Ulrich Kienzle (Sie erinnern sich? „Noch Fragen, Kienzle? Ja, Hauser!„) führte es jedem vor Augen und Ohren, dem es noch nicht aufgefallen ist. Die Identität von „Linken“ und „Linksliberalen“ besteht immer öfter nicht mehr in einem eigenen Standpunkt, den es zu beschreiben und begründen gilt, sondern in der Ersatz-Identität „Abgrenzung“ von der AfD oder einfach von „Rechts“. Da gilt Begründung als nicht notwendig.
Bei Markus Lanz, höflich formuliert: keinem politischen Profi, war Kienzle zwar, wie er mehrfach betonte, mit Hamed Abdel-Samad einer Meinung. Sogar bis hin zur unmissverständlichen These, dass der Islam höchstens in Teilen reformierbar sei. Aber in seiner Gesamtheit nicht davon abginge, dass Frieden in der Welt erst dann herrschen könne, nachdem durch Gewalt und Töten der Islam über die ganze Welt herrsche. Doch dann formulierte Kienzle zwei höchst denkwürdige Abgrenzungen.
Der Islamkritiker aus dem ägyptischen Imam-Haushalt hätte seine Mohammed-Kritik doch nicht mit dem Säbel oder dem Vorschlaghammer vortragen müssen, sondern mit dem Florett. Dieses Florett stand Kienzle nicht zur Verfügung, als er Abdel-Samad vorwarf, er hätte seine Ansichten über den Islam nicht bei der AfD vortragen dürfen.
Er sei in letzter Zeit oft in den U.S., erzählte Hamed Abdel-Samad. Dort dürfe er selbstverständlich überall reden, wo er wolle: „In Amerika werde ich daran gemessen, WAS ich sage, nicht WO.“ Na, da hatte Kienzle das verlangte Florett, touché. Wie andere weiß er nicht, dass Florett die gefährlichere Waffe ist als Säbel, wenn der Stich sitzt. Der Zuschauerapplaus gehörte Abdel-Samad.
Mit bei Lanz saß Nikeata Thompson, Choreografin und Tänzerin, die als Andersfarbige in ihrer Schule in Wermelskirchen fünf Jahre Mobbing ertrug, bis sie diesem als 14-Jährige ein Ende setzte. Lanz fragt wie? Die ansteckend fröhliche Lady antwortete trocken und mit gewinnendem Lächeln, ich habe zugeschlagen, habe mir einen geschnappt. Näheres wollte Lanz nicht wissen. Und auch sonst fragte keiner. Aber offensichtlich gibt es die Welt und den Schulhof weiterhin, die ich kenne. Auch im vordergründig abgerüsteten Deutschland.
Vor Lanz hatte ich mir Illner angeschaut, weil ich nicht sicher war, ob Stephan Paetow dazu kommt. Tat er aber und berichtete hier heute früh. Mein Blick auf die Illner-Runde gestern ist einfach der: Jene Zuschauer, die ausgeharrt haben, sahen und hörten Parteipolitiker, für die kein Thema so ernst sein kann, dass sie sich nicht darin erschöpften, die Schuld für alles jeweils anderen Parteien zuzuschieben. Die ganze Veranstaltung das Gegenteil von Vertrauensbildung.
Lanz war im Ergebnis erhellend, Illner verdunkelnd.