„Große Offensive, große Zweifel – hat die Ukraine genug Unterstützung?“, so wurde die Illner-Folge des vergangenen Donnerstags angekündigt. Das ist jetzt nicht unbedingt eine Frage, die Illner ihren Gästen noch gar nicht gestellt hat. Man könnte sich sogar aus dem Kellerfenster lehnen und behaupten, dass sie kaum je eine andere Frage hat. Aber gut, wie will man die 10.274.653igste Russland-/Ukraine-Sendung auch groß nennen?
Mit dabei waren: Sonnenblumenurgestein Jürgen Trittin, mal wieder Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg, Ben Hodges, amerikanischer Generalleutnant a. D., ebenfalls mal wieder, wie auch Katrin Eigendorf, ZDF-Auslandsreporterin, Politikwissenschaftlerin Janka Oertel und der Leiter vom ZDF-Studio Washington Elmar Theveßen, ebenso mal wieder.
Gutes Personal zu finden ist schwer, aber gute Studiogäste zu finden ist anscheinend so schwer, dass man schon die schlechten ewig recyceln muss. Mein persönlicher Liebling der Sendung war der Simultanübersetzer von Ben Hodges, der so gut übersetzt hat, dass ich zu fasziniert von ihm war, als dass ich mich simultan noch mit dem Inhalt beschäftigen konnte, den er da übersetzte. Das ist allerdings nicht so schlimm: Die Sendung hatte gar keinen Inhalt. Was Maybrit Illner da seit einiger Zeit zunehmend bietet, ist das Bespielen einer Marktlücke oder vielmehr einer Marktnische, die nach ihresgleichen genauso suchen muss wie nach Zuschauern.
Janka Oertel wurde als China-Expertin betitelt, und die anderen haben ja bestimmt schon mal Sushi gegessen – und wie heißt es doch so schön? Egal, ob Tokio oder Bangkok, Hauptsache China. Warum genau wir jetzt unbedingt über die diplomatische Dreiecksbeziehung zwischen der Ukraine, Russland und China sprechen müssen, wird nicht so ganz klar. Aber wir erfahren viel über die Kindheit von Xi Jinping und wie es zu seiner Angst vor Teddy-Bären kam. Außerdem, wie der mongolische Zitronenfalter Einfluss auf die Frühindustrialisierung in London nahm und so das große Wirtschaftswunder der Ming-Dynastie mit verursachte. Und wussten Sie, dass der Sack Reis tatsächlich vorsätzlich umgestoßen wurde? Der chinesische Staatsschutz ermittelt bereits und hat die Reisbürger-Szene im Verdacht. Man steht allerdings noch vor der Frage, was das serbische Agrarministerium damit zu tun hatte.
Naja, ehrlich gesagt, erfahren wir das alles nicht. Aber es würde jetzt auch keinen Unterschied machen, wenn die Rezension hier enden würde. Wir haben es hier mit einer sechsköpfigen Gesprächsrunde zu tun, die die Beziehung zwischen China und der Ukraine diskutiert, als wäre das ein Thema, über das man diskutieren kann. Das ist vielleicht etwas, wozu man einen Experten befragt, vielleicht eine Expertenrunde darüber diskutieren lässt, wenn sich überhaupt so viele Fachleute auftreiben lassen. Das läuft dann morgens um 3 Uhr und nicht in der Prime-Time beim ZDF.
Dieses Maß an Halbwissen gepaart mit gestelzten Argumenten zieht sich auch durch den Teil der Sendung, der sich nicht um China dreht. Am Ende hat man keine Ahnung, was man da gerade geschaut hat. Und ich muss feststellen, dass ich von Ben Hodges tatsächlich doch noch am meisten mitgenommen habe. Der konnte durch dem ganzen China-Gedöns wahrscheinlich eh nicht folgen, der Simultanübersetzer war zwar super, aber seine Grenzen muss er auch haben. Der Anschlag in Moskau ist seiner Meinung nach auf jeden Fall ein Inside-Job gewesen.
Auf ihn wirkte der Schaden zu gering, als dass es ein Mordversuch gewesen wäre, und die Russen würden sowas nicht inszenieren, weil es peinlich wäre, dass die Ukrainer bis nach Moskau durchkommen. Na, er muss es ja wissen, schließlich hört die NSA ja Selenskyj ab. Auch das war zu Beginn kurz Thema der Sendung und die fassungslose Überraschung der Beteiligten zeigt schon, wie wenig sie für solche internationalen und politisch verstrickten Themen gewappnet sind: Was, die NSA hört echt Leute ab?! So richtig in echt? Und als nächstes wollt ihr mir wohl noch erzählen, dass Putin wirklich KGB-Agent war.