Wir wollen gleich zu Beginn offen zugeben: Im Ersten nix Neues. Wie so oft bei unserem Staatsfunk im Allgemeinen und Maischberger im Speziellen: einseitige Darstellungen aus erster Hand, eingeordnet von heiteren bis harmlosen Journalisten aus dem Staatsfunk-Freundeskreis.
Beeindruckend ein smarter junger Mann, der ehrfurchtsvoll als „seit 2019 Berater von Ukraines Präsident Wolodymiyr Selenskyj“ vorgestellt wird: Alexander Rodnyansky. Wahrscheinlich ist er der Sohn des gleichnamigen TV-Sender-Gründers (1+1) und verdienten Künstlers der Ukraine, und wenn das Internet uns nicht täuscht, außerdem Assistenz-Professor an der ökonomischen Fakultät von Cambridge. Jedenfalls spricht er besser deutsch und englisch als Annalena Baerbock.
Zunächst möchte er sich bei allen im Namen der Ukraine bedanken für die Unterstützung, und außerdem findet er, ein Ölkauf-Boykott wäre der richtige nächste deutsche Schritt. Auf Friedensgespräche möge man sich besser nicht verlassen, die sind nur Täuschungsmanöver für die EU-Pazifisten. Und dann erzählt er noch, was ihm der Freund eines Freundes erzählt hat – ungefähr dasselbe, was man über die Russen auch 1945, ff., sagte: Schweine. Und bekanntlich wollen sich nicht mal die Russen von ihresgleichen befreien lassen.
ARD-Börsenfrau Anja Kohl war schon vor dem Rodnyansky-Auftritt auf der Anti-Putin-Palme. Wir fassen zusammen: kein Öl mehr von Wlad, Inflation bleibt Dauerzustand wegen des Krieges. Aber: Die Sache ist für Europa eine große Chance zur Schaffung einer Neuen Weltordnung – moralisch, politisch und wirtschaftlich.
Beeindruckt zeigten sich Wolfram Weimer (gern gesehener Talkshow-Gast) und ein gewisser Tilo Jung, Fotomodell und Journalist, der einen Blog mit dem bezeichnenden Namen „jung und naiv“ verantwortet. Im sommerlich hochgekrempelten Hemd mit Krawatte hinterließ er genau den richtigen optischen Eindruck, und inhaltlich passte auch alles: Die hohen Tankstellenpreise, etc. kämen dem Klimawandel zupass und so könnte uns der Krieg von den fossilen Energien befreien. Und Linders geplanten Tankrabatt bezeichnete er als „Putin-Soli“.
Längst ist es Brauch, dass unsere politisch Verantwortlichen auch in schwierigster Lage immer wieder die Zeit finden, in Talkshows zu gehen – es kann ihnen ja nix passieren, wenn sie nicht in der AfD sind. Heute war unser Finanzminister Lindner zum Plausch gekommen.
Da wurde gleich knallhart nachjefracht, wie das mit dem Ölboykott denn nun sei, und Lindner erklärte, dass dann ja bei uns zu wenig Öl vorhanden sei, was Maischberger nicht sogleich verstand – nach dem Motto: Dann kaufen wir eben woanders. Da flüchtete sich der Minister staatstragend in die Formulierung, er möchte „das“, gemeint ist die Frage nach der Energieabhängigkeit und damit Versorgungssicherheit Deutschlands, „aus möglicherweise nachvollziehbaren Gründen nicht kommentieren“. So schlimm?
Bei Lindner fällt übrigens langsam der neue Umgang auf: Wie ein sozialdemokratischer Marktplatz-Demagoge führte er die „Familien mit Kindern“, denen geholfen werden müsse, an und „die ambulante Altenpflegerin auf dem Weg zur Arbeit“ (Copyright Martin-Schulz). Und von Annalena Baerbock hat er schon das Deutsch, etwa bei den „Sanktionen, die wir verhangen haben“.
Bei Corona fühlt sich die Journalistengemeinde weitestgehend gut bei Karl Lauterbach aufgehoben, und Maischberger stellte dem Lockerungsbefürworter Lindner tatsächlich die komische Frage: Wie würden Sie sich fühlen im Restaurant ohne Maske, wo doch die Inzidenzen steigen? Im Restaurant des Europaparlaments in Brüssel sei das längst der Fall, so Lindner, und übrigens saßen auch Maischberger und ihre Gäste maskenfrei herum – trotz Inzidenz.
Gute Nacht.
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