Bei Illner waren alle Parteien des Regenbogens zugegen: Und Söder, Lindner, Habeck und Schwesig waren alle auf ihre Art in Kampfstimmung. Vor kurzem ging es noch darum, wer am besorgtesten um jede einzelne Oma der Welt ist, doch die Zeiten haben sich geändert. Frühlingsgefühle machen auch vor Politikern nicht halt und jetzt lautet die Devise: Lockern und zwar so schnell wie irgend möglich. Und: Wir wollten das ja schon immer! Nur nach dem letzten Gipfel sieht es erstmal nicht nach vielen Freiheiten aus, selbst wenn man wollte. Wer ist schuld? Selbst wenn die anwesenden Politiker allesamt unterschiedliche Parteien vertraten, waren sich sich doch in einem einig: Schuld haben immer die anderen.
Bis vor kurzem wirkte er doch noch wie der Pressesprecher von Xi Jinping persönlich – aber das hat er wohl vergessen und will vor allem, dass Sie das vergessen. Auch, dass Fehler gemacht wurden, weist er von der Hand. Auf die Frage von Frau Illner, ob man denn mit besserer Organisation noch mehr Leben hätte retten können, antwortet er sinngemäß, dass es dahingehend nichts gibt, was man hätte besser machen können. Er versucht den ganz großen Spagat. Einerseits sagt er immer Dinge in der Richtung: „Unsere Politik war super, es gibt nichts was man ändern könnte“ und andererseits „Es muss jetzt alles anders werden, ich war ja schon immer für Lockerungen“.
Lindner & Habeck – ein Herz und eine Seele
Die Vorzüge die es hat, in der Opposition zu sein, konnten Habeck und Lindner voll auskosten, denn mit Schadensbegrenzung mussten sie sich nicht aufhalten. Sie konnten munter drauflos kritisieren. Dabei wollten sich die beiden anscheinend gegenseitig übertrumpfen im Wettkampf um den Titel „Wer kritisiert die Regierung am meisten“. Das nahm sehr schnell solche Ausmaße an, dass ich nicht mehr einschätzen konnte, ob ich da gerade einen Zickenkrieg oder das typische Szenario „Was sich neckt, das liebt sich“ beobachte. Mein Fazit: ein bisschen von beidem.
Erfreulich war trotzdem der verschobene Konsens, so dass das Wort Verschärfung nicht einmal in den Mund genommen wurde. Es war eben alles etwas anders diesmal: Grießgram Lauterbach wurde gegen Streeck als Experte ausgetauscht, der ein anderes Stufenkonzept vorschlägt, das auf Hygienekonzepten statt auf Branchenverboten basiert. Selbst die Spiegel-Journalistin Melanie Amann traut sich aus ihrem Versteck, wagt sich sogar so weit vor, dass sie kritisiert, dass die Ministerpräsidenten tatsächlich immer noch auf die Zustimmung der Kanzlerin Rücksicht nehmen, obwohl die in den Ländern doch gar keine Zuständigkeit hat. Selbst der Spiegel gibt Merkel mittlerweile also zum Abschuss frei.
Als Kirsche auf der Torte kommt dann der Schauspieler und Indentant des Berliner Schlosspark-Theaters Dieter Hallervorden. Er wickelt alle endgültig mit Öffnungsfantasien um sämtliche Finger und hält ein flammendes Plädoyer für die Kultur. Schließlich fragt er, wer das 13-Seitige Beschlussdokument des Corona-Gipfels geschrieben habe – er würde sofort versuchen, den als Kabarettautor zu gewinnen. Und damit ist eigentlich auch alles gesagt.