Tichys Einblick
Kühnert, Habeck beklagen "Kriegsmüdigkeit"

Bei Illner: Die Solidaritätsinflation endet im großen Desinteresse

Das Interesse am Ukraine-Krieg nimmt ab. Dass den Deutschen in den letzten Jahren für jeden Schwachsinn grenzenlose Solidarität abverlangt wurde und sie deshalb wertlos geworden ist, könnte eine Ursache sein. Habeck schwört das Volk derweil auf die Geld-Inflation ein.

Screenshot ZDF: Maybrit Illner

„Schwache Sanktionen, fehlende Waffen – bröckelt die Solidarität?“, lautete das Motto der gestrigen Illner-Folge. Bei Illner nichts Neues könnte man sagen, die Titel der letzten zig Folgen sind sich so ähnlich, dass ich die Sendungen im Gedächtnis kaum mehr auseinanderhalten kann. Doch dieses Mal ist ein neues Element dazugekommen. Auch Illner in ihrem Elfenbeinturm ist nicht entgangen, dass die Deutschen auch eigene Probleme haben. Die Inflation raubt den Menschen noch mehr Geld aus den Taschen als die steigenden Abgaben, daran kann auch das sagenumwobene 9-Euro-Ticket nichts ändern.

Geht den Deutschen die Solidarität aus? „Kriegsmüdigkeit“ nennen sie das im ZDF. Ein Wort, das in dieser Sendung öfter fällt. Es wäre keine Überraschung, schließlich müssen wir seit 2015 quasi täglich solidarisch sein: mit Flüchtlingen aus Syrien, Flüchtlingen von überall, was im weiteren Sinne an Syrien grenzt, beim Klimawandel, mit reichen Schauspielerinnen von der Castingcouch aus Hollywood und zuletzt in der nationalen Coronakraftanstrengung.

Es wäre den Deutschen nicht zu verdenken, wenn ihnen langsam die Puste ausgeht. Aber wir haben doch Glück, oder? In so schweren Zeiten wie diesen, wo gerade die arbeitende, sparende Bevölkerung viel einstecken muss, haben wir die Arbeiterpartei von Helmut Schmidt an der Spitze. Die kriegen das hin, oder?

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Kevin Kühnert ist immer noch SPD-Generalsekretär und offensichtlich auch immer noch auf Wohnungssuche und deshalb immer noch auf die Abstellkammer des ZDF-Studios angewiesen. Es ist nun das zweite Mal binnen weniger Wochen, dass er bei Illner sitzt. Ich kann mich eigentlich an keinen Politiker erinnern, der in letzter Zeit mehrmals bei Illner war, was schon verwunderlich ist, denn es ist nicht so, als könnte man bei Kühnert eine klare Linie zu dem Thema ausmachen. Er stellt sich weder in die eine noch in die andere Richtung dar, oder hat einen festen Standpunkt, den er vertreten könnte.

Ich habe immer eher das Gefühl, dass er versucht zu vermitteln zwischen der SPD-Führung einerseits, die aus welchen Gründen auch immer – ob es nun gewisse Rubelzahlungen sind, pikante Bilder oder russische Oligarchentöchter, die doch nur mal Zeitungen kaufen wollten – nicht klar Stellung beziehen können, und den Grünen andererseits. Und er scheint da nicht so ganz eingeweiht, weiß auch nicht, was die gegen Olaf in der Hand haben, und auch nicht, was der gerade für eine Strategie abzieht. Kühnert wird dennoch immer vorgeschickt, um alles zu erklären.

Tja, das ist das Problem mit der Politik: Selbst wenn man einen schicken Posten bekommt, muss man immer noch nach der Pfeife der Partei tanzen. Dann stammelt der sonst so schlagfertige Kevin ein paar inhaltslose Sätze, die niemandem im Gedächtnis bleiben. Der Arbeiter, dem die Inflation die hart ersparten Rücklagen wegfrisst, bekommt dann Kommentare gewidmet wie: „Man kann sich Außenpolitik von Experten erklären lassen, aber an der Supermarktkasse ist jeder sein eigener Experte.“ Oder: „Beschäftigte müssen mit ihrem Einkommen in die Lage versetzt werden, auch mit Preissteigerungen leben zu können.“ – Was auch immer das heißen soll.

Habeck spielt schon den Kanzler

Daneben wird dann plötzlich großer Platz frei für einen Robert Habeck, der sich dann als der kompetente Vize-Kanzler darstellen kann – er ist zugeschaltet. Aber es klingt natürlich alles sehr ausgewogen und so, als hätte er alles unter Kontrolle: „In dieser Situation kann man nicht nur emotional entscheiden, das ist die Aufgabe einer Regierung, und das unterscheidet uns von Menschen, die im Moment freier ihren Emotionen folgen können.“ – Tja, was will man dagegen sagen?

Vielleicht, dass es eine super Strategie wäre, wenn sie tatsächlich etwas tun würden, aber es klingt doch schon mal gut. Dann spricht er sich eindeutig für die Ukraine aus, dass auch alle mit der Flagge am Balkon zufrieden sind, merkt aber auch an: „Wir wollen nicht, dürfen nicht Kriegspartei werden, weil wir damit den Schritt zu einem globalen Krieg gehen würden.“ Habeck meint: „Es ist ein bisschen schwierig, dass Deutschland, der Westen, die Medien, wir Politiker schon wieder der Ukraine sagen, was sie wollen soll. Das haben wir lange genug getan, sie aber nicht dabei unterstützt.“

Seine Hoffnung: „Putin hat zwar Geld, aber er kann sich immer weniger davon kaufen.“ Da geht es dem Kreml-Chef genau wie den Deutschen. Auch da macht Habeck keinen Hehl draus. Offen sagt er: „Wir werden einen dramatischen Anstieg der Heizkosten erleben.“

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Die SPD verteidigt er fair, schließlich sind sie ja für die Diskussion im Parlament gut – das sagt er gönnerhaft, als wäre er der Kanzler und Olaf die zweite Geige, die toleriert wird. Dann sind alle Seiten abgedeckt, dann kann er auch wieder gehen, er schaltet sich majestätisch ab und überlässt dem unbedeutenden Rest der Runde die Rest-Sendezeit. Kühnert ist nicht wichtig genug, um sich nach zehn Minuten auszuklinken, und so bleibt er zurück, schweigend.

Am meisten für Aufruhr gesorgt hat eindeutig Johannes Varwick, Professor für Internationale Beziehungen und europäische Politik. Er hat zu dem ganzen Konflikt ein – naja, sagen wir – eigenartiges Verhältnis. In einem Interview mit dem RND vom 24. April antwortete er bereits auf die Frage, ob die Ukraine denn noch zu retten sei: „Nein, für den Westen ist die Ukraine verloren. Putin ist nicht mehr davon abzubringen, die Ukraine einzunehmen und einen Regimewechsel durchzusetzen. Dafür ist Putin zu weit gegangen. Wir können nur stillschweigend akzeptieren, dass Russland gerade Fakten schafft. Alle Rhetorik und Sanktionen werden daran nichts ändern. Wir können jetzt nur darauf setzen, dass die Ukraine der letzte Schritt Putins ist.“ Zwei Monate später gibt es den Laden immer noch. Ich muss ja sagen, dass die Aussicht, dass wir einfach nur auf Putins Güte hoffen können, etwas beunruhigend ist.

Jetzt in der Sendung war er jedenfalls der Meinung, die Ukraine sollte souverän sein, aber dürfe sich nicht für den Westen entscheiden – oder so ähnlich. So ganz hat ihn niemand verstanden. So richtig ausreden konnte er zwar nicht immer, weil die ZDF-Frau Katrin Eigendorf immer wieder dazwischen gefunkt hat. Aber immer wenn er dann wieder durfte, hat er die Chance trotzdem nicht genutzt, um uns zu erklären, ob wir denn jetzt alle sterben werden oder nicht.

Dass Illner dann zum Abschied auch noch endet mit „Kommen Sie gut durch die Nacht“, als wüsste sie etwas, was wir nicht wissen, macht das Ganze natürlich nicht unbedingt besser. Die Sendung endet mit einem Cliffhanger und ich kann leider nicht berichten, ob heute Nacht die Mauer ein Revival bekommt oder ob dafür nicht die Fachkräfte fehlen und das Papier sowieso. Also starten Sie einfach beruhigt in den Tag mit dem guten Gewissen, dass Habeck und die anderen Politiker ganz, ganz viel über Ihre Zukunft diskutieren, wenn sie nicht grade Tiktok-Videos machen.

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