Sandra Maischberger möchte am Tag nach dem deutschen Nationalfeiertag über West- und Ostdeutschland sprechen. Über „Tage der Uneinheit“ Und sie fragt: „Ist Deutschland gespalten?“ Ein dolles Stück. Denn fragt da nicht eine der aktivsten Spalterinnen? Eine Talkmasterin des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, die zuvor den Graben quer durch die Gesellschaft Sendung für Sendung weiter vertieft hat? Wer das anders sieht, der möge bitte nachlesen. Zum Beispiel hier
Also: schon die Fragestellung ist falsch. Die Moderation möchte einen Keil dort hineintreiben, wo zusammengewachsen ist, was einmal zusammengehören sollte und wollte. Möglicherweise aber ist die Spaltung auch zu allererst gar keine horizontale, sondern eine vertikale. Eine zwischen oben und unten. Zwischen den Bürgern und jenen, die sich zu ihren Schulmeistern emporschwingen wollen, den politischen Eliten, den Absahnern und ihren Gefolgsleuten in den Medien und Chefetagen. Nein? Könnte man aber so lesen, wenn man in den sozialen Medien mal dem Volk auf’s Maul schaut, solange dort die Maas’schen Löschteufelchen noch nicht zugeschlagen haben.
Der interessanteste Gast allerdings sollte doch Boris Palmer sein: Der Grünen-Politiker musste innerparteilich einiges einstecken, als er einen härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik genannten Immigrationspolitik forderte – auch deshalb, weil er es wagte, darüber sogar noch ein Buch zu schreiben – dankbar aufgenommen vom politischen Gegner. Dennoch: beharrlich glaubt der Oberbürgermeister von Tübingen: „Meine Politik ist das beste Rezept gegen die AfD“,
Also los geht’s. Frau Gaus darf zuerst und meint, Risse hätte es schon immer gegeben. Das wüsste sie auch deshalb so genau, weil ihr Vater der ständige Vertreter der Bundesrepublik in der DDR war. Man erinnert sich dunkel. Herr Patzelt sieht einen der Gründe warum die AfD im Osten so viel Stimmen bekam auch darin, dass die Linke nicht mehr die Rolle hat, die sie zuvor gespielt hätte. Herr Palmer erinnert daran, dass man niemand zurückholen kann, den man vorher beschämend nennt. Das Vokabular müsse geändert werden.
Ehepaar Hansen ist dran. Er betrachtet sich als 89er mit einem intensiven Gefühl, sich gegen Bevormundung wehren zu müssen. Patzelt weiß nicht, wer sich bevormundet fühlen könnte. Dafür bräuchte es doch keine Sammelbewegung für aufgestaute Gefühle. Brunowksy erinnert an das Sommermärchen, da wäre doch noch alles anders gewesen und er war auch noch auf der Höhe der Zeit, damals, wie schön war das doch in der Jugend. Und heute riefen so viele „Volksverräter“, wenn die Bundeskanzlerin irgendwo auftritt. Dabei ginge es doch so vielen besser. Dresden und Leipzig ständen im bundesweiten Städteranking unter den ersten vier.
Für die TAZ–Journalistin entsteht viel Ohnmacht aus der Globalisierung. Sie scheint die letzte Linke bei der durchgegrünten TAZ zu sein. Patzelt erinnert wieder an die West-Alimentierung der neuen Bundesländer in den letzten 27 Jahren. Irgendetwas wie Dankbarkeit müsse da schon sein. Und Verantwortung übernehmen auch für die DDR. Immerhin hätten viele am System mitgearbeitet. Jetzt immer nur wie die Kinder an der West-Mutterbrust saugen, ginge nicht. Klar ist hier allenfalls: So etwas hätte kein Westler sagen dürfen.
Ehepaar Hansen ist die ersten 30 Minuten zum Zuhören verdammt. Brunowksy erinnert, dass man zu DDR Zeiten wenig mit Ausländern zu tun hatte, aber in der Diktatur wusste, mit welchen Mitteln man Sicherheit schaffen kann. CDU-Politiker Patzelt erinnert noch mal daran, dass der überwiegende Teil der Menschen im Osten nicht wie die AfD ticken. Patzelt war übrigens der, der privat die beiden Afrikaner als leuchtendes Beispiel aufgenommen hatte und damit durch die Presse ging.
Familie Hansen darf immer noch nicht. Nun sind seit der Vorstellkung der beiden ungleichen Partner schon 40 Minuten vergangen. Die Fremdenfeindlichkeit ist kein Ostdeutsches Problem, weiß die Dame von der TAZ. Rassismus und Ausländerfeindlichkeit seien Ventile. Sie selbst fand Frau Merkels „Flüchtlingspolitik” übrigens „prima“. Die Wut über Globalisierung und ein nicht demokratisches Europa hätte auch ein anderes Ventil gefunden, wenn die „Flüchtlinge” nicht gekommen wären. Eine steile These. Zu steil, um hier von der Runde aufgenommen zu werden.
Nach 45 Minuten nimmt sich Herr Hansen von der AfD einfach das Wort und holt dankenswerterweise den selbstgefälligen Herrn Patzelt von seinem Gutbürger-Podest, auf dem er immer höher wuchs. Hier beginnt dann auch das Durcheinanderreden, weil sich auch Frau TAZ dem AfDler entgegenstellen will. Aber leider wurde Herr Patzelt kritisiert und nicht sie. Patzelt verspricht jetzt, in den nächsten vier Jahren der Wut hinterher zu gehen, „Da beißt die Maus keinen Faden ab.“ Na dann.
Maischberger fragt sich, wie das zu Hause sei bei Hansens. Auch Herr Maischberger hätte Ihr die Frage mit auf den Weg gegeben. Dann muss sie. So geht’s bei den Maischbergers also. Und dann wird’s schön: Frau Hansen nennt Stegner aus der eigenen Partei als negatives Beispiel für Bevormundung. Na hoffentlich kommt morgen kein cholerischer Stegner mit roten Farbbeuteln im Gepäck zu den blöden Hansens nach Langballig. Weit hat er es ja nicht.
Tatsächlich wird das Gespräch besser in dem Moment, wo die Hansens ins Spiel gekommen sind. Hier sitzt eine SPD-Politikerin, die offensichtlich anders umgeht mit der AfD als Maischberger und der ganze Rest der Runde und alle Runden zuvor. Und es wird auch klar, dass es nicht alleine daran liegt, dass Ihr Ehemann bei der AfD ist.
Frau Gaus möchte die Ängste und Nöte der AfD nicht ernst nehmen, schon gar nicht bei Hooligans und Stöckchen hinhaltenden Funktionären. Da hört es bei ihr auf mit dem Verständnis. Das Parteiestablishment der AfD würde zündeln, ohne selbst Flüchtlingsheime anzuzünden.
Zwei Journalisten, ein Grüner, ein CDUler und ein Ehepaar mit unterschiedlicher Parteizugehörigkeit, das sich erstaunlich gut versteht. Aber was war das nun? Die AfD zwar durchgehend im Mittelpunkt der Diskussion. Aber man kreist auch hier um die Partei, als tanze man um ein goldenes Kalb des politischen Protests gegen das Establishment als Gotteslästerung.
Versöhnliches zum Schluss: Martin Patzelt versteht das Ehepaar als Modell, wie wir miteinander umgehen könnten. Und die AfD sei eben nun da in den Parlamenten, wo jetzt solche Diskussionen geführt werden könnten. Bloß klingt das ebenso vernünftig, wie das, was Boris Palmer über den Umgang mit der AfD gesagt hat. Aber man muss an dieser Stelle eben auch konstatieren, dass beide damit Außenseiter in ihren Parteien sind. Außenseiter in allen etablierten Parteien wären.
Ja damit sogar außerhalb des Konzeptes der gesamten Sendung stehen. Nur hier traut sich Sandra Maischberger diesmal einfach nicht, ihren üblichen Dämonisierungskurs zu fahren. Wer mag, verstehe das als Fortschritt. Aber es steht zu befürchten, dass schon die nächste Sendung wieder nach dem alten Muster verläuft. Schauen wir auch dann mal.
Ach so, Brunowksy (1968 Offiziersanwärter bei der Bundesmarine, Corpsstudent) sagt dann noch Obrigkeits-treu, Stanislaws Tillichs „Deutschland muss Deutschland bleiben“ sei total beknackt – und Palmer und Patzelt schlagen sich dabei zustimmend gegenseitig auf die Schenkel. Von so einer Phalanx kann doch die Kanzlerin bei ihren Jamaika-Verhandlungen nur träumen, oder? Sympathieträger des Abends, natürlich ganz klar: Kerstin und Frank Hansen. SPD und AfD. Na, das ist doch mal was.