Tichys Einblick
Verkehrte Welt

Bei Maischberger: Benutze die Argumente – beschimpfe den Absender

In dieser Sendung benutzt jeder Argumente der AfD und macht sie sich zu eigen. Zugleich aber wird die blaue Partei beschimpft. Es zeigt sich wieder mal: Nicht, was jemand sagt, sondern wer es sagt, ist entscheidend. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Maischberger

Man könnte meinen, die Zeiten seien etwas sanftmütiger geworden, offener, verbindlicher, diskursiver. Als setze man sich bei Maischberger etwas weniger voreingenommen mit der AfD auseinander. Doch falsch, alles ist viel perfider: Nach den Wahlerfolgen der AfD in Thüringen und Sachsen liegen die Nerven offenbar derart blank, dass einfach jeder, ob nun Journalist oder Politiker, plötzlich ganz nonchalant so tut, als habe man selbst ja schon immer dies und das vertreten. Dies und das – all das, was man vor wenigen Wochen noch verteufelte. Man übernimmt die Argumente der AfD und beschimpft zugleich den Absender.

Wie verkehrt diese vorgespielte Welt ist, dafür ist ein Freudscher Versprecher gleich zu Beginn der Sendung das schönste Sinnbild. Sandra Maischberger sagt: „Wir haben einen Kanzlerkandidaten der Union, Ralf Ste… äh, Ralf Stegner sag ich, oh Gott, oh Gott – Friedrich Merz!“ SPD-Mann Stegner, von seinen Genossen liebevoll Pöbel-Ralle genannt, soll später noch zu Wort kommen. Zunächst sind, wie immer in der Sendung, die drei „einordnenden“ Journalisten dran.

Und die ordnen, was das Zeug hält. Für die ehemalige ARD-Moderatorin Bettina Böttinger sind die 38 Prozent der Jungwähler (bis 24 Jahre), die in Thüringen die AfD gewählt haben, von besonderem Gewicht. „Wenn man den Jungen das Gefühl gibt, okay, ihr könnt wählen, wie ihr wollt, aber wir ziehen unseren Stiefel durch gegen die AfD, dann hat das auch für die einen Effekt – dass die sagen: Demokratie ist das nicht.“

Gregor Peter Schmitz, Chefredakteur der langsam untergehenden Illustrierten „Stern“, gibt unerwartet offen zu: „Ich glaube, dass wir tatsächlich lange manche Aspekte der Flüchtlingspolitik ignoriert haben.“ Interessant! Für sein Blatt dürfte diese Einsicht vermutlich zu spät kommen.

Wer sich in dieser Runde etwas traut, ist die Bestseller-Autorin Nena Brockhaus, doch ihren Mut muss sie stets in die noch immer erforderlichen Entschuldigungsfloskeln kleiden. Das hört sich dann so an: „Ich weiß, dass meine These fast schon gefährlich ist, weil man schnell in die Ecke gestellt wird, dass ich AfD-Sympathisantin bin, das bin ich nicht.“ Erst danach folgt die eigentliche Aussage. Zu möglichen AfD-Koalitionen sagt sie etwa: „Wenn die Bürger das wollen, muss auf Landesebene eine Koalition in Erwägung gezogen werden. Von Anfang an zu sagen, es ist uns völlig egal, was die Bürger wählen, wir machen es nicht mit der Partei, halte ich für undemokratisch.“

Die ehemalige Bild-TV-Moderatorin kritisiert auch den eigenen Berufsstand: „Die publizistische Brandmauer hat nicht funktioniert, und die politische Brandmauer funktioniert auch nicht.“ Gleich zweimal erntet sie Applaus, was an diesem Abend selten ist. Zum einen für den Satz „Ich bin dafür, dass Koalitionsgespräche geführt werden“ und zum anderen für „Nicht jede Aussage der AfD ist immer nur falsch“. Derweil ist Stern-Genosse Schmitz weiterhin im alten Frack gefangen. Er warnt vor den AfD-Politikern, weil sie „unser demokratisches System bekämpfen“. Dass sich die AfD für Volksentscheide einsetzt – ach bitte, keine lästigen Fakten.

Stargast des Abends, weil Einzelgespräch, ist der scheidende Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow. Der Mann, der einst schnelle Neuwahlen versprach und dann „vergaß“, sein Versprechen einzulösen, spricht viel von Verantwortung. Doch auch er bedient sich bei der AfD. „Wir brauchen Zuwanderung, aber geordnete“, sagt er. „Wir reden nur noch über Fehler, aber wir lösen sie nicht.“

Er gibt sich demütig: Man habe „ganz viele Fehler gemacht“, etwa „bei der Corona-Pandemie keine Aufarbeitung bis heute“. Das sei eine „Zerreißprobe in der Gesellschaft“, denn: „Die Familien haben sich gespalten. Es gibt Menschen, die reden nicht mehr miteinander. Wir haben nicht die Fähigkeit, in Ruhe aufzuarbeiten, was war richtig und was war falsch.“ Etwa, dass ihm die Lockdowns noch nicht hart genug waren? Oder dass er Ungeimpfte aus den Krankenhäusern werfen wollte? Naja, derart ins Detail geht er lieber nicht.

Dass ihm seine abtrünnige Parteigenossin Sahra Wagenknecht in Scharen die Wähler abgreift, zehrt und zerrt erkennbar an dem Mann: „Das BSW hat komplett uns kannibalisiert.“ Dabei sei es besonders erstaunlich, dass ausgerechnet die CDU mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht zusammenarbeiten wolle, denn: „Wegen Frau Wagenknecht und der kommunistischen Plattform hat die CDU den Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die Linke gefasst.“ Er selbst habe seinen Posten wiederum ja nur mit Stimmen der CDU erhalten. Und jetzt solle plötzlich alles anders sein?

Verkehrte Welt. Es muss ein ähnlicher Moment für ihn sein wie damals für die Linken-Vorgängerpartei SED, als die Mauer fiel. Die Welt dreht sich, und einige schleudert es vom Karussell. Wagenknecht ist für Ramelow „wie eine Säulenheilige“, die „wie eine mediale Flut über das Land“ gekommen sei. Er ist richtig sauer, kündigt an, zukünftig keinerlei Rolle mehr zu übernehmen, auch nicht in der Partei. Sein Vorhang fällt.

Schrecklich schön absurd wird es, als es um das zweite Attentat auf Donald Trump geht. Böttinger und Schmitz sind allen Ernstes der Ansicht, er trage selbst die Hauptschuld, denn er habe ja so viel „Schärfe“ in den Wahlkampf gebracht. „Es ist absurd“, sagt Böttinger über den Vorwurf, den Trump-Vize J.D. Vance an die Demokraten gerichtet hatte, sie würden die Lage verschärfen. „Es ist eine solche Verdrehung von Tatsachen und von Wahrheiten. Dass die anderen schuld sein sollen“, sagt Böttinger. Der Zuschauer ist völlig verwirrt: Spricht sie hier etwa gerade gegen ihre eigenen Argumente? Was wäre denn eigentlich absurder? Aber Stern-Schmitz setzt noch einen drauf: „Seine Eltern erschießen, und dann beklagen, dass man Waise ist. So ist Donald Trump.“

Absurder wird es an diesem Abend nicht mehr.

Und das will etwas heißen, denn schließlich kommen noch „Pöbel-Ralle“ Stegner und eine „Russland-Expertin“ namens Sarah Pagung, deren linguistische Defizite („ebend“) kaum hinter den inhaltlichen zurückstehen. Wenn Wladimir Putin den Einsatz westlicher Waffen gegen russische Ziele als einen Kriegseintritt wertet, dann möchte sie ihn als „Expertin“ da gern korrigieren: „Nein, das stimmt natürlich so nicht. Waffenlieferungen machen keine Kriegsparteien.“ Verstanden, Herr Putin?

Stegner warnt derweil wie immer vor „Putin-Propaganda“ und „militärischen Abenteuern“. Sein Hauptargument stammt wiederum von der AfD: „Es muss was Besseres geben, als diesen Krieg fortzusetzen.“ Erkenntnis des Abends: Bis zur Brandenburg-Wahl am Sonntag werden sicher noch viele weitere Argumente der AfD geraubt.


Die Wahlwette Brandenburg läuft bis Sonntag, 22. September. Werte Leser, bitte machen Sie mit >>>

Ihre Wetten nehmen wir gerne entgegen. Wer über alle genannten Parteien hinweg am nächsten an den Ergebnissen landet, gewinnt.

Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (22.09.2024) um 17:35 Uhr. Das Wettergebnis wird bis einschließlich Dienstag, den 24.09.2024, veröffentlicht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Auf die Gewinner wartet:

1. Platz: eine Flasche Champagner
2. Platz: zwei Bücher aus dem Shop nach Wahl
3. Platz: ein Buch aus dem Shop nach Wahl

+++ Wette geschlossen +++
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