Eigentlich sind öffentlich-rechtliche Talkshows bräsig und langweilig. Die Moderatoren bleiben oftmals zu handzahm und die geladenen Politiker können unwidersprochen ihre eingeübten Phrasen absondern. An diesem Abend kann der ZDF-Zuseher einem gänzlich anderen Talk beiwohnen. Sowohl Moderator Markus Lanz als auch seine Gäste schonen sich gegenseitig nicht und es entsteht tatsächlich ein politischer Mehrgewinn für den Zuschauer.
Klassenkampf zu später Stunde
Wer den Namen Johannes Winkel noch nie gehört hat, sollte sich ihn für die Zukunft merken. Der Chef der Jungen Union hat das Zeug zu einem starken konservativen Leader in der deutschen Politiklandschaft. Bei Lanz düpiert er seinen sozialistischen bzw. kommunistischen Counterpart Philipp Türmer nach Belieben. Türmer lässt sich zu einer Performance als „Bubi-Guevara“ hinreißen und hetzt in einer Tour gegen die Leistungsträger der Gesellschaft. Obendrein offenbart der studierte Ökonom große wirtschaftliche Wissenslücken. Zum Beispiel möchte er die Schuldenbremse so schnell wie möglich überwinden. „Die Schuldenbremse ist die angezogene Handbremse des Staates“, schimpft er. Aus seiner Sicht verhindern CDU und FDP nötige Investitionen in die Wirtschaft. „Die CDU und FDP sind auf Geisterfahrerkurs“, ätzt der Jungpolitiker. Die Schuldenbremse sei Klassenkampf von oben, meint Türmer, weil sie Sozialausgaben begrenze.
Der JU-Chef sieht die Probleme für die hiesige Wirtschaft deshalb nicht in der Schuldenbremse. „Die Welt lacht über die deutsche Standortpolitik“, kritisiert Winkel die regierende Ampel. Er fordert Bürokratieabbau und ein Ende der Energiewende. „Wir haben zu teure Energie“, bemängelt er. Lanz kommt auf ein Sofortprogramm der CDU für die deutsche Wirtschaft zu sprechen. „Wer finanziert denn das?“, fragt Lanz in Richtung Winkel. Dieser antwortet mit einer Vielzahl an Möglichkeiten. „Wir geben 50 Milliarden für irreguläre Migration aus“, rechnet der Jurist vor. Winkel möchte die 10 Milliarden Subventionierung für Intel streichen. Außerdem würde er das Bürgergeld sofort kürzen. Und zu guter Letzt würde er die Rente mit 63 einstampfen, erklärt Winkel.
Der JU-Chef nennt viele Posten, die den Staat viel Geld kosten und die in der Tat reduziert gehören. Doch die richtigen Forderungen von Winkel haben einen kleinen politischen Schönheitsfehler. Alle Ausgaben, die er bemängelt, hat die CDU mitbeschlossen. Man sollte daher in Zweifel ziehen, ob die CDU in einer Regierung tatsächlich den von Winkel geforderten Sparkurs umsetzen würde. Die CDU-Mutterpartei müsste mehr JU wagen.
Juso-Chef gegen deutschen Mittelstand
Wer geglaubt hatte, dass die Jungsozialisten nach Kevin Kühnert nicht weiter nach links abdriften könnten, musste sich bei Lanz eines Besseren belehren lassen. Mit dem Hessen Philipp Türmer ist ein stramm-linker Umverteilungsfanatiker Vorsitzender der Jusos. Türmer hat ein ganz großes politisches Feindbild ausgemacht: wohlhabende Leistungsträger der Gesellschaft. Deshalb kritisiert er Winkels Kürzungswünsche des Bürgergeldes aufs Schärfste. „Du machst Klassenkampf von oben“, verurteilt er sein Gegenüber. Seiner Antipathie gegen finanzstarke Bürger lässt er bei Lanz freien Lauf: „Ich nenne Reiche Schmarotzer.“ So viel Garstigkeit tut beim Zuhören weh.
Merkels Flüchtlingskurs rückgängig machen
Was sich viele in der CDU nicht trauen, traut sich der JU-Chef. Er möchte mit Merkels Flüchtlingskurs brechen. Sein Vorschlag ist, interessanter für Fachkräfte aus dem Ausland zu werden und restriktiver gegen irreguläre Migranten vorzugehen. „Zuwanderung hat ein schlechtes Image“, kritisiert Winkel. Er merkt an: „Alle in Europa haben ihre Willkommenskultur geändert.“ Für den linken Juso-Chef ist eine Änderung in der Migration auch ein Ziel. Allerdings möchte er noch mehr Zuwanderung von Flüchtlingen. „Wir brauchen sichere Fluchtwege nach Europa“, fordert Türmer.
Im Klartext ist es eine Forderung nach mehr Schlepper-Taxis im Mittelmeer. Eine Begrenzung ist aus Türmers Sicht moralisch unvertretbar. „Wir brauchen keine Abschottung“, meint er. Wie sehr er sich irrt und mit seiner wohlmeinenden Haltung die eigenen Wähler vergrault, offenbart ihm Winkel. „In Deinem Heimatland Hessen haben 40 Prozent der Arbeiter AfD gewählt“, erklärt er dem irritierten Türmer. Winkel möchte das Asylrecht ändern, um Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. Bis jetzt könne jeder Migrant kommen und bleiben. Dies möchte er ändern.
Als Fazit der Sendung lässt sich festhalten, dass es zu einer Konfrontation zwischen zwei politischen Welten kam. Auf der einen Seite zeigt ein pragmatischer konservativer Realpolitiker seine Einsicht zu politischer Vernunft und auf der anderen Seite offenbart ein Politiker von Linksaußen, dass er dringend seine Radikalität in einem politischen Abklingbecken für Extremismus verlieren sollte. Vielleicht sollten die öffentlich-rechtlichen Talkshows diese Art der Zweier-Kontroversen öfter anbieten, als dass in den Sendungen unzählige unwichtige Experten und Meinungsmacher teure Sendungszeit vergeuden, indem sie immer nur das Gleiche von sich geben. Für den Zuschauer wäre es allemal spannender.