Wer hat Recht in der Klimafrage? Das würde man gerne wissen, aber sie ist wohl eher eine Glaubensfrage und muss ganz anders gestellt werden, nämlich so: Ist das Klimaproblem, die Erderwärmung von den Menschen verursacht oder nicht? Prof. Schellnhuber, der immer wieder darauf hinwies, dass er Physiker ist und drum errechnen kann, meinte ganz klar: Dass mindestens 60 Prozent des Problems von Menschen gemacht ist. Im Grunde ist das Problem eh nur von Physikern und Wissenschaftlern zu erklären, wirft er sich etwas in die Brust, und die Kollegen sind sich zu 99 Prozent einig und also der Meinung Schellnhubers.
Die beiden Politikerinnen auf dem Sofa, die Grüne Bärbel Höhn und die CSU-Politikerin Dorothee Bär, geben gleich zu, nicht Physik studiert zu haben, aber glauben gern trotzdem dem Professor. Metereologe Kachelmann hat von Physik natürlich auch ein gerüttelt Maß an Kenntnissen, will aber nur vom Wetter reden. Das Klima überlässt er dem Professor. Doch das Wetter, so wüst und übel es tobt, könne zur Klimafrage wenig beitragen, die Zeichen der schlimmen Orkane, Tornados und Hurricans, wie sie alle hießen und heißen: Lothar, Irma, Axel und sofort seien alle ausgewertet worden, ergäben aber keine eindeutigen Warnsignale.
Das menschengemachte Klima
Der Klimaskeptiker in der Runde, der Schweizer Journalist Alex Reichmuth nahm sofort die Rolle des advocatus diabioli ein und bezeichnete sich provokativ sogar als Klimaleugner. Nach ihm hat es solche Unwetter immer schon gegeben, sogar im Mittelalter, im übrigen ließe er sich von den Physikern und Klimaforschern nicht beirren, für ihn kann kein Mensch bisher sicher etwas wissen von dieser ominösen Klimafrage und ob das Problem menschengemacht ist oder nicht. Sein Stand glich bald dem eines Atheisten unter lauter Gläubigen. Und nach 10 Minuten Wetterkunde, in der natürlich Kachelmann brillierte, wie man ihn kennt, war klar, dass Frau Maischberger, so wie sie das Thema anmoderierte, „unser Wetter wird immer extremer“, sich auf dem falschen Dampfer befand, denn von Wetterzeichen führt kein Weg zum Rettenden in der Gefahr der Klimaproblematik. Also Zeitverlust in der teuren Sendezeit. Auch der einstürzende Berg in der Schweiz war schnell vom Tisch, denn dieser Sturz habe sich schon lange vorbereitet, lange bevor von Erderwärmung so viel geredet wurde, mit welcher das Unglück dennoch etwas zu tun habe, wegen des vielen Wassers in der Luft. So Kachelmann.
Bleibt die Frage: Glauben oder Wissen?
Alex Reichmuth, der Skeptiker, meinte, das Thema Klima sei so komplex, dass jeder gerne glauben könne, was ihm so einfällt dazu, aber von einem gesicherten beweisbarem Wissen könne keine Rede sein. Frau Bär, die endlich von Wichtigerem, nämlich „von den Innovationen“ reden wollte, mit denen man das Klima bessern kann und an denen man politisch ja schon arbeite und auch vorankomme. Sie nannte den ungläubigen Journalisten mit einem Seitenhieb einen Verschwörungstheoretiker. Den parierte der Außenseiter, indem er ein Heft der Zeugen Jehovas aus der Tasche zog, das er auf dem Weg ins Studio am Bahnhof aufgegabelt hatte. In diesem Heft werde auch die Katastrophe des Weltuntergangs beschworen, ganz ähnlich wie er es neulich auch in einem Interview des Herrn Professor Schellnhubers gelesen habe, wo dieser eine Prognose abgegeben habe, wie unsere Welt in 1.000 Jahren aussähe. „In tausend Jahren“ wiederholte er kopf- schüttelnd.
„Ja, das kann ich als Physiker errechnen“- wenn wir jetzt nicht sofort handeln im Sinne des Pariser Klimaabkommens. „Ein Abkommen, an das sich keiner halten muss, das gar nichts wert ist “ setzte Reichmuth nach. Jetzt drohte die Talkshow beinah in einen kleinen Religionskrieg umzukippen, da sprang Frau Maischberger mit einem Einspieler dazwischen, wo wir wieder den bad old Präsident Trump sehen konnten, wie er die Klimapropheten als alberne Märchenerzähler verhöhnt. Das war der Rohrkrepierer des Abends und schockte keinen in der Runde. Ach, der Trump stimmten die Bärbel Höhn, die Frau Bär und der Kachelmann spontan überein, in ein paar Jahren ist der wieder weg.
In Oklahoma, sagte Kachelnann, wo viele Wähler Trumps leben, „stehen überall Windräder“. Ja genau, viele amerikanische Firmen und Städte verhandeln mit uns wegen der erneuerbaren Energiewirtschaft, sprang die Bärbel Höhn ein, „weil dieser die Zukunft gehört“. Frau Maischberger versuchte etwas verwirrt, nochmal ihren Einspieler zu rechtfertigen, doch Frau Bär wollte endlich zur Digitalisierung vorankommen zur „Lebenswirklichkeit“ wie sie betonte. Denn bei aller Bedeutung des Themas, dürfe man die Arbeitsplätze nicht außer Acht lassen.
Verzicht auf Autos, Flugreisen und Fleischkonsum
Jetzt zerlief die Diskussion vollends ins Diffuse. Plötzlich ging es um die zu großen Autos, die SUVs, die Massentierhaltung, also nochmal ein Einspieler, diesmal aus einer sehr radikalen Studie von einer schwedischen Universität. Dort fordert man die Menschheit auf, um das Klima zu retten, auf Autos, Flugreisen, und auf Fleisch ganz zu verzichten. Außerdem rät man uns, pro Familie nur noch ein Kind zu zeugen. Denn auch die zu vielen Kinder bedrohten den Planeten, brächten ihn, wie Schellnhuber sagte, „aus dem Gleichgewicht“. Also nochmal das Menschengemachte.
Dann wieder Reichmuth, der einsame Ketzer unter den Rettern. „Wenn sie den armen Menschen Öl, Gas, Kohle-die fossilen Brennstoffe wegnehmen, dann wird das die totale Katastrophe. Wenn wir wollen, dass die Menschen in Bangladesh und in Indonesien nicht ertrinken und ihre Häuser nicht zerstört werden, sollten wir ihnen helfen, feste Häuser und Dämme zu bauen, wie in Holland, da stirbt kein Mensch wegen Überschwemmung.“ Statt hysterisch über Fragen zu diskutieren, war sein Subtext, von denen wir nichts wissen.
Doch damit kam er nicht durch, die Politkerinnen wollten den Zuschauern jetzt etwas Aufmunterndes sagen, schließlich ist die Talkshow auch ein nützliches Werbe-Schaufenster, sie konkurriertem ums Wort wie um die Wurst, und jede wusste, dass sie einiges tun, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Um unter zwei Prozent der Erderwärmung zu kommen, um so das Rad des Fortschritts weiter in eine gute Zukunft rollen zu lassen. Natürlich mit Elektroautos und ganz wichtig mit neuen Konzepten der Mobilität. „Die Menschen wollen so schnell wie möglich von A nach B, nicht bloß große Autos.“ Immer wieder stellt sich die Politik vor „die Menschen”, die gar nicht so dumm sind, wie viele meinen. Wenn die Ungewissheiten und die Fragen zu groß sind, sollte man wenigstens tüchtig gschafteln. Das erwartet auch Kachelmann von der Politik, Schellnhuber, der ja seit langem Berater der Frau Merkel ist, lobte die beiden politischen Damen, sie haben seine Botschaft begriffen. Reichmuth wurde durch die Talkshow in seinem Unglauben wohl noch bestärkt. Und Frau Maischberger dankte schließlich ihren Gästen „für die vielen Ergebnisse“, die irgendwo im Schwall der Worte untergegangen sein müssen.
Wim Setzer ist Kunstkritiker und Journalist.