Eine bunte Promi-Gesellschaft traf sich da bei Frau Maischberger. Es fehlte nur noch der Waldi Hartmann, aber der war zur selben Stunde schon beim Lanz eingecheckt. Motto: der „verwirrte Wähler“, was verwirrt ihn so? Warum wissen viele immer noch nicht, wen und ob sie wählen werden? Das Thema war gewiss populär ausgedacht, aber gar nie zu fassen. Ob das an der Auswahl der Gäste lag? Und es begann so gemütlich wie an einem Lagerfeuer des kalten Krieges, mit dem nostalgischen Einspieler aus der alten guten Zeit. 70er Jahre, da hat man sich noch gefetzt, Helmut Schmidt rauchend beleidigt Helmut Kohl, dieser ist empört, brüllt zurück: „schämen Sie sich“, Strauß poltert los „eine Unverschämtheit, wie Sie als Bundeskanzler“ und jetzt heute diese triste Ununterscheidbarkeit, dieses Wischiwaschi der Positionen. Merkel im Konsens mit Schulz, der in der „Flüchtlingspolitik” mit ihr an einem Strang zieht, genauso auch die Grünen, die dafür Kerzen aufstellen, sagt Spiegel-Kolumnist Fleischhauer, der als junger Mann die Grünen wählte, und den die AfD, die Rechten, „auf der anderen Seite des Grabens“, an die Grünen von damals erinnert. Wie damals die Angst, der Atomtod, so heute der Untergang Deutschlands. Der nächste Einspieler: Merkel „muss weg“, „ sie macht alles kaputt“ wütender Protest normaler Bürger, in Bussen zum Volksaufstand herangekarrt. Wie kommt das bloß? Einer schreit in ein Mikrofon, „was wir brauchen, ist wieder ein 17. Juni heute“. Die Randale der Abgehängten in den TV-Einspielern. Wie lässt sich das nur erklären?
Die Gäste bei Maischberger: Brave und ein Beelzebub
Johannes B. Kerner (TV-Moderator), Anja Reschke (ARD-Moderatorin), Ole von Beust, CDU (ehemaliger Hamburger Bürgermeister), Ralf Stegner, SPD (stellvertretender Bundesvorsitzender), Jan Fleischhauer (Spiegel-Journalist), Michael Kunert (Geschäftsführer Infratest dimap).
Dampfplauderer Kerner – „lass uns über die Sachen reden“- gab sich gut gelaunt, war aber irgendwie ratlos. Er vermisst die große Idee, den Deutschlandplan, „was passiert in den nächsten 20, 30 Jahren“. Das wolle er doch wissen. Und natürlich auch die konkreten Punkte, die die Leute ganz klar interessieren müssen. Aber die Punkte kamen im dem Duell gar nicht vor.
Anja Reschke indes kennt „die Klage, dass Parteien für nichts mehr stehen, seit ich wählen darf”. Sie komme ins Grübeln, wenn sie bedenke, dass eine antidemokratische Partei über demokratische Prozeduren ins Parlament einziehen darf. Klar, das geht gegen den Nachbarn Ole von Beust. Er ist der Beelzebub, vor dem sich alle fürchten, hat mit den damaligen „Rechtspopulisten“ 2001 die Sozialdemokraten in Hamburg aus dem Amt des Bürgermeisters gekegelt und später mit den Grünen koaliert. Spürt Maischberger da den Hauch der Geschichte vorbeiwehen?
Es scheint schlecht um die CDU zu stehen, wenn schon das gedacht werden darf und Talkshows, diese Hochämter des politisch Korrekten, die Rechtskurve in´s Bild nehmen.
Stegner, der inzwischen wohl einen Lächelkurs absolvierte, kann hier entschieden nicht mit, er wird beinah gleich wieder scharf: „ich glaube, ich rede immer deutlich“, denn in jedem andern Land mag man die Rechten tolerieren, näselt er entschieden, aber in Deutschland mit seiner Geschichte. Ganz klar: Nein.
Klar. Da droht ein Machtsystem aus der Balance zu geraten, wenn auch nur im Unverbindlichen. Und das nicht mal mit einhelliger Empörung der Übrigen.
AfD und Flüchtlingspolitik stören im Unbewussten
Fleischhauer wendet hier ein: aber bitte auch die Linken, Stegner, das kennen sie doch auch, die Linken mit ihrer Stalinverehrung oder schauen sie da nicht hin? Es geht wild durcheinander. Kraut und Rüben, ein Kalauer folgt auf den nächsten. Aber Streit wie damals in den 70ern, als die Prinzipien noch wohl geordnet gegen einander standen? Doch Stegner besteht darauf, es gibt schon Unterschiede, Frau Merkel ist doch keine Sozialdemokratin. Nein. Da irrt sich der Fleischhauer doch wirklich. Anja Reschke, die man schon als Kämpferin kannte, gibt sich mütterlich besorgt um die Demokratie, sie erinnert sich plötzlich an ihren Geschichtsunterricht und an die Anfänge in der Wiege der Antike, wo man ja durch Losentscheidung statt durch Wahlen, „das ist vielleicht verrückt gedacht“, aber vielleicht brauchen wir eine neue Form der Demokratie, wenn‘s die Parteien nicht mehr bringen. „Wir haben ja mit den Leuten geredet.“ Im Auftrag des NDR.
Wim Setzer ist Kunstkritiker und Journalist.