Zu Beginn war Olaf Scholz richtig aufgeräumt und strahlte übers ganze Gesicht, weil Maischberger ein Video eingespielt hatte, in dem der junge Olaf, Mitte 20, mit lockiger Matte auf einer Kundgebung irgendwas von der Friedensbewegung und der SPD vortrug. Schön war die Zeit. Deshalb gab er auch bereitwillig Antwort auf die folgende Flower-Power-Frage der Moderatorin:
„Nein, ich habe nie einen Joint geraucht, aber gelegentlich Gitarre gehört. Ich habe zunächst Flöte gespielt und dann etwas Oboe.“ O Mann! Loriot live.
Es gibt drei Arten von Interviews mit Politikern. Die eine Variante ist die, wenn ARD– und ZDF-Damen auf Robert Habeck oder Annalena Baerbock treffen. Das kann, gerade bei Annalena Baerbock, unfreiwillig komisch werden, aber die Damen vom Interviewteam verziehen dennoch keine Miene. Des Weiteren gibt’s die Variante, bei der ein AfD-Politiker befragt wird, das kommt einem Verhör im Stasigefängnis nahe, allerdings ohne Prügel. Und dann ist da die uralte Handwerksnummer. Alles muss auf den Tisch, wenn nötig, wird nachgefasst. In dieser Disziplin hat sich Sandra Maischberger heute versucht. Das ist in der Tat hilfreich für den Zuschauer, denn es gilt: An ihren Antworten sollt Ihr sie erkennen.
Außerdem: „All die Prognosen in Sachsen-Anhalt lagen ja daneben“, so Scholz, fast vergnüglich, deshalb können ihn wohl auch die Prognosen zur Bundestagswahl nicht um den Schlaf bringen. Aber „aus Umfragen, nach denen ein Sozialdemokrat Kanzler werden soll, daraus beziehen wir Kraft.“ Er will sich aber, versprochen!, auf diesen Umfragen nicht ausruhen. Verdrängung nennt der Psychologe diese Negation des Faktischen, einen Abwehrmechanismus, der innerseelische Konflikte reguliert. Dann noch etwas Gerechtigkeit und Respektrente, bis Maischberger genervt zusammenfasst: „Sie meinen, die Leute finden die SPD gut, haben die aber nicht gewählt?“ Richtig.
Wir wollen den Maskenball zwischen SPD und Jens Spahn hier nicht wieder abfeiern, aber auf die wiederholte Frage, ob Jens Spahn zurücktreten müsse, wie Saskia Antifa Esken gefordert hatte, flutschte Scholz immer wieder aus dem Fragennetz und antwortete auf vielerlei Art immer wieder das gleiche: Das sei „ein Thema, mit dem man sich auseinandersetzen muss“.
Maischberger, geradezu verzweifelt: „Mit anderen Worten: Sie haben alles richtig gemacht.“ So muss man das wohl interpretieren. Natürlich soll hier nicht die globale Mindestbesteuerung von 15% unterschlagen werden, schließlich hat Olaf Scholz „in mehrjähriger Arbeit dafür gesorgt“, dass die nun kommen soll, und die Spezialdemokraten ziehen damit von Wahlkampfstand zu Wahlkampfstand und von Talkshow zu Talkshow. Dabei ist das große Werk „weder wirklich neu noch gewiss oder überhaupt wahrscheinlich“ (Wirtschaftswoche). Aber für die verbliebenen SPD-Wähler wird’s vielleicht reichen.
Vor Scholz hatte schon Markus Söder Sandra Maischberger die Grenzen ihres Handwerks aufgezeigt. Söder, der Schlawiner, saß mit offenem Hemd und dunklem Sacco vor grünem Gebüsch im Hintergrund und war so tiefenentspannt, als habe er eine Friedenspfeife aus Cem Özdemirs Privatzucht aus Balkonien geraucht. Natürlich sei Armin Laschet der Herzenskandidat auch in der CSU, „auf jeden Fall“. Er, Söder, sei nun ein „treuer und braver gemeinsamer Wahlkämpfer“.
Das klingt wie die neuesten Corona-Standmeldungen von Professor Streeck, da haben wir aber nicht mehr hingehört. Dagmar Rosenfeld von der „Welt“ war gewohnt klar („Laschet ist kein Hindernis gewesen in Sachsen-Anhalt“), eine Dauergästin vom „Spiegel“ war eher zurückhaltend (vermutlich weil kein AfDler dabei war), und Gerhard Delling sollte wohl den leicht besorgten Bürger in uns allen spielen, der „tatsächliche Zahlen zu Corona“ und Fakten zu Rente, Verschuldung „und „natürlich Umweltverschmutzung“ hören wollte, statt der grausamen Theateraufführung vom Zirkus Merkelani.