Tichys Einblick
Kühnert eiert

Bei Maischberger: Kevin Kühnert – Kleinlaut mit großer Klappe

Kevin Kühnert demonstriert, dass die nächste Funktionärsgeneration der SPD mit noch viel schärferen Waffen und noch kälter ins Gefecht geht – es also unweigerlich zum Gemetzel kommen wird.

imago images / Horst Galuschka

Gestatten Sie eine Vorüberlegung: Wer bitteschön schaut über den Tag hinweg irgendwann zufällig ins TV-Programm, entdeckt dann „Maischberger. Die Woche“ mit ihren vorgestellten Gästen, entdeckt den in den USA ausgebrannten Thomas Gottschalk, den bei der SPD noch lichterloh brennenden Kevin Kühnert und den schon so lange im Fegefeuer der Eitelkeiten lodernden Markus Feldenkirchen, der ewige Kevin beim Spiegel – also wer liest das und ruft dann in spontaner Begeisterung zur Frau rüber in die Küche: „Hey Mausi, heute kommt wieder Maischberger, ist das nicht toll?“ Nein, so etwas ist nicht vorstellbar. Aber wer schaltet sich dann zu? Wohl nur solche Zeitgenossen, die zufällig mit der Fernbedienung vorbeizappen und an irgendwas für sie Komisches hängen bleiben. Aber woran genau? Schauen wir mal.

Das wechselnde Presseclub-Trio am Maischberger-Tresen setzt sich in dieser Ausgabe aus besagtem Markus Feldenkirchen, aus der ARD-Moderatorin Susan Link (MDR-Riverboat, Morgenmagazin und Kölner Sommertreff) und wohl als graue Eminenz gedacht, damit Gottschalk nicht so alt wirkt, weil er noch ein paar Schubertlieder oder was immer auswendig trällern kann, ist da noch der gute Peter Hahne mit von der Partie und das ist auch gut so.

Einmal SPD-KPD und zurück
Warum ich für Kevin Kühnert als Vizevorsitzender der SPD bin
Na klar, tapfer ist sie ja irgendwie, die Moderatorin Maischberger. Denn wer nach so langer Zeit im bequemen Sessel wieder als Streifenpolizistin unters Volk muss und diesen Spagat im Alter – in dieser Sendung dreht sich alles ums Alter –  noch mit so strahlender Mine schafft, der hat sicher Mitgefühl verdient. Also normalerweise, aber bei Maischberger und in Erinnerung an so viele furchtbare Sendungen der letzten Jahre hat so eine sicher schmerzhafte Verrenkung auch etwas von gerechter Strafe. Schadenfreude.

Susan Link hat was gegen denn Black Friday, ist also keine Shopping Queen und möchte lieber den Friday for Future mitmachen, aber der liebe Sohn, der „zwischendurch immer mal wieder Vegetarier ist“, wie sie erzählt, hat keinen rechte Traute. Aber um Himmelswillen, dann esst doch Fisch, dann wisst ihr immer, wann Freitag ist, eben der Tag, wo Papi mal ein paar Stunden früher aus dem Büro kommt, weil er verbeamtet ist oder was immer.

Peter Hahne hat lächelnd gleich die dicksten Kanonen gegen die Klimafighter aufgestellt: „Ich bin gegen diese religiöse Erhöhung.“ Der Kevin vom Spiegel ist hingegen sehr froh, dass es Greta gibt und das gleich stellvertretend für uns alle: „Ich bin dankbar dafür, dass es Greta gibt, der Klimawandel ist eben keine Glaubensfrage.“ Also gleich Diktatur, nicht erst Religion? Feldenkirchen stellt die „Existenzfrage“, wie er sich ausdrückt.

Peter Hahne möchte es eine Nummer kleiner, nicht gleich „Notstand“ und er erinnert an die Ford-Mitarbeiter in Köln oder so, die wohl gerade um ihre Jobs bangen, der „politische Autor“ (wird später in Spiegel-Autor korrigiert) Feldenkirchen wiederum möchte nicht die einen gegen die anderen ausspielen. Ja, schön. Aber was will er uns dann sagen in seinem braunen Talkshow-Anzug und mit seinen glänzenden Augen, die immer so durchblicken, als hätte ein kleines süßes Hippiemädchen beim nassforschen Joint übermütig mit dem düsteren Kajalstift geschmiert. Was will Feldenkirchen, außer der beste aller Feldenkirchen zu sein?

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Peter Hahne wirkt wie aus der Zeit gefallen, das liegt aber nicht an seinem gewagten Karoanzug und der karierten Krawatte, das liegt viel mehr daran, dass er sich in einer Position befindet, wo er nicht mehr am nächsten Tag in irgendeiner Redaktion stramm stehen muss, wenn er sich verplappert hat. Zu Kühnert meint Hahne, das dessen Eltern sich noch nicht einmal über die Planung von Kevin Gedanken gemacht hätten, da hätte er schon Willy Brandt interviewt – wie locker und erfrischend neben dem innerlich dabei so aufgeregt angespannten Politkommissar Markus Feldenkirchen.

Der echte, der neue, der frische Kevin kommt. Andere würden vielleicht despektierlich denken, da kommt das vorlaute SPD-Backpfeifengesicht, will meinen: Der Mann polarisiert.

Er sei kein Strippenzieher, das vermittle den falschen Eindruck von Politik. Der Niedergang der SPD in den letzten Jahrzehnten sei eben dass Ergebnis des Tuns einer Gruppe von verkrusteten Funktionären. Meint er auch Olaf Scholz? Der sei eben nicht zum Mannschaftskapitän gewählt – sagt Kühnert so mitleidsfrei, dass es jeder versteht – sondern Esken und Borjans, deshalb müsse Scholz aber noch nicht vom Platz, sagt Kühnert. Na, da wird Scholz vor dem Bildschirm aber erleichtert aufgeatmet haben. Schadenfreude hätte Kühnert über dessen Scheitern aber nicht empfunden, behauptet er.

Große Koalition – klar, muss auch verhandelt werden. Aber Maischberger hofft dabei vergeblich auf irgendeine Charmebrücke, die von der älteren Dame zum jüngeren Herrn mitunter ganz gut funktioniert hat, aber bei Kevin prallt die Dame mit der Bernsteinkette damit auf Granit, der gibt den eiskalten Bengel und zeigt der Moderatorin mal, wo der Hammer hängt – was für eine vernichtende Dialektik. Maischberger wird richtig unruhig, muss mächtig Wut runterwürgen über so viel Widerborstigkeit.

Nun ist überhaupt nicht sympathisch, was Kühnert da sitzend im verbalen Stechschritt abspult, als führe er schon die nächsten Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und den Linken, aber trotzdem bitte, bitte nicht aufhören! Warum? Weil hier so wunderbar deutlich wird, dass die nächste Funktionärsgeneration mit noch viel schärferen Waffen und noch kälter ins Gefecht geht – es wird also unweigerlich zum Gemetzel kommen, bis die SPD dann ihr letztes Röcheln in den Abendhimmel der Sozialdemokratie haucht – völlig egal, welche Rolle Kevin Kühnert dabei noch spielen soll oder selbst spielen will. Ach so, die Große Koalition bleibt erst einmal, Geschichtenerzähler Kühnert fabuliert etwas von einem fahrenden Zug mit geschlossenen Türen, den man nicht einfach irgendwo in der Pampa verlassen dürfe.

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Dann wieder Feldenkirchen als alter Kühnert – die visuelle wie verbale Ähnlichkeit ist tatsächlich erstaunlich, Kühnert erlebt so aus dem Publikum heraus, wie er in zehn oder 15 Jahren durch die Welt marschieren könnte. Peter Hahne spricht derweil von einer Art Selbstentzauberung des jungen Kühnert und meint dessen Auftritt gerade. Aber was soll sich da entzaubert haben, was nicht schon vorher so furchtbar genervt hat? Hahne meint die Herumeierei in der GroKo-Frage, welche die neu gewählte Vorsitzende schon abgesagt hatte, was Kühnert jetzt aber partout nicht mehr als Zitat gelten lassen wollte, als Maischberger es ihm vortrug.

Markus Feldenkirchen wünscht sich von Kramp-Karrenbauer, dass sie Esken und Borjans fragt: „Hat ihr sie noch alle, ihr habt doch schon so viel bekommen!“, wenn die beiden neuen SPD-Vorsitzenden im neuen Jahr irgendwann unweigerlich zu Nachbesserungen auf der GroKo-Matte stehen. Für Feldenkirchen gewinnt die AfD noch mehr an Stimmen, wenn das so weiter geht, von dem man nicht genau weiß, was eigentlich wie weitergeht.

Ach so, die Sache mit der Nato findet er auch irgendwie überholt, hat dann aber Gottseidank nicht mehr die Zeit, auch das noch in Spiegelartikellänge auszuführen, denn dann kommt Thomas Gottschalk, der ist in etwa so alt wie die Nato, schmunzelt Maischberger auch darüber, sich diese Zote nicht verkneifen zu können, obwohl sie doch wissen müsste, wie sehr die Diva mit den Dauerlocken  mit seinem Alter hadert, dass er nun sogar ein Buch übers Älterwerden geschrieben hat.

Eine Selbstbespieglung als „Kampf gegen die Vergreisung“ soll es sein. Warum eigentlich nicht? Und da wird mit Maischberger allerlei übers Älterwerden erzählt und dann ist es allerdings schon fast Mitternacht. Und wer hier noch weiter zuhört, der läuft Gefahr, schneller zu altern, weil er dann seinen Schönheitsschlaf verpasst und während sie das lesen, haben sie den ihren schon hinter sich, trotzdem Gute Nacht.

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