehen gibt, wie Konzernchefs von der Polizei weggetragen werden. Die Polizei also im Einsatz gegen Unternehmen, die das Energiesicherungsgesetz der Bundesregierung vollziehen?  In Lützerath sind Maßstäbe von Rationalität und Rechtsstaatlichkeit im Schlamm versunken. Und keiner protestiert dagegen bei der zu jedem Stuss lächelnden Maischberger.

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