Tichys Einblick

Bei Maischberger: Kabarett am Mittwochabend

Das „Erste“, das programmliche Aushängeschild der ARD, hat eine neue Comedy-Sendung. Gastgeberin Sandra Maischberger gibt brandheiße Stichworte und lässt Komiker die Welt erklären. Man wäre ernsthaft geneigt zu lachen, wenn’s nicht so traurig wäre.

Screenprint: ARD/Maischberger

Worum geht es? Vier Brandherde auf der Welt haben Sandra Maischberger und ihre ARD-konform weltanschaulich unabhängige Redaktion ausgemacht:

Der Regenwald brennt lichterloh…
… beziehungsweise: Die grüne Lunge der Welt ist der Pflegefall der Stunde.

Die SPD ist schon abgebrannt…
… beziehungsweise: Sie plant eine Vermögenssteuer für Millionäre.

Donald Trump brennt für die G7…
… beziehungsweise: Der US-Präsident hat die internationale Kooperation entdeckt.

Brandenburg brennen die Sicherungen durch…
… beziehungsweise: Die Ossis wählen – aber wie! Ja, haben die denn noch alle?

Wer macht mit? Zur humorvollen Kommentierung dieser Komplexe hat Frau Maischberger diese Spitzengäste eingeladen:

Michel Friedmann…
… wurde unsterblich durch den Satz „Ich bin auch nur ein Mensch“. Den sagte er einst, um öffentlich zu erklären, weshalb er unter dem lustigen Pseudonym „Paolo Pinkel“ in Luxushotels Kokain-Partys mit Prostituierten veranstaltet hatte. Nach einer kurzen – sehr kurzen – Schamfrist wurde er mit einer anderen Droge rückfällig: der „Öffentlichkeit“. Jetzt darf er bei seinem Freund Peter Limbourg, dem Intendanten der Deutschen Welle, mit gleich zwei TV-Sendungen wieder das Weltpublikum beglücken. Das ist moralisch wie überhaupt eine erstklassige Qualifikation, um bei Sandra Maischberger die aktuellen Brandherde zu anzugehen.

Anja Kohl…
… hat schon in einem Fernsehfilm mit Senta Berger mitgespielt und bei der „Krone der Volksmusik“ eine Laudatio auf die „Kastelruther Spatzen“ gehalten. Außerdem sitzt sie im Kuratorium von „World Vision Deutschland“. Das ist eine evangelikale sogenannte Nichtregierungsorganisation oder NGO (non-governmental organization), die sich vorzugsweise mit Entwicklungszusammenarbeit, Katastrophenhilfe sowie „entwicklungspolitischer Anwaltschaftsarbeit“ (stellen Sie darunter sich einfach irgendetwas Gutgemeintes vor) befasst. Sie berichtet für die ARD von der Deutschen Börse in Frankfurt/M., ansonsten wird sie für alles Mögliche von Banken und Industrie bezahlt, sehr gut bezahlt – also ziemlich genau von denen, über die sie neutral, objektiv und ohne Interessenkonflikte berichten soll. Sie ist sozusagen der Rezo der ARD, natürlich ohne blaue Haare. Das ist moralisch wie überhaupt eine erstklassige Qualifikation, um bei Maischberger die aktuellen Brandherde zu anzugehen.

Susanne Gaschke…
… wurde einem breiteren Publikum durch einen etwas unglücklich verlaufenen Ausflug in die Politik bekannt. Die promovierte Pädagogin war Autorin bei „Die Zeit“ und verirrte sich dann für die SPD ins Amt der Oberbürgermeisterin von Kiel. Dort erließ sie einem windigen Unternehmer im Zusammenhang mit einem alten Rechtsstreit 3,7 Millionen Euro – freilich ohne vorher die Kieler Ratsversammlung zu konsultieren. Die fand das gar nicht lustig. Auf den Rechtsstreit mit dem Unternehmer folgte eine ziemliche Schlammschlacht zwischen der Oberbürgermeisterin Gaschke und ihrer Partei, aus der man ihr Abgehobenheit und Bockigkeit attestierte. Umgekehrt beschwerte sich die Ex-Journalistin Gaschke über „pseudoneutrale Schiedsrichterei“ von Journalisten sowie „journalistisches Übermenschentum“. Am Ende trat Gaschke zurück, verließ die Politik – und wurde wieder Journalistin, diesmal bei der „Welt“. Sie ist sozusagen der weibliche Reinhard Grindel, natürlich ohne Fußballschweiß. Das ist moralisch wie überhaupt eine erstklassige Qualifikation, um bei Maischberger die aktuellen Brandherde zu anzugehen.

Was wird gesagt?

Ganz am Anfang lässt Frau Maischberger einen Wetterexperten die Brände im Amazonas erklären. Der Mann (wir sind in einer Comedy-Sendung) heißt Karsten Brandt und ist – nein, nicht Meteorologe oder Klimaforscher, sondern Betriebswirt.

Börsenparkettlerin Anja Kohl – deren Dienstreisen die ARD oder ihre anderen solventen Auftraggeber bezahlen und die so viel verdient, dass man sie zur Urlaubszeit auch nicht im Billigflieger nach Mallorca entdecken wird – fordert eine CO2-Steuer, um unter anderem das Fliegen zu verteuern.

SPD-Mitglied Susanne Gaschke erklärt Frankreichs Präsidenten Macron zum Gewinner der Woche – und hebt im nächsten Satz ihren Parteifreund, Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz, auf dieselbe Ebene. „Sie sind zu schnell,“ versucht Maischberger das Gespräch zu sortieren. „Sie liegen falsch,“ wäre passender gewesen, aber vielleicht etwas unhöflich.

CDU-Mitglied Michel Friedmann beschwert sich darüber, dass die Wähler immer öfter demokratiefeindliche Parteien an die Macht bringen würden. „Nur, weil eine Partei demokratisch gewählt ist, ist es noch keine demokratische Partei.“ Das kann man mit guten demokratischen Gründen deutlich anders sehen, aber nicht an diesem Abend und nicht in diesem Comedy-Programm. Relativ unverblümt erklärt Friedmann den Bürger zur größten Gefahr für die freiheitliche Gesellschaft. Das wäre doch ein prima Argument, diese lästigen Wahlen mal eine Zeit lang sein zu lassen, damit die ach so demokratieförderlichen Parteien (denen im Moment die Bürger schneller davonlaufen, als sie „Diätenerhöhung“ sagen können) die Sache wieder in den Griff kriegen, oder?

Was wird nicht gesagt?

Bolsonaro wurde von einer klaren Mehrheit der Brasilianer gewählt: 56 Prozent gaben ihm ihre Stimme – und zwar nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Politikidee. Der Mann erfüllt gerade seine Wahlversprechen. Für Trump gilt exakt dasselbe. Das ist in Deutschland inzwischen so ungewöhnlich, dass man mit deutsch-typischer Herablassung und Überheblichkeit meint, den Brasilianern, den Amerikanern (und allen anderen) erklären zu müssen, was gut für sie ist. Selbstzweifel kommen in diesem Konzept nicht vor.

Überraschungsgast

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat die eher undankbare Aufgabe, ihre Sozialdemokratische Partei schönzureden. Dazu braucht man derzeit sicher mehr Humor, als ein einzelner Mensch aufbringen kann. Etwas unvorsichtig sagt sie einen Satz, der hoffentlich noch nachhallen wird:

„Es gibt nur zwei Möglichkeiten, einen Parteivorsitzenden zu bestimmen: Entweder, man bestimmt ihn von oben – so hat das die SPD immer gemacht…“

Den Rest schenken wir uns, das Entscheidende ist raus. Hatten wir es doch geahnt: von wegen Basisdemokratie und so. Nix da: Die SPD hat bisher immer ihren Parteivorsitzenden von oben bestimmt. Aber wehe, man hat das auch mal so geschrieben – dann kam der heilige Zorn der sozialdemokratischen Büchsenspanner über einen. Jetzt haben wir es endlich mal amtlich, bestätigt von der geschäftsführenden SPD-Vorsitzenden.

Dann versucht Dreyer sich noch an der nicht minder undankbaren Aufgabe, die von ihrem Klub geplante Vermögenssteuer zu verteidigen. Wen die treffen soll, sagt sie nicht. Was die SPD den Leistungsträgern, den Leistungsbereiten damit sagen will, sagt sie nicht. Was daran gerecht sein soll, bereits versteuertes Vermögen noch einmal zu besteuern, sagt sie nicht. Die anderen Comedians (siehe oben), das erschwert Dreyers Mission natürlich, erklären sich übereinstimmend zu Gegnern der Vermögenssteuer. Vermutlich wären ausnahmslos alle, die an dieser Sendung aktiv beteiligt sind, von der Vermögenssteuer betroffen. Das sagt aber keiner.

Stargast

Gregor Gysi, Ehrenmann der „Linken“ (ehemals PDS, ehemals SED-PDS, ehemals SED), empfiehlt den Sozialdemokraten, „jemanden wie mich“ zum Vorsitzenden zu wählen. Ansonsten redet er von sich. Vor zwei Jahren hat er seine Autobiografie vorgelegt, alles kann sich immer besser verkaufen, und ein bisschen Werbung im „Ersten“ kann da nicht schaden. Nebenbei weiß er genau, welche Fehler nach der Deutschen Einheit gemacht wurden, dass Helmut Kohl nicht die Ostdeutschen befreit hat, dass die linke Bauverhinderungssenatorin in Berlin mit ihrem verfassungsfeindlichen Mietendeckel völlig Recht hat – und, natürlich, warum die AfD schlecht ist. Insgesamt sagt er ziemlich wenig, aber das immerhin mit gesunder Urlaubsbräune.

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