Tichys Einblick
Nach der Sendepause wie vorher

Bei Maischberger: Düzen Tekkal erklärt Demoteilnehmer zu Verfassungsfeinden

Sandra Maischberger ist aus der Sommerpause zurück. Rechtzeitig, um die Berliner Großdemonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung zu diskreditieren.

Screenprint: ARD/maischberger

Die drei „Kommentatoren“ genannten Anstandswauwaus am Quasseltresen sind dieses Mal Düzen Tekkal (Journalistin), Rainer Hank ( früher FAS) und der ewige Tarnkappenjournalist Günter Wallraff. Die Drei sollen nun dafür sorgen, dass nichts im leeren Raum hängen bleibt oder der Zuschauer gar auf die Idee kommen könnte, sich in Hinblick auf die Standpunkte der Gäste eine eigene Meinung zu erlauben.

Die eigentlichen Gäste müssen ohne Quote auskommen: Dabei sind der SPD Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer und Politikwissenschaftler Prof. Christian Hacke.

Die angekündigten Themen sind – logisch – die Corona-Demo in Berlin und hintendran noch die heiße Phase im US-Wahlkampf, wenn Donald Trump in drei Monaten quasi gegen den linksgrünen Weltzeitgeist und gegen Corona im Amt bleiben will.

Zunächst einmal versuchen sich Tekkal, Hank und Wallraff in einer sofort und massiv unerträglichen Lobhudelei auf Markus Söder, dann bemerkt Tekkal auf Nachfrage, dass die Gewinnerin der Woche die Demokratie und Meinungsfreiheit wären, „weil sie Unerträgliches ertragen hat, ich denke dabei an die Corona-Leugner am Wochenende in Berlin“, sagt sie. Sie findet es bemerkenswert, wenn die Leute von einer Corona-Diktatur sprechen, aber gleichzeitig das Demonstrationsrecht in Anspruch nehmen würden.

Düzen Tekkal hat also noch nichts davon gehört, was zwei prominenten Sportlern ebenfalls mit Migrationshintergrund passiert ist, die eben dieses Recht in Anspruch genommen haben und wie im Falle des Profibasketballspielers vom Vereinspräsidenten gefeuert wurden. Auch nichts gehört hat sie von politischen Bestrebungen (aus dem Umfeld der CDU) das Demonstrationsrecht wegen der Demo in Berlin zu beschneiden. Himmel, wie das alles schon wieder so erwartbar nervt. Dunya Halayi wäre ebenfalls Gewinnerin, weil sie die „Fratze“ der Demonstranten sichtbar gemacht hätte in Berlin, meint Tekkal auch noch.

Was hier allenfalls noch erstaunen kann, ist das haushohe Oberwasser im Orchester der medialen Verzerrungen. Und die Schwimmer im Oberwasser scheinen tatsächlich davon überzeugt, noch mit der größten Verzerrung durchzukommen – möglicherweise ja sogar erfolgreich. Wallraff hätte das mit dem Basketballspieler gerne anders gehandhabt: „Mit dem hätte man reden müssen.“ Das sei ein „Mitläufer“ gewesen. Aber hier bestimmt dann die Tonalität schon wieder die Marschrichtung.

Rainer Hank fasst sich dann doch noch ein Herz und wagt das Ungeheuerliche: Er weist darauf hin, dass es Anti-Rassismusdemos gegeben hat, die ebenfalls die Abstandsregeln nicht eingehalten hätten, ohne dass es deshalb zu der gleichen Empörung darüber gekommen wäre. „Wir sollten die Kirche im Dorf lassen“, fordert Hank. Und Tekkal schaut ganz verdutzt, fast so, als würde sie sich wundern, dass sich Hank nicht an das mutmaßliche Drehbuch hält.

Und als wäre das alles nicht schon quälend genug, traurig, lächerlich, entnervend, was immer, kommt Maischberger dann auch noch mit den Partykids, die die Parkanlagen stürmen würden. „Viele machen es auch gedankenlos, die sind nicht bösartig“, steuert Wallraff bei.

Für Maischberger kam es in Stuttgart und Frankfurt erst zu den Gewaltexplosionen, weil die Polizei dazwischen gegangen ist. Wie kann das sein, so nach Regierungsdiktat die immer gerade opportune Haltung abzuspulen? Gespenstisch. Und wohl auch eine Kunstform für sich. Nein, wir haben noch keine, aber so ähnlich wird es sich wohl anfühlen, wenn die Diktatur da ist, wenn die Freiheit des Andersdenkenden auf die Gnade solcher Protagonisten auf Gedeih und Verderb angewiesen ist. Dystopische Stimmung live. Science-Fiction ohne Happy End. Und da ist Lauterbach als Untergangsprophet einer untergehenden SPD noch nicht mal an der Reihe im Gesprächsrund.

Sätze wie aus einer Parallelwelt: „Am Wochenende in Berlin hatten wir ja Zweiundzwanzigtausend, die sozusagen verfassungsfeindlich sind, die die Werte mit Füßen treten, die in Parallelstrukturen leben, die nicht integriert sind“, sagt dazu grinsend Journalistin Tekkal, die dann auch noch debattiert haben will, was dieses komische Deutschsein eigentlich bedeutet.

Bei der Demo in Berlin, so sagt sie fast stolz, seien keine Migranten dabei gewesen. Stimmt zwar nicht, aber was will sie damit sagen? Das soll nun aber nicht heißen, „dass wir den Migrationshintergrund tabuisieren müssen“. Was für ein an keine logische Argumentation mehr gebundenes Diskutieren – nein, an der Sache vorbei reden.

Fünf Jahre nach dem Beginn der Massenzuwanderung und nach fünf immer länger werdenden Kriminalstatistiken, die man ja nur lesen muss, meint Rainer Hank von der FAS immer noch, man stehe hier vor einem Rätsel, was die Gewaltausbrüche in Stuttgart und Frankfurt angeht, „das hat wirklich noch niemand so richtig verstanden.“ Ernsthaft?

Unwidersprochen von der Runde verbreitet Tekkal die These, dass die von ihr zuvor „verfassungsfeindlich“ genannten Demo-Teilnehmer in Berlin nicht integriert seien. Warum? Etwa weil sie eine andere Meinung als die Regierung vertreten? Wer so eine beschädigte Auffassung von Demokratie hat wie Frau Tekkal, der muss sich fragen lassen, woran das liegen kann, der muss es sich gefallen lassen, dass man wissen will, wie jemand so verdreht argumentieren kann, wie jemand das Land, in dem er lebt und die Leute darin so geringschätzen kann. Und weil an dieser entscheidenden Stelle niemand widerspricht, haben auch die zaghaften Widersprüche von Rainer Hank keinerlei Wert mehr.

Dann Palmer und Lauterbach, die dankenswerterweise aufeinanderprallen und nicht nacheinander ran müssen. Hat Maischberger aus der Kritik am Format etwas gelernt? Oder ist Lauterbach am Ende nur ein weiterer Anstandswauwau speziell eingesetzt gegen den mitunter aufsässigen Boris Palmer (Grüne)?

Lauterbach erinnert daran, dass die herkömmlichen Masken zwar andere schützen, dass man aber beispielsweise auf längeren Bahnfahrten zu höherwertigem Maskenschutz greifen sollte, wenn man sich selbst schützen will. Palmer findet Masken nicht so schlimm, die Kneipen hätten ja wieder geöffnet. Also wenn hier nicht gleich einer den Zankapfel holt, dann besteht höchste Einschlafgefahr mit oder ohne Mundschutz.

Lauterbach möchte wissen, dass in Ländern, die „schon ein bisschen weiter“ wären als Deutschland, schon die zweite Welle beginnen würde. Diese Länder wären beispielsweise Singapur, Israel und Japan. Der Gesundheitsexperte der SPD will deshalb mehr Bilder, die zeigen, was in anderen Ländern passiert. Er setzt also auf die Schockstrategie. Aber rauchen weniger Menschen, weil auf den Packungen jetzt Lungenkrebsfotos abgebildet sind? Lauterbach möchte mehr Bilder, wo zu sehen ist, „dass Menschen um ihr Leben kämpfen.“

Von der taz bekam Lauterbach dafür schon die Zuweisung „ApoKARLyptiker“, weiß der grinsende Boris Palmer und wird dafür von Lauterbach gleich eingedampft, das wäre abwertend. Palmer möchte nicht die nächsten 18 Monate nach der „Methode Lauterbach“ leben, also nicht im Dauer-Shutdown. Den Oberbürgermeister regt es weiter auf, dass Lauterbach nicht in der Lage sei, einmal einzugestehen, dass er sich geirrt hätte. Hätte man gemacht, was Lauterbach gesagt hätte, wären schon 200 Milliarden mehr verbraten worden und auch die von Lauterbach prognostizierte zweite Welle im Mai oder Juni sei nicht passiert.

„Das ist einfach schlicht und ergreifend exponentielle Statistik“, erwidert der so Angeschlagene und es klingt noch verzweifelter, als es schon beim alltäglichen Lauterbach klingt. Der Mann braucht sich um einen alternativen Job in echten Krisenzeiten nicht sorgen, er kann wohl gut als Grabredner unterkommen oder als Wettersprecher an Regentagen.

„Sie haben genickt, ich hab’s gesehen“, weiß Maischberger und meint die Zustimmung von Lauterbach zu weiteren Einlassungen von Palmer – so richtig ringen will hier also keiner. Und dann ist man schon so gebeutelt von dieser ersten Hälfte der Sendung nach der Sommerpause, so, als wäre Maischberger gar nicht weg gewesen. An eine Erholung von diesem nahe an Regierungs-TV ist nichts zu spüren, so dass wir es schon zur ersten Sendung nach der Pause dabei bewenden lassen und uns das erwartbare Trump-Bashing einfach schenken wollen. Denn was soll da nun noch kommen, das nicht geeignet wäre, die schmale innerdeutsche Erholung in Zeiten von Corona noch schneller rückzubauen? Die Welt scheint verrückt geworden. Aber es gibt Menschen, die selbst dafür verantwortlich zeichnen. Jeder auf seine mehr oder weniger einflussreiche Weise.

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