Tichys Einblick
Ganz schön gruselig

Bei Lanz: Wie reformiert man ein Land in den Untergang?

Bei Lanz geht es um Trump, Musk, Putin. Eine Sendung zum Kopfschütteln, Augenverdrehen und Seufzen. „Experten“ erklären, wie man ein Land reformiert. Oder erklären sie doch eher, wie man es dem Untergang weiht?

Screenprint: ZDF / Markus Lanz

Eine Sendung von Markus Lanz, in der der ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen mit Leib und Seele im Sessel sitzt, bietet einiges an Unterhaltungspotenzial – wenn man das Leben nicht so ernst nimmt. Ernst nehmen es die Gäste von Markus Lanz an diesem Mittwochabend aber sehr. Wie kleine Kinder sind sie gefangen von den Schreckensgestalten und Monstern ihrer eigenen Märchenerzählungen.
Der böse Wolf im Schafspelz ist natürlich Trump, der am 2. April den „Liberation Day“ verkündet hat. Der Wolf möchte von den Schafen nun hohe Zölle, wenn sie ihre Güter in die USA importieren möchten.

Das „goldene Zeitalter“ für die US-Wirtschaft kommt also auch die Europäer teuer zu stehen. Trump ist seit 72 Tagen im Amt und der SPD-Politiker und ehemalige Bundesminister für Finanzen Peer Steinbrück sieht diese Zeitspanne „als eine Art Revolution“. Eine Revolution, die er gewinnt, „weil er sich mit Vollzugs- oder Vollstreckern umgeben hat, die alle willfährig dies tun, und weil er, wie ich glaube in weiten Teilen im Augenblick der amerikanischen Gesellschaft auf eine Haltung trifft, die sich zurückzieht und die sogar inzwischen fast verschüchtert und verstört ist, überhaupt noch eine kritische Stimme gegen ihn zu erheben“.

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Wie sich dieses Schweigen nur erklären lasse, fragt Lanz ganz verwundert. In Deutschland ist man es doch so gewohnt, unzufrieden mit den Politikern zu sein? Könnte es etwa sein, dass die Amerikaner vielleicht größtenteils zufrieden sind mit Trump und seiner Politik? Eventuell, weil sie ihn aufgrund genau dieser Wahlversprechen gewählt haben? Nein, das kann natürlich nicht sein, sowas ist man hierzulande vor allem seit der letzten Wahl nicht mehr gewohnt. Steinbrück kennt die Antwort: Trump beherrscht seine Bürger durch „Power Placements“ – die Kontrolle von beruflichen Schicksalen oder Kürzungen von staatlichen Zuwendungen. Das muss es sein. Da sind sich die Gäste d’accord.

Geradezu schockiert ist die Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld darüber, dass „Forscher nicht mehr sagen können, was sie forschen wollen oder eben Unternehmen noch nicht mal mehr machen dürfen in der Personalpolitik, was sie machen wollen – nämlich Gleichstellung, Gleichberechtigung und Inklusion zu praktizieren“. Auch das ein erfülltes Wahlversprechen: das Ende des Wokeismus.

Um zu wissen, wie Elmar Theveßen darüber denkt, muss man nicht in die Glaskugel schauen. Die USA ist für ihn ein Land, „das nicht mehr als Demokratie erkennbar ist“, er fürchtet für Menschen, die „bei falschen Gedanken erwischt werden“, „Repressalien in ihrem Alltag“. Lanz weiß dazu sofort ein passendes Beispiel. Nein, keine Hausdurchsuchungen wegen eines „Schwachkopf“-Memes. Im Bundesstaat Massachusetts wurde eine türkische Studentin an der Tufts Universität festgenommen. Ihr wurden Unterstützungen der Hamas vorgeworfen. Die Doktorandin Rumeysa Oztürk wurde von zivil gekleideten Beamten des Heimatschutzministeriums abgeführt. Die Kritik der Gäste an dem Vorgehen der amerikanischen Beamten marginalisiert, dass sich der Judenhass nicht nur an amerikanischen Universitäten rasant verbreitet. Die Studentin rief zum Boykott von Israel auf und forderte die Universität auf, einen Völkermord an Palästinensern anzuerkennen. Konsequenzen für das hasserfüllte Verhalten vieler Anti-Israel-Bewegungen können in Deutschland nicht nachgewiesen werden. Und so wird hier die Bedrohung für Juden einfach toleriert. Keiner der Gäste spricht das an.

Im Gegenteil, das Trump-Bashing geht weiter. Die Reform der amerikanischen Bürokratie bringt den zweiten Wolf im Schafspelz auf den Bildschirm: Elon Musk mit einer Kettensäge in der Hand. Der „Experte“ Steinbrück erklärt: „Musk will den Staat nicht effizienter machen, er will ihn abschaffen.“ In Deutschland ist das ganz anders: „Bei und geht es darum, den Staat schlanker, effizienter, freundlicher und in der Tat digitaler zu machen.“ Spätestens hier beginnt das Kopfschütteln über Steinbrück. Weidenfeld bringt sanft ein, dass so eine Verwaltungsreform, wie Musk oder Milei sie angehen, schon sinnvoll wäre. Aber das stößt auf taube Ohren. Nein, nein, die SPD profitiert davon selbst viel zu sehr.

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Die düstere Stimmung über den Weltschmerz kann nicht einmal das Gerücht der Entlassung Musks aufhellen. Theveßen erklärt die Trennung aufgrund Musks Anstellung als Special Government Employee für 130 Tage – das wird nichts an der engen Zusammenarbeit mit Trump verändern. Aber es sei nun „opportun, ein bisschen Abstand zu schaffen“ im Blick auf eine dritte Amtszeit von Trump. Die Mehrheit hierfür könnte er sich beschaffen, indem er „das amerikanische Wahlrecht aushebelt“, so Theveßen. Tatsächlich wird jedoch durch die Verschärfungen des Wahlrechts von Trump verhindert, dass Menschen ohne Ausweisdokument wählen können. Eine äußerst sinnvolle Änderung – nicht, wie zum Beispiel das Wahlrecht wegen Hass und Hetze Bürgern entziehen zu wollen.

Was Steinbrück von Trumps protektionistischer Handelspolitik halte, möchte Lanz dann endlich wissen. „Das ist völlig bescheuert.“ Er sieht darin nur eine „Selbstbeschädigung“. Weidenfeld dagegen sieht dahinter die Idee Trumps, den Staat nur noch über Zölle finanzieren zu wollen. Trump selbst sagt dazu: „Lasst uns Gott an die erste und Religion an die zweite Stelle setzen. Liebe müssen wir wohl an die dritte Stelle setzen und dann kommt Zölle, weil Zölle uns verdammt reich machen werden.“ Ob diese Zölle die USA wirklich ins „goldene Zeitalter“ führen, bleibt äußerst fraglich.

Für Deutschland könnten hohe Zölle bedeuten, dem Untergang noch rapider entgegenzurollen. Ein Handelskrieg muss vermieden werden. Lanz zitiert Sigmar Gabriel, welcher auf X zu dem Thema schreibt: „Die richtige Antwort auf Trumps Autozölle? Keine ‚Gegenzölle‘ der EU sondern das Angebot, alle Zölle auf Autos auf 0 zu setzen. Wenn die EU 10% Zölle auf US Autos erhebt und die USA umgekehrt nur 2%, hat Trump Recht. Also alle Zölle weg statt gegenseitigen Handelskrieg.“ Lanz möchte von Steinbrück wissen, woher diese historische Diskrepanz kommt. Steinbrück zuckt mit den Schultern: „Mir fällt dazu nichts ein.“ Er sehe es irgendwie schon auch so wie Sigmar Gabriel – aber dann würde Trump bekommen, was er wolle, und das will er nicht.

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Was wäre eine ÖRR-Sendung, wenn Putin keine Erwähnung finden würde? Hierfür ist der Experte und Autor Michael Thumann eingeladen. Er erläutert Wladimir Putins Sichtweise auf die USA und Europa. „Wie schaut man denn in Moskau auf das, was gerade in Amerika passiert? Mit Häme, mit Genugtuung?“, fragt Lanz. „Mit viel Champagner.“ In der russischen Gesellschaft sei Freude darüber, dass Trump „alle ihre Narrative übernahm, alle Erzählungen über die Ukraine, die Putin schon immer erzählt hat“. Thumann schreibe in seinem Buch: „Es gibt immer diesen einen Krieg, den er am Köcheln hält, damit man sozusagen ablenken kann von innenpolitischen Problemen.“ Deswegen muss Deutschland wohl plötzlich für einen Krieg aufrüsten, der anscheinend vor der Tür steht. Mit innenpolitischen Problemen kann Deutschland hausieren gehen.

Das „Schlusswort“ übergibt Lanz schließlich Weidenfeld und darauf hätte nun wirklich verzichtet werden können. „Warum lassen wir uns denn eigentlich so beeindrucken von diesem J.D. Vance und von diesem Herrn Trump?“, fragt sie in die Runde. „Wir haben eine super funktionierende Demokratie.“ Dann beginnt sie aufzuzählen: „[…] Ein Kontinent, der seine Bürger anständig behandelt, in dem die Gewaltenteilung funktioniert, die Meinungsfreiheit funktioniert, in dem Universitäten nahezu kostenlos sind, ein Gesundheitssystem funktioniert – und manchmal sogar die Bahn fährt.“

Ironie sucht man bei ihr vergeblich.

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