Der blutleere Auftritt des CSU-Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt ist an diesem Abend ein bayerischer Löwe mit Beißhemmung. Im Parallelinterview mit dem grünen Anton „Toni“ Hofreiter bleibt der harte Angriff auf die Politik der Regierung aus. Eine Kultur des Streits erkennt der Oppositionspolitiker innerhalb der Ampel. Der Verhandlungsmarathon dauerte 30 Stunden, länger, als die verheerenden Sitzungen zur Euro-Rettung, zur Migrationskrise und zur Corona-Pandemie dauerten. Aber man hat die 30 Stunden wohl für das gegenseitige Ausfüllen eines Poesiealbums gebraucht.
Dabei bietet der 150-prozentige Grüne Hofreiter in der Diskussion so viele Steilvorlagen. Er sei vom Ergebnis positiv überrascht gewesen. Besonders gegen die „Aussterbekatastrophe“ habe das Ampel-Ergebnis eine große Gegenwirkung, so Hofreiter. Eine große Leistung sei es auch, dass entlang neu gebauter Autobahnen Solarzellen und Windräder aufgestellt werden sollen. Ein streitlustiger Oppositioneller hätte vielleicht Hofreiter die Fledermaus- und Vogelhäcksler namens Windräder zu referieren, das hätte dem Toni sicherlich zu mehr Puls verholfen. Aber Dobrindt bleibt bei zarter Kritik.
Bloß kein Streit, man hat sich zu lieb
Einen Angriff auf die Opposition wittert der CSU-Mann. Zum ersten Mal harter Tobak. Der Grüne verweist auf die 5-Prozent-Hürde und schon ist die Debatte abgeräumt. Es will einfach nicht hitzig werden. Da fällt auch diese zukünftige Konstellation nicht merkwürdig auf.
Es wird auch klar, warum sie sich nicht streiten wollen: In der Sendung erklären die beiden, dass man sich „im Privaten“ duzen würde und am Morgen nach der Sendung zum gemeinsamen Frühstück trifft. An sich lobenswert, wenn Politiker auch zwischen den Parteien freundschaftlich sein können. Aber es erklärt auch, warum die Diskussion bei Maischberger wie eine Diskussionssimulation wirkt. Weil sie es ist.
„Klimaschutz” als Hauptaufgabe der Politik
Eine sehr eigenwillige Sicht auf die Ampel liefern auch die anwesenden Journalisten Nikolaus Blome, Jagoda Marinić und Hubertus Meyer-Burckhardt. Scholz sei der große Gewinner des Ampelstreits, analysierte beispielsweise Meyer-Burckhardt. Eine abenteuerliche Sicht auf den notorisch führungsschwachen Bundeskanzler. Eine bessere PR durch Journalisten in Regierungssprecherämtern könnte der Ampel helfen, führte er weiter aus; eine Bewerberin auf diese Stelle sitzt mit Marinić schon in dieser Runde. Meyer-Burckhardt spart dabei aus, dass so ziemlich alle Regierungssprecherämter mit willfährigen Journalisten besetzt sind. Nicht selten kommt es vor, dass Politik-Journalisten von der Redaktionsstube direkt in den Politikbetrieb wechseln – oder teure Aufträge für Moderationen und Tagungen annehmen.
Blome sieht das Vertrauen innerhalb der Koalition erodiert. Das brisante Thema Heizung wäre nicht gelöst. Auch für ihn hat „Klimaschutz“ die Top-Priorität. Die Ampel hätte ihre Ziele geschafft. Dies sei wie in der Schule, da zähle auch nicht die Fünf im Zeugnis, sondern die Versetzung. Na dann, alles wie immer bei den eingeladenen Haltungsjournalisten. Die Regierung kann sich fetzen und eine blamable Leistung in allen Bereichen an den Tag legen, aber wenn das Klima passt, ist alles andere egal.
Gysi hat da mal einen Friedensplan
Den dritten Gesprächsteil der Runde bildete Gregor Gysi. Er diskutierte mit Alexander Rodnyansky, einem Berater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Für die Ukraine hatte Gysi gar einen Friedensplan im Gepäck. Es könne einen Waffenstillstand geben, wenn man Putin versichere, dass keine westlichen Waffen mehr geliefert werden würden. Gleichzeitig müsse sich Putin dann zu einer Feuerpause bereit erklären. Würde der russische Diktator sich nicht daran halten, wäre alles wieder hinfällig.
Der Linken-Politiker hält naturgemäß wenig von deutschen Waffen. Andere Länder dürften zwar Waffen liefern, aber nicht Deutschland, und begründet dies mit der deutschen Geschichte. Keine Waffen gegen Russland, klingt historisch begründet, vergisst aber, dass die deutsche Vergangenheit nicht erst bei Moskau anfängt, sondern gezwungenermaßen auch die Städte und Völker zwischen dieser Stadt und Berlin umfasst. Es ist die gewohnte Rhetorik der Linken. Die anderen mögen sich doch die Finger schmutzig machen. Humanitär könne Deutschland dann wieder glänzen, so Gysis Logik.
Rodnyansky hingegen träumt von einer großen Gegenoffensive der Ukraine. Er will nicht mit Putin verhandeln. Die Gräben zwischen beiden Weltsichten konnten an diesem Abend nicht zugeschüttet werden. Der eine will mit der Waffe in der Hand siegen, der andere glaubt an das Heil der internationalen Diplomatie. Wenigstens auf Putin als Schurken kann man sich einigen.