Wenn der Satz „Wer mit 20 Jahren nicht Sozialist ist, der hat kein Herz, wer es mit 40 Jahren noch ist, hat kein Hirn“ mehr als eine hübsche Sottise ist, dann hätte Janine Wissler, stellvertretende Parteivorsitzende von Die Linke nicht mehr viel Zeit, die Welt von ihrem Verstand zu überzeugen. Noch pocht ihr Herz leidenschaftlich für die Enteignung von Wohnraum, wie sie es einst, lange ist es her und doch unvergessen, im Roten Kloster, der Journalistenschule der DDR, gelernt hat. Jedenfalls waren sie bei Illner schon mal zu zweit mit der Abgeordnete der Nachfolgeorganisation der SED.
Der Dritte im Bunde war Rouzbeh Taheri, der die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ gegründet hat und in Berlin so eine Art Greta der Wohnungspolitik wurde. Viel weiß man nicht über ihn, außer, dass der Iraner ebenfalls mal bei Die Linke war, aber austrat, als die Linkspartei dem Verkauf von 65.000 städtischen Wohnungen durch die SPD an die Deutsche Wohnen AG zustimmte. Also ein recht unzuverlässiger Geselle, denn die Partei, die Partei hat schließlich immer recht!
Wirklich tapfer war hingegen Maren Kern vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V., die versuchte, die Linkspopulisten mit Fakten zu Einsichten zu bringen. Die Immobilienkonzerne würden gerne mehr Wohnungen bauen, aber dann hieß es „Not in my Garden“, nicht hier und nicht so hoch. Eine Volksabstimmung habe etwa die Bebauung am Flughafen Tempelhof verhindert. Nicht alle Vermieter seien Miethaie, Enteignungen seien verfassungswidrig (obwohl sie ahnt, dass das in Allemannda nicht in Stein gemeißelt ist). Mit einer Aussage aber dürfte Maren den Berliner Zuschauern die Tränen in die Augen getrieben haben, den Münchnern allerdings auch, wenn auch aus gegenteiligem Grund: So betrage der Mietdurchschnitt der am Pranger stehenden Deutsche Wohnen sechs Euro siebzig (6,70 €)! Ja, der Teufel steckt im Detail.
Apropos. Boris Palmer ist für viele in seiner Partei und erst recht für viele außerhalb der Grünen eine Art Teufel, wie ihn die Rolling Stones einst besangen:
Pleased to meet you
Hope you guess my name
But what’s puzzling you
Is the nature of my game
Palmer verzichtet auch bei Illner auf die für seine Partei typischen demagogischen Auftritte. Der in Tübingen direkt wiedergewählte Oberbürgermeister glänzt als anpackender Pragmatiker. Er will dem Wohnungsproblem mit dem Baugesetzbuch zu Leibe rücken, in dem es ein Baugebot für unbebaute Grundstücke gebe. Zack! „Das setze ich durch!“ In Berlin könnten auf diese Weise hunderttausende Wohnungen entstehen, deutschlandweit Millionen.
Dabei dürfte sich, wer eine Umweltpolitik nach Greta (aus Schölefrö, Schweden) wählt, genauso wenig über einen Blackout mit katastrophalen Folgen wundern, wie der, der eine Mietpolitik nach Wowereit, dem Champagner-Sozialisten aus Berlin unterstützte, sich über unbezahlbaren Wohnraum wundern sollte. Genauso wie der, der den Zuzug von zwei Millionen größtenteils Subventionsempfängern am Bahnhof bejubelt, sich später nicht wundern sollte, dass Wohnungen knapp werden und die Mieten steigen.
Enteigner Taheri will „nur Großkonzerne verstaatlichen“ und „leistungslose Gewinne“ abschöpfen und das klingt wie die „Besserverdiener“ bei der SPD, zu denen bereits überschaubare Einkommen zählen, und am Ende geht es dem Häuslebauer an den Kragen. Vielleicht war deshalb von der SPD keiner da. In Zeitungen sprachen sich führende Genossen gegen Enteignungen aus, aber sich vor Publikum wegen ihrer verkorksten Berlin-Politik vorführen lassen wollten sie auch nicht. Dass wieder alle sagen: Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten. Alle bei Illner waren sich jedenfalls einig, dass Heikos Mietpreisbremsen ein einziger Schuss in den Ofen sind. Janine von der Linkspartei fand noch wichtig zu erwähnen, dass ein gewisser Sarrazin damals Finanzsenator war, und für den schämt sich die SPD sowieso. Und außerdem sei die Deutsche Wohnen eine Tochter der Deutschen Bank, was einem weiteren Schuldspruch gleichkam. Und schon wieder sind wir bei der SPD! Die will den schwer angeschlagenen Konzern mit der Commerzbank verkuppeln.
Peter Altmaier packte am Ende alle Probleme auf seine ganz spezielle Art an. „Ich lade Sie ein“, lockte der begeisterte Hobbykoch den Grünen Palmer. Bei einem Hummersüppchen lässt sich alles lösen.