Also eines wird man dieser Folge der Talkshow mit Sandra Maischberger nicht nachsagen können: Nein, sie leidet nicht an einem Mangel an prominenten Gästen. Wer mittlerweile alle zuvor nie gehörten Virologen und Pandemiologen oder Epidemiologen mit Familienstand aufsagen konnte, darf sich für den Moment auf den Bundeskanzler der Österreicher freuen. Nein, nicht die illegalen Zuwanderer oder die Lage auf der Balkanroute ist gerade sein Thema. Klar, es geht selbstredend auch hier um das Corona-Virus und seine düstere Tournee einmal rund um den Erdball. Zu Unterschieden in der Bekämpfung soll sich der gute Nachbar jetzt äußern. Was macht Österreich besser, was möglicherweise Deutschland bzw. Bayern?
Leider ist die unvermeidliche journalistische Quasselrunde bei Maischberger nicht zugunsten des politischen Schwergewichts aus Österreich ausgesetzt worden. Also muss man sich das Gehörte vorher schon und nachher noch von medialen Schlauköpfen vor- und nachkauen lassen, als wäre es schon zu gefährlich, mit den eh schon gefilterten Informationen alleingelassen zu werden.
Ja, die Gedanken bleiben weiter frei, aber was nutzt das, wenn einem die ganze Zeit beim Nachdenken was zwischengerufen wird? Für den Erhalt der öffentlich-rechtlichen Nanny-Kultur hergegeben haben sich dieses Mal Wolfram Weimer (The European, Pardon usw.), Robin Alexander (Welt) und dann auch noch eine Maischbergerkollegin, die Morgenmagazin-Moderatorin Anna Planken. Wozu aber das? Geht doch alles ab vom Maischbergerflirt Kurz.
Also, mal schauen, was Sandra Maischberger mit Sebastian Kurz auf mindestens zwei Meter Abstand so vorhat. Anfang 2018 scheiterte sie noch ganz furchtbar, als sie Kurz seinen dunkelblauen FPÖ-Lidschatten verübeln wollte. Der hat aber mittlerweile einen grünen Lidstrich aufgelegt, ohne dass sich von Deutschland aus nun ein rundumerneuertes Gesicht erkennen ließe.
Erste Überraschung: Morgenmagazin-Moderatorin Anna Planken ist eine Ex-Corona-Erkrankte, also eine, die jetzt immun sein sollte, wenn es so etwas gibt. In der fünfköpfigen Familie waren alle erkrankt plus Großvater und viele weitere Verwandte.
Robin Alexander kann vor allem eines sehr gut: Es so aussehen lassen, als leide er schon unter der an ihn gerichteten Frage und sei nur zufällig in diese Situation des Befragten geraten. Nett, aber als Talkshow-Dauerbrenner in Sachen Emotionsstriptease im Öffentlich-Rechtlichen mittlerweile arg dünn.
Wolfram Weimer ist dran. Vom persönlichen Eindruck her erinnert der Mann an das Auftreten der Journalisten Gabor Steingart und Christoph Schwennicke. Keine Ahnung, was die drei Großgewachsenen so verwandt macht. Und muss das schon skeptisch machen, wenn einer so zwingend den Eindruck machen will, auf alles noch eine kompetente Antwort zu haben? Aber ob das wirklich was Gutes ist, soll sich im Laufe der Sendung noch herausstellen, vielleicht später noch mehr dazu.
Aber jetzt kommt schon Sebastian Kurz. Also nein, er kommt gar nicht, er ist nur zugeschaltet aus Wien aus dem Bundeskanzleramt via Mattscheibe in der Mattscheibe. Erster lustiger Eindruck: Kurz hält die Hände zu nah in die Kamera oder er hat einfach riesige Hände. Im Hintergrund die österreichische Bundesdienstflagge mit Adler mit neckischem Krönchen auf dem Kopf – mal nacher nachgoogeln, was es damit auf sich hat.
Kurz stellt lächelnd fest, dass es doch dasselbe Virus sei, also würde man ja nicht so viel anders machen als Deutschland. Vielleicht nur viel besser. Letzteres sagt er nicht. Aber es klingt tatsächlich genau so.
Das Stichwort des Bundeskanzlers ist „Eigenverantwortung“. „Man kann nicht bei jeder Haustür hereinschauen und will das auch nicht.“, erklärt Kurz. Und Ende April werden die Ausgangsbeschränkungen im Nachbarland ganz auslaufen.
Kurz schaut aber noch aus einem ganz anderen Grund ganz direkt und ganz unumwunden nach Deutschland: wegen der Urlaubsgäste für Sommer 2020. Und weil Österreich positive Entwicklungen durchmacht, nur eine Woche voraus sei, ist der Bundeskanzler zuversichtlich, dass die Gäste kommen werden, um auch die für Österreich so wichtige Tourismusbranche wieder hochzufahren.
Maischberger erinnert ihn an die Corona-Hochburg Ischgl. Kurz weiß seinerseits, dass es auch Stimmen gibt, die behaupten, dass sich das Virus vielleicht sogar von München aus verbreitet hätte. Aber so richtig interessant ist leider auch dieses milde Scharmützel nicht. Nichts Neues dazugekommen. Und nach vielleicht maximal 15 Minuten schon alles gelaufen. Die drei Journalisten am Tresen sollen das nun alles auch noch weichquatschen. Aber da ist noch nicht einmal etwas, das einer Deutung bedürfte.
Aber was machen wir jetzt mit dieser Sendung? Kurz war nichts, weiter kommt nichts. Es wird sogar nachrichtlich, wenn noch ein ÖR-Reporter aus Washington zugeschaltet wird, der was über die Corona-Entwicklung in den USA sagen soll. Ja, es gibt keine Krankenversicherung für jeden, ja, es gibt Millionen von neuen Arbeitslosen und der Reporter schaut aus dem Fenster auf ein Restaurant, das einmal am Mittag öffnet, erzählt er. Wäre er doch mal rübergegangen, um ein paar Interviews durch den Mundschutz zu machen, anstatt sich vor die Fotopappe des weißen Hauses zu stellen. Aber der Kollege gefällt sich besser mit dem offensichtlich bestellten Trump-Bashing: Also auch dieses Gespräch vollkommen wertlos im Sinne eines Erkenntnisgewinns. Und das morgens nach Null Uhr.
Auf was für einem mageren Konzept beruhen bloß solche Sendungen, wenn diese journalistischen Wiederkäuer nicht einmal mehr etwas zu beißen haben. Der Kampf gegen die Uhr beim Rezensenten hier. Wolfram Weimer redet und dann noch mal Wolfram Weimer. Also er erzählt halt nach, was er so in den Nachrichten zusammengetragen hat in den letzten 24 Stunden oder davor.
Ministerpräsident Söder muss abgesagt haben, denn die Zeit wird knapp und der Experte vom Robert Koch Institut wurde ja auch noch nicht gehört. Also morgens um 0:28 Uhr Prof. Dirk Brockmann als Experte. „Immer mehr Menschen wohnen in urbanen Settings“, erfahren wir zuerst und es steht bereits an der frühen Stelle zu befürchten, das es so weitergeht wie bisher in dieser Sendung. Brockmann sagt, was jeder schon weiß.
Ein schönes Beispiel für Wissenschaft, die von oben oder aus der Ferne auf die Menschen schaut und ganz vergessen hat, dass man auch einfach miteinander sprechen kann, um zu erfahren, wie es dem anderen geht. Notfalls eben auch mit Mundschutz. Ja, OK, der Kollege ist ja ganz sympathisch. Und es mag sein, dass in den verbleibenden sieben Minuten noch was Spannendes passiert, aber das wäre dann – mindestens das dürfte der so statistikfeste Wissenschaftler bestätigen können – tatsächlich weit außerhalb des Wahrscheinlichen gemessen an allem anderem, was zuvor erzählt wurde.
Arg verschenkte Lebenszeit in Zeiten von Corona.