„Wir leben in einer Zeitenwende“, attestiert Illner in ihrem Eingangs-Monolog. Auch das Thema der Sendung hieß gleich noch: „Ein Jahr der Krisen – Angst vor der Zeitenwende?“ Klar, unter Zeitenwende machen wir‘s beim ZDF ja auch nicht. So wichtig war es dann aber anscheinend auch nicht, denn die Sendung, die normalerweise um 22:15 Uhr läuft, wurde erst auf 22:45 Uhr und dann spontan auf 23:00 Uhr verschoben. So arbeitet man nur, wenn Einschaltquoten nur nice to have sind, denn die GEZ zahlt sowieso.
Es ist die letzte Folge Illner in diesem Jahr (Gott sei Dank) und so war wohl eigentlich eine Art Jahresrückblick auf all die großen Themen des Jahres 2022 geplant. Da hatte Illner aber die Rechnung ohne ihre Gäste gemacht. Schon beim ersten Namen werden Sie sehen, was ich meine. Die Bundesvorsitzende der Grünen Jugend, Sarah Lee Heinrich, saß im Studio. Falls Sie sich bei den ganzen jungen Mädels mit wenig Ahnung, aber viel Empörung nicht so auskennen, lassen Sie mich Ihnen auf die Sprünge helfen. Sarah ist jene, welche alle weißen Menschen aus Amerika rauskehren will und die weiße deutsche Mehrheitsgesellschaft in Deutschland widerlich findet. Sie ist die, die in ihrer Jugend Hakenkreuze und Nazi-Parolen auf Twitter gepostet hat, diesen Skandal aber überlebt hat, und gleichzeitig Sie schon canceln will, dafür dass Sie sich zum Fasching als Indianer verkleiden.
Die Reaktion der Letzen Generation: Die Presse führt eine Kampagne gegen sie, sie haben alles richtig gemacht und sind die Unschuld in Person – und an dem Tag, an dem der Tod der Frau bekannt gegeben wurde, blockierten die „besorgten Aktivisten“ eine wichtige Zufahrtsstraße zur Charité. Krankenhäuser blockieren sie gerne, so gerne wie sie falschen Alarm im Bundestag auslösen, was einen frustrierten Aufwand an Einsatzkräften nach sich zieht, während sie gleichzeitig selbst dann die Straße nicht räumen, wenn im Stau ein Krankenwagen mit Blaulicht steht, der zu einem tatsächlichen Einsatz muss. Die Letzte Generationler haben schon mehr als einmal klargemacht, dass sie so von Ideologie zerfressen sind, dass sie die Gefährdung als Kollateralschäden für die gute Sache billigend in Kauf nehmen – und im Gegenteil zu dem Reichsbürger-Rentnerverein – entsprechend handeln.
Sie führt hier einen Spagat vor, den in dieser Sendung auch noch weitere Gäste vollbringen: die eine Gruppe verharmlosen, bei der anderen Gruppe davor warnen, sie nicht zu verharmlosen, und das alles auf Basis von politischen Sympathien. Dass diese Art von vornherein lächerlich sein muss, ist eigentlich ziemlich offensichtlich. Bildlich gesprochen: Ist der Serientäter in der einen Zelle plötzlich ein unschuldiger Mann, weil nebenan einer eingeliefert wird, der Taten planen soll?
Nach dieser Aufführung von Verbiegungskünsten war Sarahs Zweck in der Sendung erfüllt. Denn eine andere junge Frau tritt auf die Bühne: Hedwig Richter. Sie ist Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr München und nebenbei noch Duracell Häschen.
Aufgekratzt und überglücklich da zu sein, grinst sie wie ein Honigkuchenpferd und klingt weniger wie eine Professorin und mehr wie ein Kindergartenkind, das bis nach dem Sandmännchen aufbleiben darf, obendrauf seinen ersten Schluck Cola getrunken hat und jetzt erzählt, was es heute für eine riesige Raupe gesehen hat. Zusätzlich ist schon irgendwie fraglich, was sie da denn eigentlich unterrichtet. Neueste Geschichte? Ist das sowas wie gestern? Es klingt, gerade im Zusammenhang mit dem, was sie in der Sendung zum Besten gibt, nach einer geschönten Bezeichnung für: „Kann ganz toll den aktuellen Zeitgeist runterbeten und dabei lächeln“.
Aber Inhalte hin oder her, eins ist klar: Claus Kleber ist Hals über Kopf in sie vernarrt. Claus Kleber – nur zur Einordnung – hat sein Leben lang irgendwas mit Journalismus gemacht, soll wohl ganz berühmt gewesen sein. Das Ganze ist aber inzwischen nicht mehr wichtig, denn da er auch US-Korrespondent war, ist er inzwischen Vollblutamerikaner. So bringt er auch bei allem immer Amerika ein, auch wenn es gerade gar nicht passt. Aber so sind die Deutschen. Mal beim Griechen gegessen und die Servietten mit Griechisch-Vokabeln gelesen, und schon schreiben sie in ihren nächsten Lebenslauf „Griechisch“ unter Fremdsprachen.
Jedenfalls war das am Anfang so. Aber dann hat Hedwig Richter gesagt, dass sie „die Jugendlichen gut verstehen“ könne, auch wenn sie nicht ganz mit ihren Methoden einverstanden sei, denn: „Dass man so, als wenn das Problem diese Letzte Generation sei und nicht die Zerstörung, die wir mit unserem täglichen Leben vornehmen“, findet sie schlimmer als so’n bisschen ziviler Ungehorsam mit so’n paar Menschenopfern. Aber da war dann auch Kleber nicht mehr zu stoppen: „Das muss ein demokratischer Staat aushalten, dass die Zufahrt zum Flughafen zugeklebt ist für paar Stunden. Das müssen wir verkraften.“ Hey, wozu auch kritische Infrastruktur?
Tja, und was macht Sarah Lee währenddessen? Denn sicher ist sie doch froh, dass sie ihr Parteiprogramm gar nicht selbst runterbeten muss, sondern ihr das an prominenter Stelle abgenommen wird? Fehlanzeige. Sie sitzt zwischen den beiden Turteltäubchen und rollt mit den Augen, während Kleber wie ein Schulmädchen kichert. „Nehmt euch ein Zimmer“, sagt ihr Blick. „Und gebt mir das Spotlight wieder zurück!“, fügen ihre runtergezogenen Mundwinkel hinzu. Eine Sache werde ich über die Weihnachtspause doch vermissen: Illner zu gucken, ist wie Leute im Café beobachten – nur, dass man hier näher herankommt.